Mittwochmittag in der Bergwirtschaft: volles Haus. Die Wirtin hat bei Hochbetrieb zunächst keine Zeit, sich zum erst mal positiven Urteil des Landgerichts in ihrer Sache zu äußern. Die Gäste gehen vor. Das tun sie auch noch ein ganzes Jahr - bis 31. Juli 2020. So lange darf Familie Erras das Lokal weiter führen. Auch wenn es fünf Minuten vor zwölf ist, als die Oberpfalz-Medien anrufen und nach einer ersten Reaktion fragen, ist diese Uhrzeit nicht symbolisch für den Ausgang des Zivilprozesses.
Wie berichtet, hatten die Wirtsleute von Ambergs beliebter Ausflugs- und Wallfahrtsgaststätte auf dem Mariahilfberg gegen die Kündigung ihres Pachtvertrages wegen einer geplanten Generalsanierung und Erweiterung des Gebäudekomplexes geklagt. Dabei ging es ihnen auch um die ihrer Ansicht nach viel zu kurz angesetzte Kündigungsfrist. Die beträgt laut Pachtvertrag immerhin ein Jahr. Kurz vor Silvester vergangenen Jahres war das entsprechende Schreiben der Kirchenstiftung Mariahilfberg bei Gertraud und Herbert Erras eingegangen. Als Kündigungstermin wurde ihnen der 30. Juni heuer genannt, also nur ein halbes Jahr Frist.
Gericht gibt Wirt recht
Parallel war in der Öffentlichkeit mehrfach verbreitet worden, unmittelbar nach Ende des Bergfestes könnten die Bauarbeiten beginnen. Nicht nur das hat das Ehepaar Erras geärgert, das um sein Geschäft und bestehende wie künftige Reservierungen fürchtete. Die beiden beschlossen auch, die ihrer Auffassung nach falsche Kündigung anzufechten und bekamen nun größtenteils recht.
Zivilrichterin Claudia Arlt entschied, dass die Kündigung vom 28. Dezember 2018 zum 30. Juni 2019 nicht wirksam ist. Eben, weil im Vertrag von 1995 eine einjährige Frist vereinbart ist, die nie geändert wurde, und weil sich das Pachtverhältnis mit Stichtag 31. Juli automatisch immer um ein Jahr verlängert. Deshalb kommt es nun auch zu dem Termin 31.7.2020, zu dem die ausgesprochene Kündigung wirksam wird, die obendrein von der Bischöflichen Finanzkammer erst Mitte Januar genehmigt worden war.
Nachdem sowohl von Kläger- als auch von Beklagtenseite, der Kirchenstiftung, keine Vertreter zum Verkündungstermin gekommen waren, fiel dieser im Sitzungssaal 1 faktisch aus. Stattdessen informierte das Landgericht die beiden Parteien per Anruf und Versand des Urteils. Gegenüber der AZ konkretisierte Pressesprecher Uli Hübner, dass die Erras-Klage zwar in Sachen Beendigungstermin erfolgreich war, ihr aber nicht grundsätzlich gegen die Kündigung stattgegeben wurde.
Im Gegenteil hat die Kirchenstiftung Mariahilfberg sogar mit ihrer sogenannten Wiederklage auf Räumung und Herausgabe ihres Eigentums (im Wesentlichen das Gebäude mit allen zentralen Einrichtungen) zum 31. Juli 2020 recht bekommen. Nach diesem Stichtag könnten nun bereits erwirkte Titel sofort vollstreckt werden - laut Hübner ein "zeitlicher Vorteil", weil nötigenfalls nicht erst später wieder eine Räumungsklage geführt werden müsse.
Berufung für beide möglich
Davon ist zwar bisher keine Rede gewesen. Aber die seit kurzem per Diözesandekret neu aufgestellte Stiftung samt frisch bestimmter Kirchenverwaltung eigens für Mariahilf (www.onetz.de/2802968) möchte mit der Generalsanierung und Erweiterung natürlich nicht noch länger warten. Das wird auch der dafür gefundene Investor, der Massenrichter Schreinereibetriebsinhaber Michael Fellner, kaum wollen. Doch noch ist das gestern verkündete Urteil nicht rechtskräftig; beide Seiten haben die Möglichkeit, dagegen in Berufung zu gehen.
„So ist es halt in einer Demokratie“: Der neue Kirchenpfleger am Mariahilfberg, Ex-Stadtkämmerer Franz Mertel, nimmt Rechtsstreit und Entscheidung in Sachen Bergwirtschaft gelassen. Allerdings kündigt er an, dass sich die neue Filialkirchenverwaltung die Urteilsbegründung genau anschauen und von ihrem Anwalt prüfen lassen wird, um zu sehen, ob man vielleicht in Berufung geht. Allerdings wolle man dadurch keine weitere Zeit verlieren, selbst wenn Mertel weiß, dass dem Investor für Sanierung und Umbau das Projekt und sein Erbpachtvertrag am Herzen liegen.
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