Amberg
03.01.2020 - 12:40 Uhr

Wenn der Ehemann Alzheimer hat

Wenn Karin Haberecht (82) in die Zukunft hätte schauen können, hätte sie sich schon viel früher helfen lassen. Vor zwei Jahren wurde bei ihrem Mann (86) Alzheimer diagnostiziert. Es stellte ihr Leben auf den Kopf.

Karin Haberecht (sitzend) lebt im betreuten Wohnen im Seniorendienstleistungszentrum am Haager Weg. Links Tochter Bettina Begemann. Bild: Petra Hartl
Karin Haberecht (sitzend) lebt im betreuten Wohnen im Seniorendienstleistungszentrum am Haager Weg. Links Tochter Bettina Begemann.

Karin Haberecht ist eine wortgewandte und aufgeschlossene Frau. Sie schwärmt von dem Blick auf den Mariahilfberg von ihrer neuen, modernen Wohnung im Seniorendienstleistungszentrum an der Brentanostraße aus. Gestern Abend habe der Mond in seiner vollen Schönheit gestanden, direkt neben der Kirche. Das sei ein wunderschöner Anblick gewesen. Wenn sie einen Fotoapparat gehabt hätte, hätte sie ein Foto gemacht und dafür garantiert einen Preis gewonnen. Sie lächelt und macht eine wegwerfende Handbewegung.

Früher habe sie solche Momente mit ihrem Mann geteilt. Heute geht das nicht mehr. Er wohnt seit kurzem gegenüber im Wallmenichhaus. Sein Alzheimer ist in relativ kurzer Zeit so stark vorangeschritten, dass sie die Pflege nicht mehr leisten konnte. "Ich dachte immer, ich bin stark genug. Ich dachte, ich schaff das schon." Sich einzugestehen, dass die Pflege sie selbst kaputtmacht, war ein Lernprozess.

Früher immer sehr sportlich

Kennengelernt haben sich Karin Haberecht und ihr Mann im Urlaub. Sie heirateten rasch und bekamen ein Kind: Bettina. Zunächst lebten sie im Osten Berlins, erlebten die Anfänge des Mauerbaus in der Stadt hautnah mit und zogen schleunigst in den Westen. Schließlich ließen sie sich in Meerbusch bei Düsseldorf nieder, wo Karl Haberecht ein Ingenieur-Büro für Bauwesen gründete. "Wir haben viele schöne Jahre dort verbracht. Mein Mann war sehr sportlich und bewegungsfreudig." Tennis, Radtouren, Skifahren, Wandern. Das Paar war ständig in Bewegung. Mit der Zeit erlebte Karin Haberecht aber bestimmte Veränderungen im Wesen ihres Mannes. Er wurde zurückhaltender, war nicht mehr so spontan. "Wenn man mit einem Menschen zusammenlebt, gewöhnt man sich an Eigenheiten. Man schiebt Veränderungen weg." Irgendwann merkte Karin Haberecht, dass ihr Mann nicht mehr der war, den sie kannte. Sie besuchten verschiedene Ärzte ohne Ergebnis, bis Karl schließlich 2017 zu Hause umkippte. Tochter Bettina, die in Amberg wohnt, drängte darauf, dass ihr Vater in eine Spezialklinik, eine gerontopsychiologische Institutsambulanz, geht. Dort kam es zur Diagnose.

Angst vor einem Umzug

Die Wohnung in der zweiten Etage ohne Fahrstuhl, 600 Kilometer weit von der Tochter entfernt, wurde zur Belastung. Doch immer noch kam für Karin Haberecht eine Ortsveränderung nicht infrage. "Ich hatte Angst, wegzuziehen." 50 Jahre wohnte sie dort, gerade auch ihr Mann wollte auf keinen Fall woanders hin. Plötzlich gab es auch im Freundeskreis "Ausfälle", wie es Karin Haberecht nennt: Krankheiten, Todesfälle, "man hat sich auseinandergelebt". Irgendwann traf die 82-Jährige die Entscheidung, umzuziehen. Mit der starken Veränderung ihres Mannes fing sie an, sich nicht mehr wohlzufühlen. "Ich habe abgenommen, war unleidlich zu allen, tat mir selber furchtbar leid."

Ihre Stimme stockt. "Ich habe es nicht mehr koordiniert bekommen." Es fällt ihr immer noch schwer, das einzugestehen. Bettina Begemann, die auch für die Schwesternschaft Wallmenichhaus arbeitet, schlug ihrer Mutter vor, sich für eine Wohnung im neuen Seniorendienstleistungszentrum an der Brentanostraße zu bewerben. Das Appartement hatte sie zuvor lediglich auf einem Plan gesehen.

"Im Nachhinein weiß man es"

Seit Pfingsten wohnt das Ehepaar Haberecht in Amberg. Den Sommer genossen sie noch gemeinsam in ihrer neuen Wohnung. Karl saß gern in der Sonne, redete mit der Nachbarin. Im September ging es allerdings mit seiner Gesundheit rapide bergab. Nach einem Krankenhausaufenthalt "funktionierte nichts mehr". Karin Haberecht: "Er konnte nicht stehen, er konnte nicht laufen, er konnte nur schreien." Die Tagespflege in Kombination mit der Pflege von seiner Frau war keine Alternative mehr. Seit kurzem ist er im Wallmenichhaus untergebracht. "Es ging einfach nicht mehr", sagt Karin Haberecht, "allein kräftemäßig hätte ich es gar nicht geschafft". Könnte sie noch mal ein Stück zurück, würde sie versuchen, schon früher Hilfe in einem Heim zu bekommen. "Männer geben schneller ab. Aber Frauen haben diesen mütterlichen Trieb: Ich schaffe das. Bis zur Grenze. Bis man nicht mehr kann. Im Nachhinein weiß man natürlich alles besser."

In der Brentanostraße in Amberg, weit weg ihrer Heimat, hat Karin Haberecht Menschen kennengelernt, die in einer ähnlichen Situation sind wie sie. Regelmäßig geht sie dort zum Mittagessen, bleibt danach auch gerne noch sitzen, um sich zu unterhalten. Der Nachmittag gehört aber nach wie vor ihrem Mann. Ihn besucht sie täglich. Dafür muss sie nur über die Straße. "Ich kann nur sagen: Auch wenn es schwerfällt, man muss Hilfe annehmen. Das musste ich erst lernen."

Diagnose Alzheimer:

Tipps

Der Verein Deutsche Alzheimer-Gesellschaft hat auf seiner Homepage (www.deutsche-alzheimer.de) Tipps für Angehörige veröffentlicht, die den Hauptanteil an der Versorgung von Demenzkranken tragen. Die Probleme, die im Zusammenleben mit einem Demenzkranken auftreten, sind von Fall zu Fall verschieden. Wissen über die Krankheit verleiht Sicherheit im Zusammenleben und im Umgang mit den Kranken. Sie stehen zudem über ein Alzheimer-Telefon 0 30 / 259 37 95 14) mit Rat zur Seite. (roa)

 
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