Von Wolfgang Ruppert und Thomas Kosarew
Am Anfang war für sie alle komplett neu. Die Ukrainer, die nach dem Kriegsausbruch am 24. Februar und nach ihrer Flucht in Amberg und im Landkreis Amberg-Sulzbach angekommen sind, sahen sich mit Veränderungen konfrontiert. Und mit Problemen: Die Frage nach einer Unterkunft stellte sich ebenso wie die nach einem Weg durch den Behördendschungel. Spätestens im März begannen jedoch mit der Eröffnung der drei Notunterkünfte in Amberg, Sulzbach-Rosenberg und Auerbach die ersten Mechanismen zu greifen.
Doch das bedeutet nicht, dass es nun nichts mehr zu tun gäbe. Ganz im Gegenteil, wie eine Nachfrage bei Andrea Schröther bestätigt. Sie kümmert sich in Amberg um die Integrationspolitik und ist für die Koordinierungsstelle Ukraine verantwortlich: „Wohnungen brauchen wir tatsächlich immer noch händeringend.“ Zwar seien seit März von den bisher in Amberg registrierten 534 Flüchtlingen 230 in 62 Wohnungen vermittelt worden, doch 91 fristeten ihr Dasein noch immer in der Notunterkunft, die in der Dreifachturnhalle des Gregor-Mendel-Gymnasiums entstanden ist. Auch sie hätten gern eine feste Bleibe.
Und dann gibt es laut Schröther noch etwa 230 Personen, die privat untergekommen sind. Rund 130 von ihnen befänden sich dennoch ebenfalls auf der Suche, weil sie dort, wo sie gerade leben, „raus müssen oder wollen“. Aus den unterschiedlichsten Gründen: „Viele private Unterkünfte funktionieren eine Zeitlang, aber nicht dauerhaft.“ Wenn Schröther auch noch die 60 Ukrainer berücksichtigt, die im Landkreis Amberg-Sulzbach oder in einem Nachbarlandkreis wohnen, aber das lieber in Amberg täten, besteht in der Stadt aktuell für rund 280 Ukrainer Wohnraum-Bedarf: „Das wären so um die 100 Wohnungen.“ Eine Zahl, die die Koordinatorin nachdenklich stimmt: „Der Markt ist langsam abgeschöpft. Wohnungen werden nur noch vereinzelt angeboten.“
Freie Zimmer nicht vermittelt
Wenn er Aussagen wie diese hört, kann ein 67-Jähriger aus dem südöstlichen Landkreis Amberg-Sulzbach nur mit dem Kopf schütteln. Bereits im März hat der Mann, der namentlich nicht genannt werden möchte, mit seiner Frau (55) die seit dem Auszug der beiden Töchter freien Zimmer dem Landkreis angeboten. Gehört habe er seitdem jedoch nichts: „Wir stehen zwar auf einer Liste, aber das war es dann schon.“ Konkret hat das Ehepaar das komplette Obergeschoss im Angebot: zwei Zimmer mit Bad. Die Gemeinschaftsküche befindet sich im Parterre, ein separater Eingang ist nicht vorhanden. „Mit Familienanschluss halt. Gemeinsam kochen. So war das geplant“, sagt der Rentner, der nicht lockerließ und noch im März beim Landratsamt nachfragte, wo er erfuhr: „Es schaut sich jemand die Wohnung an.“ Bis jetzt sei das nicht geschehen. Obwohl die Zimmer möbliert seien. Zudem gehe es nicht um Mieteinnahmen.
Im Landratsamt ist dieser Fall bekannt: „Bezüglich der Wohnung können wir mitteilen, dass wir sehr viele Wohnungsangebote erhalten haben. Wir haben zuerst voll möblierte und abgeschlossene Wohnungen besichtigt und angemietet, da diese sofort und auf Dauer nutzbar waren und sind.“ Bei Bedarf würden auch Objekte besichtigt, in denen Küche und Sanitäranlagen mit den Eigentümern zusammen genutzt werden müssen: „Wir haben aber alle möglichen Vermieter über das Prozedere informiert.“
Andrea Schröther kann diese Vorgehensweise durchaus nachvollziehen: „Der Landkreis hat ja ein ganz anderes Areal abzudecken als wir. Das geht ja von Schmidmühlen bis nach Auerbach.“ Zwar sei die Wahrscheinlichkeit groß, dass eben jene Wohnung des Ehepaares aus dem Landkreis exakt den Bedürfnissen von in Amberg suchenden Ukrainern entsprechen würde, aber: „Wir als Stadt können da nicht hin vermitteln.“ Es gebe dennoch eine enge Absprache mit den Kollegen: „Wenn der Landkreis eine Wohnung nicht belegen kann, ist es schon so, dass man an uns denkt. Der Landkreis hat aber selbst Bedarf.“ Was das Landratsamt bestätigt. In der Auerbacher Notunterkunft seien noch 54 Ukrainer untergebracht, in Sulzbach-Rosenberg 61. Hinzu kämen 524 private Unterbringungen.
Das Problem mit den Daten
Der Abgleich von Daten und eine daraus resultierende schnelle Reaktion scheint jedoch nicht nur bei den Wohnungen ein Problem zu sein, wie ein Beispiel aus Hirschau zeigt. Dort kümmern sich Michael Geiss und Hildegard Gebhardt im Josefshaus ehrenamtlich um 33 geflüchtete Menschen aus der Ukraine. Mit der Zusammenarbeit mit der Stadt Hirschau sind sie sehr zufrieden. Eine Mitarbeiterin habe die nötigen Formulare ins Josefshaus gebracht. Zwei Tage später seien die Meldebescheinigungen da gewesen. Probleme bereiten eher die Mühlen der übergeordneten Bürokratie. Die Ukrainer müssten trotz aller Hirschauer Anstrengungen zur Ausländerbehörde ins Landratsamt nach Amberg fahren, sagt Geiss: „Weil sie noch ihre Fingerabdrücke abgeben mussten. Das Pad, das man dazu braucht, gibt es scheinbar im ganzen Landkreis nur ein einziges Mal.“
Den für die Fahrt erforderlichen Minibus stellte die Stadt Hirschau, die Dolmetscher werden von den Ehrenamtlichen organisiert. Ab Juni ist laut Michael Geiss nun aber das Jobcenter zuständig: „Das heißt, wir durchlaufen gerade die ganze Prozedur noch einmal.“ Für Gebhardt ist nicht nachvollziehbar, warum das Jobcenter nicht auf die Daten des Landratsamts zugreift, „obwohl dort alle Informationen liegen“.
Dass jede geflüchtete Person mit Übersetzer im Jobcenter hätte auftauchen sollen, macht Geiss fassungslos. „Es geht nicht, dass wir da Ehrenamtliche einspannen. Die wären monatelang gebunden.“ Das Jobcenter müsse selbst Übersetzer engagieren. Gebhardt erzählt, dass sie mehrfach bei der Arbeitsagentur angerufen habe, um zu klären, welche Formulare nötig sind: „Wir haben mit den 33 Leuten stundenlang übersetzt und ausgefüllt. Als ich im Jobcenter war, hieß es, dass das die falschen Anträge sind.“ Für Geiss sind es diese Stolpersteine, mit denen der Staat dem Ehrenamt einen Bärendienst erweise. „Ich kenne viele Leute, die gesagt haben, dass sie dieses Mal noch helfen, sich in Zukunft aber zurückhalten werden, weil sie das Gefühl haben, im Regen stehen gelassen zu werden.“
Freiwillige gesucht
Für Michael Sandner gilt das nicht. Der Amberger ist Vorsitzender des gemeinnützigen Zamhalt’n-Vereins, der sich um Geflüchtete kümmert. Er sieht aktuell nicht nur bei Wohnungen Bedarf. So hat die Initiative mittlerweile in den Räumen des Kolping-Bildungswerks am Kochkeller einen Spieletreff eingerichtet, in dem Kinder betreut werden, während die Mütter einen Deutsch-Kurs belegen. „Das ist aufgebaut wie eine Nachbarschaftshilfe.“ Konkret geht es werktags um die Zeit von 13.30 bis 17 Uhr. Mindestens einmal pro Monat organisiert der Verein zudem Transporte von gespendeten Möbeln und Umzüge von Ukrainern, die beispielsweise die Notunterkunft verlassen, weil sie eine Wohnung gefunden haben. Hier würde sich Sandner ebenfalls über Verstärkung freuen. Wer Interesse hat, kann sich bei ihm unter hilfe[at]zamhaltn[dot]com oder telefonisch (0179/672 62 24) melden. Auch für das Begegnungsfest am Pfingstsonntag, 5. Juni, (siehe dazu „Hintergrund“) sucht er noch Helfer.
Ukrainisch-bayerisches Begegnungsfest
- Wann? Pfingstsonntag, 5. Juni, ab 11 Uhr.
- Wo? Im Jugendzentrum (Bruno-Hofer-Straße) und auf dem Gelände rund ums Wasserrad (Landesgartenschaugelände).
- Wer? Verein Zamhalt’n.
- Warum? Der Verein will Menschen aus der Ukraine in Amberg willkommen heißen und ihnen eine einfache Möglichkeit bieten, Kontakte zu knüpfen.
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