Amberg
17.04.2019 - 08:00 Uhr

Mega-Trend Heimkehren

"München ist für den Oberpfälzer eigentlich das ausländischste Ausland", sagt Heimkehrer Matthias Schöberl. Betrachtungen eines Ex-Exilanten.

Schlüpfte schon in viele Rollen: Matthias Schöberl als Fastenprediger Barnabas. 2018 trug er - passend zum Reformationsjubiläum - ein Lutherbarett. Bild: Wolfgang Steinbacher
Schlüpfte schon in viele Rollen: Matthias Schöberl als Fastenprediger Barnabas. 2018 trug er - passend zum Reformationsjubiläum - ein Lutherbarett.

Alles klar. Ohne Heimat ging in den letzten zehn Jahren nix. „Heimat“ hier und „Heimat“ da, Heimat ist in aller Munde. Heimat ist der Ort, wo man „hin-“ beziehungsweise „dazugehört“. Oder sogar „dazu- und hingehört“, wie die Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber im vergangenen Sommer in dieser Zeitung feststellte. Heimat befindet sich entweder dort, „wo Dein Herz ist“ oder „da, wo man sich nicht erklären muss“. Heimat ist … – wie beim „Liebe ist …“-Pärchen kann der Satz beliebig zu Ende geführt werden. Das Heimatbekenntnis ist inflationär.

Stamm der Heimkehrer

Doch nun wird der Mega-Trend „Heimat“ vom Mega-Trend „Heimkehren“ abgelöst. In der gesamten Oberpfalz wimmelt es von Heimkehrern. Zu Altbayern, Schwaben, Franken und Sudetendeutschen gesellt sich ein neuer Stamm: der Stamm der Heimkehrer. „Wir wohnen jetzt wieder daheim“, sagen Tausende junge Mittdreißiger und –vierziger. Stolz bekennen sie sich zu ihrem Oberpfälzer-Sein. Welch ein Bewusstseinswandel.

Früher bemitleideten sich die jungen Leute oft selbst für ihr Herkommen. Im Rest der Republik wurde man nicht dafür bemitleidet, Oberpfälzer zu sein. Denn die wenigsten wussten überhaupt, was das sein sollte: die Oberpfalz. „Hat das was mit Wein zu tun…?“ Nur die jungen Oberpfälzer selbst waren nicht selten mit sich im Unreinen. Die Oberpfalz verband man weniger mit dem Heimkehren, sondern eher mit dem Weggehen.

Früher waren es meist berufliche Zwänge, die das Weggehen veranlassten. Man ging weg, um zu studieren, um es „zu etwas zu bringen“. Wohin man ging, war für die Daheimgebliebenen zweitrangig. Wo auch immer außerhalb der oberpfälzischen Lande man sein Dasein fristete, fast immer wurde man beim Heimaturlaub gefragt: „Und? Wie geht’s in München?“ Denn München ist für den Oberpfälzer eigentlich das ausländischste Ausland.

München steht für die Stadt per se. Und München hat den Vorteil, dass man neidisch sein darf, aber gleichzeitig auf München und die Münchner herabblicken oder sie bemitleiden kann. Zum Beispiel wegen des mangelhaften Leberkas'. Dabei ist München die größte oberpfälzische Stadt. Oder zumindest die Stadt, in der die meisten Oberpfälzer leben. Doch selbst aus der Bayern-Metropole kehren die Exilanten nun zurück.

Und das ist verständlich, denn alle Defizite der oberpfälzischen Heimat sind mittlerweile Standortvorteile geworden. Selbst, dass die meisten Bundesbürger immer noch nicht wissen, was und wo die Oberpfalz ist, wird positiv gesehen. Dann muss man die Vorzüge der Heimat wenigstens nicht teilen. Ist doch auch widersinnig, Bier zu exportieren, wenn man es selbst trinken kann. Ein „Hidden Champion“ – also ein am Weltmarkt erfolgreiches Unternehmen aus der Region – kann vom Charme des Diskreten ja nur profitieren. Wie soll man die Landschaft genießen, wenn ständig Touristen nach dem Weg fragen?

Vermünchnerung?

Früher konnte man mit der Oberpfalz nicht wirklich angeben. Deswegen sprach man tendenziell weniger über seine Heimat. Heute schweigt man sich aus anderen Gründen aus. Man könnte angeben, muss es aber nicht mehr. Ein Anzeichen für eine schleichende Vermünchnerung der Heimat? Ist die Oberpfalz jetzt auch schon „dahoam“?

Auf jeden Fall ist die Oberpfalz von einer Heimat, die in der Kindheit Geborgenheit gab, zu einer Heimat geworden, die auch in späteren Lebensabschnitten Geborgenheit und Perspektive bietet. Eine Heimat, die nicht auftrumpfen muss. Vielleicht ist das stille Genießen nur ein Zeichen für den inneren Frieden, den die Oberpfälzer zunehmend finden.

Wenn Sie zu den Ex-Weggroasten und Zurückgekehrten gehören, dann machen Sie doch mal den Selbsttest: Haben Sie unlängst einen alten Schulfreund, der seit Langem in Frankfurt am Main residiert, gefragt, ob er denn bei sich in München eigentlich einen gscheiden Schweinsbraten bekäme? Na, dann ist ja alles klar.

Der Amberger Matthias Schöberl lebte einige Jahre in München und Mainz, dann zog es ihn wieder zurück "in die Heimat. Bild: Petra Hartl
Der Amberger Matthias Schöberl lebte einige Jahre in München und Mainz, dann zog es ihn wieder zurück "in die Heimat.
Zur Person:

Amberg - München - Mainz - Amberg

Dr. Matthias Schöberl ist in Schwandorf auf die Welt gekommen und in Amberg aufgewachsen. Er engagierte sich in der Jugendarbeit und war von 2002 bis 2008 Stadtrat. Anno 2006 verließ der promovierte Historiker seine Heimat, um zunächst in München und dann in Mainz als Journalist zu arbeiten. Beim ZDF war er Schlussredakteur und Projektmanager. Seit 2016 lebt er mit seiner Familie wieder in Amberg. Schöberl arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter der OTH Amberg-Weiden sowie als Autor für TV-Dokumentationen.

 
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