Jeder siebte Jugendliche habe psychische Probleme. Immer noch nicht würden sie ausreichend unterstützt. Bayern sei sogar Schlusslicht bei der Versorgung psychisch auffälliger Kinder und Jugendlichen. Mit diesen Fakten will Dr. Christian Rexroth, Chefarzt der Kinder- und Jugend-Psychiatrie in Amberg, nicht anklagen, aber einen Weckruf starten, wie er selbst sagt. Seine Einrichtung feierte jetzt gemeinsam mit der Erwachsenen-Psychiatrie ein Jubiläum.
Seit zehn Jahren gibt es in Amberg die Kinder- und Jugend-Psychiatrie, seit fünf Jahren die Erwachsenen-Psychiatrie, beide direkt neben dem Klinikum St. Marien. Träger psychischer Einrichtungen sind die Bezirke, in der Oberpfalz ist es die Medbo. Dieser Begriff steht für „Medizinische Einrichtungen des Bezirks Oberpfalz“. In Amberg gibt es zwei davon, eine für Kinder und Jugendliche, eine für Erwachsene. „Die psychiatrische Versorgung der Bürger ist eine der wichtigsten Aufgaben des Bezirks“, betonte Dr. Helmut Hausner, Vorstand der Medbo, bei der Jubiläumsfeier im ACC.
In das Klinikum integriert
Der Vorstand hob anerkennend das Besondere der beiden Einrichtungen am Standort in Amberg heraus. „Unsere klinischen Einrichtungen sind direkt in das Klinikum St. Marien integriert. Damit verliert unter dem Dach dieser allgemeinen Gesundheitseinrichtung die psychiatrische Erkrankung etwas an dem Stigma, unter dem sie immer noch leidet.“ Als weiteren Vorteil des Amberger Standorts nannte Hausner die Einbindung in die sozialen Netzwerke der Gesundheitsregion Amberg, wie beispielsweise AOK, Ärzteschaft, Jugendämter oder Beratungsstellen. „Alleine wären wir nicht in der Lage, alle unsere Aufgaben hier zu erfüllen“, sagte Hausner.
Aber auch die Stadt Amberg sei sehr froh, dass es diese Einrichtungen direkt am Amberger Klinikum gebe, betonte Bürgermeister Martin Preuß in seinem Grußwort. Die Besonderheit, dass sowohl Kinder und Jugendliche als auch Erwachsene unter einem Dach behandelt werden, schätzt auch Dr. Julia Prasser, die Chefärztin der Erwachsenen-Psychiatrie. „Unsere Klinik-Burg kennt keine Mauern. Sie erinnert mich manchmal an ein Mehrgenerationen-Haus.“ In der psychiatrischen Tagesklinik werden Patienten teilstationär versorgt. Das heißt, die Patientinnen und Patienten kommen werktags morgens in die Klinik, durchlaufen ihr persönliches Therapieprogramm und verlassen die Klinik am Abend wieder.
Sechs Standorte in der Oberpfalz
1500 Kinder und Jugendliche sowie 3000 Erwachsene begeben sich durchschnittlich pro Jahr in den beiden Amberger Einrichtungen in Behandlung. Diese Zahlen nannte Bezirkstagspräsident Franz Löffler: „Sie beweisen, dass die Investitionen richtig waren. Der Weg hat sich in der Tat gelohnt.“ Sieben Millionen Euro habe man damals investiert, heute müsste man weit mehr Geld für den Bau dieser Einrichtung hinlegen. Sechs Standorte gibt es jetzt schon in der Oberpfalz für die psychiatrische Betreuung der Bürger. Neben Regensburg und Cham sind dies noch die Standorte in Amberg, Parsberg, Weiden und Wöllershof.
Carina Jetschmann von der Tagespsychiatrie für Erwachsene hatte für die Gäste der Jubiläumsfeier einen „Aktionstisch für Achtsamkeit“ aufgebaut: „Hier findet man die sogenannten Skills, die in der Psychotherapie eingesetzt werden, dass man sich beruhigen kann.“ So fabriziert zum Beispiel eine Schlitztrommel Töne, die beruhigend wirken können. Igelbälle können mit ihren Stacheln zur Anspannungsregulation beitragen, Chili-Bonbons alle fünf Sinne anregen oder Wutfrösche als Mittel zum Abreagieren dienen. „Viele Menschen setzen Skills im Alltag automatisch ein, ohne es zu wissen. Die Basis aller Skills ist die Achtsamkeit.“
Teilstationäre Behandlung und Einsatz von Skills zeigen einen wohltuenden Unterschied zur klassischen Psychiatrie, die nur Psychopharmaka und Elektroschocks kennt.
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