Amberg
09.10.2023 - 10:45 Uhr

Künstliche Intelligenz in der Wahlkabine: Besucher eines Vortrags bei Amberger Firma Baumann erstaunt

Sein Gesicht in eine Kamera halten und die Künstliche Intelligenz sagt einem, welche Partei man wählt. Was nach einem Scherz klingt, war bei der Firma Baumann Automation in Amberg bei "Smile to vote" mit Prof. Peterhänsel real zu erleben.

Wer noch nicht wusste, welche Partei er im Oktober wählen sollte, konnte das bei der Firma Baumann in Amberg erfahren. Das Thema dort lautete "Wie weit wird künstliche Intelligenz unser Leben noch verändern?" Die KI-Wahlkabine des fiktiven Startups „Smile to Vote“ von Prof. Alexander Peterhänsel erzeugte Heiterkeit und Erstaunen zugleich. Wer bis zum Diskussionsabend nicht wusste, welche Partei er im Oktober wählen soll, ging in die Wahlkabine und erfuhr es sofort. Man musste nur in die Kamera lächeln und schon zeigte die Maschine, welche Partei man wählen wird. Mithilfe eines Gesichtsscans vergleicht nämlich die Künstliche Intelligenz (KI) der Wahlkabine das Gesicht des Wählers mit einem Datenpool aus Politikerfotos und zeigt ihm, welche parteipolitische Präferenz er „vermeintlich“ hat.

Ein Gast im Vortragsraum der Firma Baumann rief aus „Mein CSU-Balken ist zu kurz“. Erstaunen war das eine, vollkommenes Unverständnis und Ärger über das Ertapptwerden beim Wahlprozess eine andere Reaktion. Prof. Peterhänsel berichtete, dass bei Vorträgen hin und wieder Personen bis zum Vandalismus gehen, um ihre Empörung gegen das Projekt „Smile to vote“ bzw. gegen die Kabine auszudrücken.

Debatte über Datenschutz

In Amberg, im Vortragsraum der Firma Baumann, dem Amberger Spezialisten für Automatisierung, war das nicht so. Nachdem alle den KI-Wahlomaten getestet und mit dem Medienkünstler Peterhänsel gesprochen hatten, ging man über in eine anregende Diskussion über die Objektivität von Algorithmen, die Preisgabe unserer Daten an komplexe Maschinen und über die Auswirkungen der künstlichen Intelligenz auf unsere Privatsphäre und Demokratie. Die Idee hinter dem Projekt „Smile to vote“ ist, auf die potenziellen Auswirkungen solcher Technologien hinzuweisen und die Debatte über Datenschutz und Privatsphäre anzuregen.

Chat GPT sei, so Peterhänsel, vollkommen überbewertet. Diese KI-Anwendung sei ein Textprozessor, der im Grunde genommen lediglich Textbausteine aus dem Internet mit ausgefeilten Algorithmen neu zusammenwürfle. An dem Abend wurde auch darauf hingewiesen, dass in der KI-Technologie enormes Potential für die Wirtschaft liege – vor allem hinsichtlich der Effizienzsteigerung von Prozessen. Dr. Georg Baumann führte aus, inwiefern seine Firma sich aktuell schon intensiv darum bemüht, das Potenzial der neuen Technologie für sich nutzbar zu machen. So arbeite etwa das Warenwirtschaftssystem der Firma schon mit KI, was in einigen Teilbereichen schon zu deutlich besseren Ergebnissen geführt habe.

In seinem Vortrag bezog sich Peterhänsel auf Forschungsergebnisse des amerikanischen Professors Michal Kosinski, der 2017 behauptete, seine Software könne mit hoher Präzision aus Gesichtern von Menschen herauslesen, ob eine Person homo- oder heterosexuell ist. Das sei für Prof. Peterhänsel Anlass gewesen zu überlegen, ob das auch bei politischen Vorlieben möglich sei. Natürlich sei, so Peterhänsel, die Wahlkabine ein künstlerisches Projekt und technisch (noch) nicht genau genug. So wie Kosinskis Forschung kritisiert wurde, darf man auch die Kabine kritisieren. Aber wer wisse schon, wie die Situation in einigen Jahrzehnten aussehen werde.

Gesichtserkennung in China

Peterhänsel wies auch auf das große Wissensgefälle zwischen IT-Wirtschaft und Politik hin. Viele wüssten nicht, wie bedeutend Metadaten für die Vermessung und Vorhersagbarkeit von menschlichem Verhalten und damit auf die Privatsphäre hin sind. Erschreckend sei schon jetzt, wie weit Gesichtserkennungstechnologien nicht nur in China, sondern auch bereits bei uns in die Gesellschaft eingedrungen sind. Schon seit 2017 hat Alibaba in seinen Restaurants das Bezahlen über Gesichtserkennung eingeführt. Überall auf der Welt melden sich Leute heute beim Smartphone mit Face-ID an. Die provokante Frage lautet, wie viel persönliche Freiheit wir als Gesellschaft gewillt sind zu opfern für unsere Bequemlichkeit.

 
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