Ob die rechte Hand von Richard Reisinger am Samstag angeschwollen war? Am Vorabend wurden die Finger daran binnen zweier Stunden mehr als 400 Mal gedrückt, geknetet und gequetscht. Gäste aus allen gesellschaftlichen Bereichen des Landkreises waren in den König-Ruprecht-Saal geladen, um zusammen mit dem Landrat auf 2018 zurückzublicken, die Herausforderungen der kommenden Monate zu diskutieren und natürlich beim "Small Talk" Kontakte zu pflegen. Jedem einzelnen wünschten Reisinger und seine Stellvertreter Hans Kummert, Brigitte Bachmann und Martin Weiß persönlich alles Gute für das neue Jahr.
Abhängig vom Export
Gegen 17.30 Uhr begann das Defilee, bis 19.15 Uhr zog es sich hin. Reisinger spannte in seiner gut halbstündigen Rede den Bogen wie in den vergangenen Jahren von der guten wirtschaftlichen Ausgangslage der Region hin zu den Aufgaben, die auf den Landkreis zukommen. Seine Vorausschau klang dabei nicht mehr ganz so optimistisch wie sonst. Noch profitiere der Raum Amberg-Sulzbach von steigenden Steuer- und Umlagezahlen, zunehmenden sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen und könne mit einer Arbeitslosenquote von 2,1 Prozent quasi Vollbeschäftigung vorweisen. Doch zeichneten sich immer mehr Risiken ab. "Brexit, Tendenzen zum wirtschaftlichen Protektionismus, Fachkräftemangel und die ungünstige Demografie sind die Gefahren des unbeschwerten Weiter so", sagte der Landrat. "Betrachtet man dann auch noch die Orientierungslosigkeit von Politik und Autoindustrie hinsichtlich der Frage, mit welchem Antrieb künftig gefahren werden soll bzw. noch darf, dann müssen auch wir in Amberg-Sulzbach beginnen, uns Sorgen zu machen. Denn ein Großteil unserer regionalen Wirtschaft ist bekanntermaßen abhängig von Autoherstellung und -verarbeitung."
Reisinger vermisste zupackendes Handeln, in erster Linie auf den übergeordneten politischen Ebenen: "Und während anderswo die Zukunft gestaltet wird, diskutieren wir in Deutschland über zusätzliche Toiletten für diverse Geschlechter, novellieren ausgefeilte Brandschutzauflagen, sind dem Charme der Europäischen Datenschutzgrundverordnung erlegen, prüfen juristisch, ob Knabenchöre diskriminierend sind, debattieren über die political correctness von schwarzen Sternsingern und haben Angst vor dem Wolf." An dieser Stelle gab es den ersten Zwischenapplaus in seiner Rede.
Zukunftsfaktor Bildung
Als Bausteine für eine gute Zukunft nannte Reisinger die Chancen, die die Digitalisierung bietet. Hier lobte er die Anstrengungen der Kommunen, die dem Breitbandausbau höchste Priorität einräumen. "Im Hochbau investieren wir erheblich in Bildung, meines Erachtens der entscheidende Zukunftsfaktor", sagte er. Er verwies darauf, dass das neue Sonderpädagogische Förderzentrum im Frühjahr eingeweiht werden könne, die Sanierung der Walter-Höllerer-Realschule im Gange sei und der Ausbau des Herzog-Christian-August-Gymnasiums bevorstehe.
Reisinger versäumte es vor Beginn des Kommunalwahlkampfes nicht, das freundliche Klima im Kreistag zu erwähnen. Es herrsche dort ein "wahrhaft konstruktives Miteinander". "Wir sind nicht immer einer Meinung, aber die einmal demokratisch gefassten Entscheidungen tragen wir fast alle mit. Das ist eine kommunalpolitische Gnade und das Geheimnis für den Vorwärtstakt in unserer Landkreisentwicklung."
Rund 30 Minuten dauerte die Rede von Landrat Richard Reisinger beim Neujahrsempfang des Landkreises. Einige Auszüge daraus:
„Einmal im Jahr gibt’s redenmäßig gnadenlos ganz viel Landrat, all das, was ich während des Jahres so unterdrücke, verschweige und unterschlage.“
Reisinger zur Begrüßung.
„Was unser Mobilfunknetz angeht, ist wahrscheinlich schon der Ausdruck Netz schmeichelhaft. Das ist eine käseähnliche Ansammlung an Löchern.“
Über die Defizite bei der Digitalisierung in Deutschland allgemein und speziell in der Region.
„Ich bin wahrscheinlich auch schon ein Stück weit der Illusion erlegen, dadurch meine Arbeitsquantität und meine Lebensqualität steigern zu können, muss aber im Vergleich zu meiner Mutter eingestehen, dass sie und viele ihrer analogen Generation ohne Internet und Co weitaus unbeschwerter und glücklicher zu sein scheinen und lediglich mit Helene-Fischer-Show, André Rieu und Traumschiff konfrontiert sind.“
Über den Nutzen der Digitalisierung und das Leben in der analogen Welt.
„Würde mich nicht wundern, wenn an dem alten Physiksaal (in dem auch ich schon unterrichtet wurde) das Deutsche Museum grundlegendes Interesse zeigen sollte.“
Zu Umbau und Erweiterung des Herzog-Christian-August-Gymnasiums in Sulzbach-Rosenberg.
„Bald schon kann, wird die Gemeinde den erdölexportierenden Ländern (OPEC) beitreten können.“
Über das Fraunhofer-Projekt zur alternativen Kraftstoffgewinnung in Hohenburg.
„Der Kreis Waldshut hat zur Förderung der Geselligkeit eine die Nacht der Recyclinghöfe ausgerufen mit gemütlichem Beisammensein bei Wurst, Getränken und Musik. Sie sehen, die Weiterentwicklung unserer Wertstoffhöfe hat noch nicht seine Endausbaustufe erreicht. Vielleicht führt ja irgendwann unser Landkreislauf von Wertstoffhof zu Wertstoffhof.“

































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