Amberg
19.06.2018 - 09:05 Uhr

Hopfen, Malz und viel Humor

Mit einem gläsernen Bierkrug zieht der Pulk von Gasthaus zu Gasthaus. Resi und Barnabas erzählen derweil von der lokalen Biergeschichte. Amberg hat eine neue Erlebnis-Stadtführung - mit Hopfen, Malz und viel Humor.

Ekelig und faszinierend: Dass in der Vils einmal Brau- und Abwasser floss, damit hätten die Teilnehmer der Bier-Stadtführung nicht gerechnet. [WSB]
Ekelig und faszinierend: Dass in der Vils einmal Brau- und Abwasser floss, damit hätten die Teilnehmer der Bier-Stadtführung nicht gerechnet.

Es regnet. Die dicken Tropfen platschen auf den aufgeheizten Asphalt. Es riecht nach Teer - nach Sommer. Eine Gruppe von etwa 20 Menschen hat sich im Schatten der Paulanerkirche versammelt. Unter ihren Regenschirmen suchen sie Schutz.

In ihrer Mitte eine Frau, die irgendwie nicht ins Bild passt: Sie trägt eine mittelalterlich-bäuerliche Kluft. Weißes Hemd mit dunkelbraunem Rock. Eine weiße Haube verdeckt ihre kurzen Haare. Auf ihren Rücken hat sie einen Weidenkorb geschnallt. Er scheint ein ordentliches Gewicht zu haben, das die Schultern der Frau leicht nach hinten zieht. Etwa 40 Minuten und zwei Bier später werden die Leute erfahren, was den Korb so schwer macht. "Barnabas, wo steckst Du denn?", ruft sie in eine unbestimmte Richtung. "Habt ihr den Barnabas gesehen?", fragt die Frau, die sich als Resi vorstellt. Die Leute schütteln den Kopf, sichtlich amüsiert.

Da geht das große Portal der Kirche auf und ein Mann mit grauem Haar, Mönchskutte und Sandalen tritt heraus, einen steinernen Bierkrug in der Hand. Unter dem braunen Umhang spitzt der Kragen eines blau-grün karierten Hemdes hervor. "Ja wo bleibst Du denn? Wir warten schon alle!", tadelt Resi den Neuankömmling. "Ja, ja. Jetzt gib an Fried", entgegnet der Mann, der anscheinend der herbeigesehnte Barnabas ist. Im wahren Leben heißt Barnabas Helmut Scharl. Der Amberger ist Rentner und Stadtführer. Einem der Männer reicht er das Bier. "Da, magst mal probieren?" Er mag. "Schäumt und macht schwindelig", lautet sein Fazit. Die Erlebnis-Stadtführung hat begonnen, ohne dass es die Zuschauer gemerkt haben.

Barnabas erzählt vom Starkbier beim ersten Oktoberfest 1552, das einfach nur "greislich" war, bitter und wässrig. Im Kloster habe er seinerzeit viel besseres Bier gebraut. In Amberg schien die Qualität nicht viel besser zu sein. "Die Leute hier haben reihenweise Bauchweh von dem schlechten Bier gekriegt", verrät der Ordensbruder. Warum das so war, sollte den Teilnehmern später klar werden. Dann steuert die mittlerweile fast 30 Leute große Gruppe Richtung Gasthaus Winkler, in den Biergarten. Wie gut, dass der Regen nun aufgehört hat. Jeder bekommt einen kleinen, gläsernen Bierkrug. "So, jetzt gibt's erstmal ein gescheites Bier. Die Gläser dürft ihr behalten und zu den nächsten Stationen mitnehmen", sagt Resi. Resi heißt eigentlich Renate Singer und ist Krankenschwester. Die Stadtführungen sind ihr großes Hobby. Später verrät sie, dass sie ganz schön aufgeregt war vor ihrer ersten Stadtführung mit Schauspiel.

Die Teilnehmer sind noch etwas zurückhaltend beim Trinken. Resi ermutigt sie. "Kummts! Geihts her. Immer zwei eine Flasche!" Meistens ist es aber eher eine Ein-Drittel-zwei-Drittel Aufteilung. Die Männer haben halt mehr Durst als ihre Damen. Die beiden jüngsten Teilnehmer, zwei Buben mit zehn und zwölf Jahren, bekommen Apfelschorle. Ein schwarzer Labrador ist auch dabei. Aber der geht leer aus.

Währenddessen erfährt die Gruppe aus Jungen und Junggebliebenen Wissenswertes über die Brauerei Winkler, die heute immer noch am selben Ort braut wie bei ihrer Gründung 1617. "So, aber jetzt stoßen wir erst einmal an. Prost!" Resi erhebt das Glas. Alle trinken und so mancher nickt anerkennend, nachdem er gekostet hat. Herrlich, wie das eiskalte Bier die Kehle runter läuft. Mittlerweile ist es richtig sonnig und warm. Das Bier ist eine willkommene Erfrischung. Schon werden die ersten Smartphones gezückt. Das ist ja so gar nicht 17. Jahrhundert - gehört wohl irgendwie dazu. Ein Selfie mit Freundin und Bierglas, um den Abend festzuhalten. Weiter geht es zur nächsten "Tankstelle", mit halbvollem Bierglas als Wegzehrung. Die heitere Truppe macht Halt am Amberger Hafen. Ja, richtig. Amberg hat einen Hafen. Er befindet sich in der Schiffgasse an der Vils. "Mit dem Vilswasser wurde auch das Amberger Bier gebraut", erklärt Resi und deutet auf das dunkelgrün schimmernde Gewässer. "Und nicht nur das. Als Toilette wurde der Fluss auch benutzt. Zwei Tage bevor Bier gebraut wurde, durfte aber keiner mehr ins Wasser..." Gelächter macht sich breit - über diese Erkenntnis hilft nur ein Schluck Bier. Jetzt ist jedem klar, warum die Menschen damals vom Bier Bauchweh bekamen. Weiter geht's. Laufen. Trinken. Erzählen. Lachen. Die Stimmung ist ausgelassen.

Im Biergarten der Brauerei Bruckmüller lüftet Resi dann das Geheimnis um ihren Weidenkorb. "Weil hier gerne Reisende eine Brotzeit gemacht haben, gibt es die für uns jetzt auch." Brezen für alle. Der Jubel ist groß. "So ein Korb wäre was für mich zum Einkaufen", stellt eine Frau fest. "Den hob ich aus dem Internet", gibt Resi ihr den Tipp und rät außerdem: "Jetzt müsst's schnell trinken, die nächste Station ist nicht weit." Damit hat nun wirklich keiner ein Problem.

Am Marktplatz gibt es dunkles Sudhang. Jeder darf auch mal an dem Bio-Hopfen aus der Region schnuppern, der für den besonderen, weich-herben Geschmack verantwortlich ist. Aber Vorsicht! Das im Hopfen enthaltene Lupulin steigert angeblich die Fruchtbarkeit. Schon das Einatmen soll genügen. Der Ansicht waren zumindest die Frauen, die damals für die Hopfen-Ernte zuständig waren. "Und merkt's schon was?", fragt Barnabas die Damen neckisch. Heiteres Lachen ist die Antwort. Nein, bis auf ein Kitzeln in der Nase ruft der Hopfen keine körperliche Reaktion hervor. Die getrocknete Pflanze ist rau und federleicht. Zerbröselt in der Hand. Nach Bier riecht der Bio-Hopfen nicht, eher nach süßlichem Heu.

Nur wenige Meter entfernt wartet ein Kasten dunkles Schloderer Bier. "Eins, zwei, drei - plopp!" Bei Drei öffnen alle ihren Schnalzverschluss. So mancher gibt zu, dass er das Bier schon merke. Nein, wirklich? Die Blicke werden glasiger, die Stimmen lauter. Umso besser ist die Atmosphäre. Die Bierführung endet im Innenhof der Brauerei, der Abend aber noch lange nicht. Es dauert eine ganze Weile, bis sich die Gruppe auflöst und jeder zu Fuß, mit dem Taxi oder Fahrrad nach Hause fährt. Resi reißt ihre Haube vom Kopf und seufzt zufrieden. Barnabas verschwindet kurz, um die Strumpfhose unter der Kutte loszuwerden. Für Resi endet der Abend dort, wo er angefangen hat. "Ich bezahl' jetzt noch unsere Zeche bei den Wirten. Und dann is Feierabend."

Info:

Wo und wann?

Das nächste Bierspektakel mit Resi und Barnabas gibt es am Freitag, 22. Juni. Weitere Termine folgen. Treffpunkt ist um 18.30 Uhr an der Paulanerkirche in Amberg. Auf Anregung der Teilnehmer der ersten Führung gibt es neben dem Winkler, Bruckmüller, Zentral und Schloderer noch eine fünfte Station, bei der Kummert Bier ausgeschenkt wird. Die Teilnahme kostet 17,50 Euro. Anmeldungen an renate.singer[at]amberg-mail[dot]de oder bis 18 Uhr am Führungstag unter 0157 77821732. (anv)

 
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