Amberg
23.02.2024 - 14:11 Uhr

Lesung mit Reinhold Beckmann über seine tragische Familiengeschichte geht "unter die Haut"

Sie sind dieser Tage in aller Munde: Reinhold Beckmann und das Buch „Aenne und ihre Brüder“, in dem er seine Familiengeschichte aufgeschrieben hat. Jetzt war er damit auch in Amberg zu Gast und sorgte für einen interessanten Leseabend.

Mit seinem Buch "Aenne und ihre Brüder" war Reinhold Beckmann auf Einladung der Buchhandlung Rupprecht in Amberg zu Gast. Am Ende der Lesung war Reinhold Beckmann gerne bereit, die Bücher seiner Zuhörer zu signieren, sich gemeinsam fotografieren zu lassen und auch das eine oder andere persönliche Wort zu wechseln. Bild: Susanne Schwab
Mit seinem Buch "Aenne und ihre Brüder" war Reinhold Beckmann auf Einladung der Buchhandlung Rupprecht in Amberg zu Gast. Am Ende der Lesung war Reinhold Beckmann gerne bereit, die Bücher seiner Zuhörer zu signieren, sich gemeinsam fotografieren zu lassen und auch das eine oder andere persönliche Wort zu wechseln.

Als er sich den Weg durch das Dunkel bahnt, wird es urplötzlich still im Raum. 200 Besucher haben sich hier, im 1. Stock der Amberger Buchhandlung Rupprecht, versammelt, neugierig darauf, wie er wohl so ist, der Reinhold Beckmann. Ganz besonders aber auch auf die Geschichte, die er zu erzählen hat. Denn anders als bisher, da man ihn vor allem als Sportjournalisten und TV-Moderator kennt, hat Beckmann nun als Schriftsteller seinen Auftritt. Er ist gekommen, um im Rahmen einer Lesereise aus seinem Buch „Aenne und ihre Brüder“ zu rezitieren, das er in Erinnerung an seine 2019 im Alter von 98 Jahren verstorbene Mutter und deren tragische Lebensgeschichte geschrieben hat.

Kaum hat er das Podium betreten, das in der Buchhandlung Rupprecht vorbereitet war, ist Beckmann auch schon mittendrin in diesem Thema, dessen Aktualität die Anwesenden so manches Mal erschreckt. Denn in dieser Familiengeschichte spielt neben seiner Mutter Aenne und ihren vier Brüdern zwangsläufig der Zweite Weltkrieg eine entscheidende Rolle. Drei der jungen Männer kommen aus Russland nicht mehr zurück – und auch der Jüngste, Willi, wird noch im Alter von 17 Jahren zu den Waffen gerufen und muss in den Kämpfen um Kassel nur wenige Tage vor Kriegsende sein Leben lassen.

Vier junge Männer

Diese vier jungen Männer noch einmal zum Leben zu erwecken und seiner Mutter, die deren Andenken bis ins hohe Alter aufrecht erhalten hat, ein Denkmal zu setzen, ist die Absicht von Reinhold Beckmann mit diesem seinem Erstlingswerk. Ob weitere Bücher folgen werden? Der Autor wirft die Frage zwar auf, lässt die Antwort aber offen. Doch das steht für die Zuhörer an diesem Abend ja auch nicht im Fokus. Ihr Interesse gilt in erster Linie der „Geschichte seiner Mutter“ und dem, was sie erlebt und ihrem Sohn erzählt hat.

Denn das ist wohl der große Unterschied von Aenne Beckmann zu vielen anderen Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs. Während die meisten – darunter auch Reinhold Beckmanns Vater – kaum ein Wort über ihre Erlebnisse in diesen schrecklichen Jahren verlieren, hat sie viel mit ihrem Sohn über alles gesprochen. So erfuhr er, dass der älteste ihrer Brüder, Franz, „kein Freund der Wehrmacht“ und immer gegen diesen Krieg war, der „ihm seine besten Jahre gestohlen hat“, und noch im Herbst 1944 in seinem Heimatort Wellingholzhausen seine Liebste Änne heiratet, sie dann aber nicht mehr wiedersieht.

Briefe im Schuhkarton

Anders der Nächstgeborene Hans. Er verpflichtet sich auf zwölf Jahre, baut sich im fernen Leipzig eine eigene Existenz mit (evangelischer) Frau und Kind auf und verliert am 15. September 1942 sein Leben. Auch Alfons, der Dritte, kommt in diesem Jahr um. Er gilt jedoch 61 Jahre lang als „vermisst“ , wird erst 2003 zusammen mit seinen Kameraden gefunden und beigesetzt. Im Jahr 2022 und damit nach dem Tod der Mutter überreicht man Reinhold Beckmann dessen Erkennungsmarke, gemeinsam mit den Transkriptionen der in Sütterlin verfassten Feldpostbriefe seiner Onkel. Diese bilden schließlich das Herzstück des gesamten Buches, wurden von Aenne Beckmann sorgsam in einem Schuhkarton gesammelt und verwahrt. Kurz vor ihrem Tod hat sie sie an ihren Sohn weitergegeben und damit den Grundstein für dieses Werk gelegt. „Wenn man die Briefe meiner Onkel liest, dann spürt man zwischen den Zeilen ihre tiefe Einsamkeit, ihre Sehnsucht, wieder nach Hause zu kommen, und auch ihre Verzweiflung“, so Beckmann in seinem Prolog.

Insgesamt freilich erfahren die Leserinnen und Leser sowie an diesem Abend die Anwesenden der Buchhandlung Rupprecht noch sehr viel mehr über Beckmanns Mutter Aenne, die politischen Geschehnisse in dieser Zeit, aber auch über ihn selbst und das, was ihn bewegt. Dabei gelingt es Reinhold Beckmann in seinem Vortrag, smart wie immer und in geschliffener Rede Gelesenes und Erzähltes bestens zu verbinden und den Anwesenden ein Bild zu zeichnen, in dem sich Trauriges und Tragisches aber auch mit schönen und heiteren Elementen abwechselt.

Zum Schluss ein Lied

Und als Reinhold Beckmann dann zum Abschluss auch noch das Lied „Vier Brüder“ anstimmt, das er bei der Feier zum Volkstrauertag 2021 im Bundestag gespielt hat, sind sich alle einig: Sie durften einen ebenso ergreifenden wie unterhaltsamen Abend erleben, der – wie Buchhändlerin Maria Rupprecht zu Recht feststellte – „unter die Haut ging“ und seine Zuhörer zutiefst berührte. Diese dankten es mit lang anhaltendem Applaus und warteten bei der anschließenden Signierstunde im Erdgeschoss dicht gedrängt und geduldig auf ihren Moment, dem Protagonisten des Abends auch persönlich ein Stückchen näher zu kommen.

 
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