Amberger Welttheater: Grandioses Finale nach dem Finale

Amberg
11.06.2019 - 10:40 Uhr

Die Zuschauer bekamen davon fast nichts mit: Bei der letzten Vorstellung des Welttheaters machte ein aufziehendes Gewitter der Spielleitung Sorgen - und dann fehlte auch noch die vierte Todsünde.

Der Zorn lag am Pfingstmontag mit Magen-Darm-Grippe im Bett. Um 19.30 Uhr war klar: Bernhard Bamler kann nicht auftreten. "In so einem Fall kann man nichts machen. Wir mussten die Rolle kurzfristig streichen", erzählte Produktionsleiter und Schauspieler (Spielansager) Jürgen Huber. Er selbst übernahm einige Phrasen. Das Musikstück, in dem der Zorn mit seiner schweren Eisenkette auf das Pflaster drischt, fiel aus. "Da ging es schon ein bisschen hektisch zu vor Spielbeginn."

Zusätzlicher Organisationsbedarf herrschte bei der letzten der zwölf Aufführungen auch wegen eines vorhergesagten schweren Gewitters. Kulturamtsleiter Reiner Volkert bereitete die gut 600 Zuschauer gegen 20.30 Uhr auf eine mögliche Evakuierung der Tribüne vor. "Für den Fall, dass sich das Gewitter über uns entlädt, müssten wir Sie bitten, den Innenraum der Mariahilfbergkirche aufzusuchen", sagte er. So weit kam es nicht. Die Gewitterfront zog rund 50 Kilometer südlich an Amberg vorbei. Es tröpfelte lediglich ein bisschen, dennoch begann die Vorstellung mit 15-minütiger Verspätung.

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Amberg24.05.2019

Ganz oben auf der Tribüne saß Michael Oberg mit hanseatischer Gelassenheit hinter seinem riesigen Mischpult. "Ich hab das schon tausendmal gemacht", erzählte er während der Wartephase. "So ein bisschen Gewitter haut uns nicht um." Der Tontechniker aus Kiel hat wegen des Welttheaters vier Wochen in Amberg verbracht, übernachtete in einem Hotel. Am Dienstag reiste er zurück in seine Heimat. "Wie schauts aus - bleibst Du jetzt endlich hier?", rief ihm spätnachts noch einer aus der Schauspieltruppe zu. "Wenn Du mir einen Bauplatz besorgst", gab's als Antwort.

Nach etwa 90 Minuten begann das große Finale mit dem Schlusschoral und wieder blinzelte der heimliche Star des Welttheaters 2019 aus dem Tragetuch seiner Mama hervor: die erst zehn Monate alte Felicia Wießnet. "Sie wacht meistens auf, wenn es Applaus gibt", sagte Verena Wießnet, die eine junge Mutter aus dem Volk spielt. "Und dann schaut sie nur." Kein einziges Mal hat das Baby während der zwölf Aufführungen geweint. "Viele Leute haben sie für eine Puppe gehalten."

Diesmal hatte die kleine Felicia lange Zeit zum Schauen: Sieben Minuten und 15 Sekunden dauerte der Schlussapplaus. Für die Band Vanden Plas gab es extra Ovationen. Die Musiker hatten sich zur Feier des Tages bayerische Lederhosen angezogen. Als der Beifall abgeflaut, die Anspannung von den meisten Schauspielern abgefallen war, stand einer wie in Stein gemeißelt auf dem Pflaster vor der Treppe zum Kirchenportal: Reinhold Escherl, der den Diener Jan spielte, saugte jede Regung auf der sich leerenden Tribüne stillschweigend in sich auf.

Ein paar Meter daneben ging es bereits etwas lustiger zu. Zuerst saßen ganz oben vor dem Eingang zur Kirche nur Andy Kuntz (Friedrich V.) und Joanna Lissai (Elisabeth Stuart) auf der Treppe, um ganz unmajestätisch mit einem 0,3er-Bier auf das Ende der Spielzeit anzustoßen. Kaum klirrten die Gläser, versammelten sich immer mehr Schauspieler um sie herum, bis die ganze Truppe in ausgelassener Feierlaune noch einmal diverse Verse aus dem Stück rezitierte - ein grandioses Finale nach dem Finale.

"Mitten drin die Profis, rundherum die Laien. Wir sind eine echte Familie geworden", bilanzierte Jürgen Huber, der am letzten Abend auch Regie führte. Regisseurin Astrid Vosberg durfte die zwölfte Aufführung als Lohn für ihre Mühen als private Zuschauerin verfolgen.

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