"Recht schön gewachsen ist er nicht (...) aber 1895 als Pflänzchen konnte er ja noch nicht ahnen, welches würdevoll-dekoratives Ende ihm einst bevorstehen würde", schrieb die Amberger Zeitung im Jahr 1975 über diesen Baum. Der stammte zwar aus Köfering, sollte aber den Amberger Marktplatz während der Advents- und Weihnachtszeit schmücken und die Menschen erfreuen. Die redeten aber viel lieber von einem hässlichen Kragl.
25 Jahre später, im Jahr 2000, wiederholt sich diese Geschichte auf nahezu wundersame Weise, und Amberg schließt in diesem Jahr zur Bundeshauptstadt Berlin auf - was die Scheußlichkeit des offiziellen Christbaums auf dem Marktplatz angeht. Hier (Amberg) wie dort (Berlin) kocht die Volksseele, als der wahrlich nicht schön anzusehende "Baam" aufgestellt ist. Bevor nun die Mitarbeiter des städtischen Bauhofs die schlimmsten Wuchssünden dieses schrägen Gewächses per Schmuck kaschieren können, greift Radio Ramasuri das Thema auf.
Der Sender setzt ganz gezielt Tannennadelstiche, was die Schönheit des Wuchses angeht. Die Menschen schäumen und schließlich muss der Kragl wieder weg. Unter großer medialer Begleitung wird er abtransportiert, der "Neue" aus einem Garten am Eisberg kommt an seine Stelle. Was sich aber gar nicht so einfach gestaltet. Denn die Weihnachtsbeleuchtung hängt zu diesem Zeitpunkt bereits in der Bahnhofstraße, für den Baumtransport müssen die Elemente eigens ausgehängt werden. Es gelingt schließlich und unter großem Hallo hält die stattliche Blaufichte Einzug auf dem Amberger Marktplatz.
So ähnlich geht es übrigens auch einige hundert Kilometer entfernt in Berlin vonstatten. Amberg bekommt durch den berühmten Kragl beinahe etwas Großstädtisches. Bleibt die abschließende Frage nach dem Warum. Oder vielmehr: Wer hat den hässlichsten Baum seit 25 Jahren ausgesucht? Die Antwort: Es war der Oberbürgermeister höchstselbst, wie sich ziemlich schnell herausstellt.
Demnach war der spätere Ersatzbaum ursprünglich der Favorit, der den Marktplatz schmücken sollte. Den Eigentümern war das auch schon fest versprochen worden. Offenbar griff an dieser Stelle aber Wolfgang Dandorfer ein, der einer Familie in Raigering einen Gefallen tun wollte, die ihren Baum unbedingt aus dem Garten entfernt haben wollte. Wobei dieser aber in den Jahren zuvor bereits mehrfach als Christbaum-Kandidat durchgefallen war, wie die Recherchen der Amberger Zeitung später ergeben. Der OB selbst soll aber entschieden haben, dass nun der Raigeringer Baum zu fällen und aufzustellen sei. Zu mehr als Brennholz und jede Menge Spott hat es dieser Kragl aber letztendlich nicht gebracht.
Dem Oberbürgermeister jedenfalls ist es eine Lehre. Seither sucht Jahr für Jahr eine spezielle Christbaumkommission den Baum aus, der an Weihnachten den Marktplatz und inzwischen auch den Malteserplatz schmücken soll. Gröbere Ausrutscher sind seither ausgeblieben.
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