Weihnachten im Jahr 2023, das Gedenken an Christi Geburt steht vor der Tür. Und da sollte man sich schon jetzt an dessen Ende, an die letzten Tage des Jesus von Nazareth erinnern, der verlacht, verspottet und ans Kreuz genagelt wurde? Ja, man sollte und man muss das sogar in diesen zumeist so glitzer- und konsumfreudigen Tagen. Insofern war es ein Glücksgriff, den das Kulturreferat der Stadt Amberg mit der Aufführung der Rockoper „Jesus Christ Superstar“ gelandet hatte und damit dem Publikum im ausverkauften Amberger Stadttheater einen beeindruckenden Abend bescherte.
Die Älteren unter uns werden es sicher noch wissen. Mit diesem Stück, das 1971 am Broadway uraufgeführt sowie 1973 verfilmt wurde und zur damaligen Zeit so umstritten wie erfolgreich war, legte der damals erst 23-jährige Andrew Lloyd Webber gemeinsam mit dem nur wenige Jahre älteren Texter Tim Rice den Grundstein für seine grandiose Weltkarriere. Doch obwohl es damit schon mehr als fünf Jahrzehnte auf dem Buckel hat, geht dieses musikalische Werk bis heute unter die Haut all Derer, die sich darauf einlassen, diese letzten Tage im Leben von „Jesus Christ“ noch einmal mitzuerleben und die Auseinandersetzung zwischen ihm und dem Verräter Judas Ischariot nachzuempfinden.
Verdienter Applaus
Dabei entpuppte sich die Inszenierung des Landestheaters Detmold als eine beeindruckende, mitreißende und begeisternde Darbietung, die den lang anhaltenden Applaus im Amberger Stadttheater mehr als verdient hatte. Das allerdings mit einer unüberhörbaren Einschränkung: Der Sound der insgesamt brillant aufspielenden Liveband unter der musikalischen Leitung von Mathias Mönius war deutlich zu laut. Dadurch hatten die Zuschauer besonders in Hälfte eins große Schwierigkeiten, die Texte zu verstehen, oder anders gesagt, die Akteure auf der Bühne große Probleme, gegen den Gitarrensound und die Schlaginstrumente anzusingen – was auch angesichts der Tatsache, dass man die an den Evangelien orientierte Handlung ja eigentlich bestens kennt, das Hörvergnügen merklich trübte. Das wurde nach der Pause zwar besser, ganz beseitigen konnten die Verantwortlichen dieses Manko jedoch nicht.
Doch genug der Kritik, der man allenfalls noch die fehlenden Übergänge zwischen den einzelnen Szenen anfügen könnte, was freilich vor allem den Machern und weniger der gelungenen Inszenierung von Götz Hellriegel anzukreiden ist. Diese nämlich konnte das Amberger Publikum ebenso überzeugen wie das gesamte Ensemble, wobei ganz besonders Yannik Gräf als introvertierter Jesus und Mercedesz Csampai als die ihn liebende und immer wieder unterstützende Maria Magdalena in ihrer jeweiligen Rolle glänzten. Aber auch Irakli Atanelishvili mit seiner wohltönenden Bassstimme sowie Hyunsik Shin als die beiden, unschwer an ihren überdimensionalen Plateausohlen erkennbaren Hohepriester Kaiphas und Annas, Randy Diamond als Herodes, dessen Einstellung und Lebenswandel nicht nur durch sein Outfit, sondern auch durch die Begleitung von Revuetänzerinnen und -tänzer zum Ausdruck kommen, sowie Andreas Jören als Pontius Pilatus, Nando Zickgraf als Petrus und Antonio Calanna als Simon gelang es, das Amberger Publikum für sich zu gewinnen.
Kunstgenuss vor Heiligabend
Nicht zu vergessen Hannes Staffler, der als von Zweifel und Selbstzweifel geplagter, in sich zerrissener Judas die schwerste Aufgabe hatte, sich gegen die Instrumente durchzusetzen, der wie seine Mitstreiter jedoch ebenso eine sowohl in schauspielerischer wie auch in musikalischer Hinsicht ausgezeichnete Leistung ablieferte. Bleibt noch der Hinweis auf das schlichte, an ein Amphitheater erinnernde Bühnenbild von Jule Dohrn-van Rossum in Form einer großen, grauen Treppenanlage sowie die von traditionellen bis zum hochmodernen Streetdancerlook variierenden Kostüme von Valerie Hirschmann, die ausgezeichnet zu dieser Darbietung passten und damit auch in optischer Hinsicht die nicht zu Ende gehende Aktualität von Rockoper und Thema widerspiegelten. Insgesamt: ein Volltreffer des städtischen Kulturreferats für diesen Kunstgenuss noch vor Heiligabend.
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