Es ist nicht zuletzt dem Vorsitzenden des EBW Oberpfalz, Siegfried Kratzer, zu verdanken, dass der renommierte Theologe und Psychotherapeut seit 1992 nahezu jährlich der Stadt Amberg einen Besuch abstattet, um hier einen Vortrag zu halten. Die Zuhörer, von denen viele ebenfalls seit Jahren beständig wiederkommen, finden es, ganz unabhängig vom jeweiligen Thema, faszinierend, dass Drewermann ohne Skript seine Gedanken 90 Minuten lang präzise und folgerichtig ausbreiten kann. Und sich danach immer noch einem längeren Frage-und-Antwort-Komplex stellt.
Drewermann ist ein enorm produktiver Autor, der sich mit Verve der Grundfragen des Menschen in der Moderne annimmt. Manchmal klingt er dabei existentialistisch, was bei einem Theologen einigermaßen überrascht. "Die Realität zerbricht unser kindliches Vertrauen zu Gott und wir schauen in einen unendlichen Abgrund, aus dem es keine Rettung gibt", sagt er bei seinem Vortrag in der evangelischen Erlöserkirche.
Ob das nur eine philosophische Beschreibung des zeitgenössischen Empfindens oder schon Bestandteil einer intellektuellen Autobiografie ist, bleibt dahingestellt.
Bei seinem jüngsten Vortrag "Gestalten des Bösen" schlägt er mit dem Titel einen auffälligen Bogen zum Beginn seiner wissenschaftlichen Karriere, die mit der dreibändigen Dissertation und Habilitationsschrift "Strukturen des Bösen" von 1976 Fahrt aufgenommen hat. "Gestalten des Bösen" heißt auch eines seiner neuesten Bücher, das Ende 2018 erschienen ist.
Drewermann zeigt, dass unsere Moral mit ihrem Dualismus "gut-böse" geeignet ist, Gegner zu dämonisieren, zum Bösen schlechthin zu stilisieren: "Wir merken in all dem nicht, dass wir uns selber zu Teufeln machen und halluzinieren uns eine Welt, die von allem Bösen befreit wäre, wenn es uns nur gelingen würde, die richtigen Macht- und Zerstörungsmittel zu platzieren." Dabei werde die Welt durch Kämpfen und Vernichten nicht nur sprichwörtlich in die Hölle verwandelt. Beispiele gibt es dafür in der Historie des Menschengeschlechts genug, auch die Gegenwart hält sie in überbordender Zahl bereit.
Aus dieser "Blutmühle ohne Ende" komme man nur heraus durch Verständnis. Das meint, auch die Gründe des "Feindes" kennen und verstehen zu lernen und ihn nicht von vorneherein als "Teufel" abzustempeln. Dass das sinnvoll ist und wie so etwas gehen kann, das hat Jesus in seinem kurzen Leben vorgemacht und gelehrt. Als Theologe bezieht sich Drewermann am Ende doch am liebsten auf den Menschen Jesus, der Empfindsamkeit und Mitfühlen als Ausweg aus der irdischen Hölle empfohlen hat.
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