Amberg
23.02.2022 - 14:28 Uhr

"Netboy" im Stadttheater: Cybermobbing auf der Bühne

"Netboy" war nur einen Mausklick von Marie entfernt. Mit der Annahme seiner Freundschaftsanfrage begibt sich der Teenager nichtsahnend in eine gefährliche Abhängigkeit. "Netboy" ist ein Lehrstück, wohin Cybermobbing führen kann.

Als "Netboy" gibt sich jemand aus, der Marie (Julia Borgmeier) übel mitspielen wird: Im gleichnamigen Stück, das das Theater Poetenpack Potsdam im Stadttheater aufführte, ging es um Cybermobbing. Bild: Wolfgang Steinbacher
Als "Netboy" gibt sich jemand aus, der Marie (Julia Borgmeier) übel mitspielen wird: Im gleichnamigen Stück, das das Theater Poetenpack Potsdam im Stadttheater aufführte, ging es um Cybermobbing.

Marie ist gefrustet: Zwar freut sie sich über ihre Wahl zur Klassensprecherin, aber ihr Papa zieht mit seiner neuen Freundin nach Berlin. Da kommt ihr die Freundschaftsanfrage von einem, der sich "Netboy" nennt, wie gerufen. Das von Petra Wüllenweber geschriebene Theaterstück "Netboy" hat das Theater Poetenpack Potsdam auf die Bühne im Amberger Stadttheater gebracht. Bei der Familienvorstellung am Sonntag zeigten die vier Schauspieler eindrucksvoll, welch fatale Folgen eine Chatbekanntschaft haben kann.

Im Mittelpunkt des Stücks über Cybermobbing steht Marie (Julia Borgmeier). Der Teenager ist genervt: von den Eltern sowieso, von der Chemielehrerin genauso, selbst von den besten Freunden Olaf (Markus Braun) und Sarah (Clara Schoeller). Da ploppt im Chatroom eine Freundschaftsanfrage auf. Marie akzeptiert sie und fühlt sich sogleich bei ihrer neuen virtuellen Bekanntschaft gut aufgehoben: Der charmante Unbekannte versteht Marie, hört ihr zu – und hat für jedes Problem eine Lösung parat.

"Netboy" bleibt nicht so nett

Marie merkt nicht, dass "Netboy" immer mehr Macht über sie bekommt, sie dirigiert, die Regie in ihrem Leben übernimmt – und sie schließlich soweit hat, dass sie ihrer Chemielehrerin "vor die Tür scheißt". Am Ende hat Marie ihren Posten als Klassensprecherin aufgegeben, ihrer Mutter (Andrea Seitz) 200 Euro geklaut, damit kein Bild ihrer Aktion im Internet auftaucht, und schlussendlich einen Shitstorm geerntet, weil besagtes Bild doch in den sozialen Medien auftauchte. Marie weiß keinen Ausweg mehr, will sich sogar das Leben nehmen.

Die Geschichte, die in knapp über einer Stunde auf der Bühne erzählt wird, ist wahrlich keine Utopie. Cybermobbing ist längst traurige Realität geworden. Das belegen auch die beiden Schauspielerinnen, die nach dem Stück das Gespräch mit ihrem Publikum suchen. Andrea Seitz und Julia Borgmeier sagen, dass 2020 hinsichtlich Cybermobbing ein trauriges Jahr war: Die Zahl der davon Betroffenen sei von 12,7 auf 17,8 Prozent gestiegen. Und eben auch deshalb, weil wegen Corona mehr Jugendliche in der virtuellen Welt unterwegs waren. Vor allem die Eltern sind es, die mit den beiden Darstellerinnen über das Stück und dessen Inhalt diskutieren.

Warnung: "Das Netz vergisst nichts"

Ein Vater gibt zu bedenken, dass User sich immer bewusst sein müssen: "Das Netz vergisst nichts." Ein älterer Schüler, der auch Anti-Mobbing-Coach ist, lobt die Darsteller für denen Auftritt: Klasse, was sie da gezeigt hätten. Mobbing beschränkt sich, so sagt der Schüler, nicht nur auf das Internet. Opfer davon würden auch eine Million Menschen am Arbeitsplatz. Suizid, wie ihn im Stück auch Marie als letzten Ausweg sieht, sei "eine klassische Folge davon". Gut findet er die Rolle von Olaf im Stück: Dieser zeigt, dass er ein guter Freund ist und hilft Marie "da rauszukommen". Sarah-Darstellerin Clara Schoeller wünscht sich, dass sich jeder verantwortlich fühle, "ein Anti-Mobbing-Coach" zu sein. "Stellen wir uns als Gemeinschaft, als Gruppe dagegen", lautet ihr Appell in Bezug auf Mobbing.

Eine Mutter lobt die Installation: "Das war wirklich mal ganz was anderes." Den Darstellern reichten drei Sitzwürfel auf der Bühne, alles andere wurde auf die Leinwand projiziert. Mit viel Liebe zum Detail: der Pizza-essende Papa von Marie per Skype, der fahrende Schulbus, die Küche mit dem erst dampfenden und dann überkochenden Topf auf dem Herd, die Schultoilette. Gezeichnet wurden die Szenen von einem Berliner, die Animation bezeichnen die Darstellerinnen als "poetisches Gegenstück" zum harten Inhalt des Stücks. Wobei Clara Schoeller zugibt, dass anfangs alle nur gestresst gewesen sein, "dass wir da hinterher kommen". Gelungen ist ihnen dies allemal, die Akteure auf der Bühne und die durchlaufende Animation war stets eine Punktlandung.

OnetzPlus
Weiden in der Oberpfalz04.03.2019
Hintergrund:
  • Das Theater Poetenpack Potsdam hat das Stück "Netboy" seit 2017 im Repertoire.
  • Geschrieben hat das Stück über Cybermobbing Petra Wüllenweber, uraufgeführt wurde es vor neun Jahren.
 
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