Das, sagen die beiden Weltreisenden aus Amberg, wollten sie eigentlich gar nicht. Obwohl es schon während ihrer großen Reise, die sie von 2009 bis 2015 in einem umgebauten, 32 Jahre alten Mercedes-Lkw durch alle Kontinente führte, immer wieder entsprechende Anfragen gab. Der Blog, den Sabine und Thomas unterwegs im Internet veröffentlichten, hatte viele Fans, die gern noch mehr lesen wollten. Die beiden waren längst wieder zurück in der Heimat, als sie Kontakt mit dem Verlag Piper/Malik in München bekamen. Der sah die Weltreise im Oldtimer als ein Thema, "das viele Leute interessiert", wie Thomas sagt: So sei das Buch entstanden. "Sechs Jahre Weltumrundung - Im Oldtimer-Lkw durch 54 Länder" heißt es (Piper/Malik-Verlag, 24 Euro)
Ein Buch war nie geplant
Zweieinhalb Jahre haben die beiden daran gearbeitet. Ihr Erstlingswerk. "Im Nachhinein sind wir doch sehr froh, dass wir dieses Buch gemacht haben", räumt Thomas ein. Damit hätten sie jetzt noch viele Begegnungen, Details und Hintergründe aufgreifen können. "Und auch, wie's uns beim Reisen gegangen ist: Das haben wir jetzt, auch für uns, nochmal reflektieren können." Thomas und Sabine waren in sechs Jahres-Etappen unterwegs, kamen zwischendurch immer wieder zurück nach Amberg - auch, um über jede Etappe in Dia-Vorträgen zu berichten. Ins Buch haben sie jetzt ihre ganze Reise gepackt. "Das war schon eine Herausforderung, auszusuchen, welche Geschichten passen wirklich in das Buch und welche will mann dann vielleicht doch lieber nicht erzählen", gesteht Sabine. 120 000 Kilometer, 54 bereiste Länder: "Unser erstes Manuskript hatte über 700 Seiten", erinnert sich Thomas lachend. Nicht ganz einfach, daraus knapp 350 Buchseiten zu machen. "Man könnte über jeden Tag auf so einer Reise ein halbes Buch schreiben, weil jeden Tag so viel passiert."
Geschichten von unterwegs
Ein Blick zurück: Die Reise durch Südamerika
Den Ansatz, den das Autoren-Paar wählte, beschreibt Sabine so: "Wir haben versucht, möglichst vielfältig über die Reise zu berichten. Das heißt, es sind auch Geschichten, wie wir etwas repariert haben, oder wie's über Grenzen geht, aber auch ganz viel über die Begegnungen, die wir unterwegs hatten, die für uns eigentlich das Entscheidende gewesen sind." Die Kunst sei es gewesen, möglichst viele Aspekte so einer Langzeitreise zu vermitteln, "ohne dass es für den Leser langatmig wird. Wir haben versucht, ein möglichst buntes Bild wiederzugeben, von dem, was wir erlebt haben".
Viele beeindruckende Bilder erinnern an die außergewöhnliche Tour. Nicht nur in ihren Diashows wollen Sabine und Thomas andere daran teilhaben lassen. Deshalb war auch von Anfang an klar, dass das Buch einen Bildteil enthalten muss. Am Ende sind es sogar zwei geworden: 39 Fotos vermitteln Eindrücke von Begegnungen - mit zuvor unbekannten Ländern, vor allem aber mit den Menschen, die Sabine und Thomas dort getroffen haben. Eine Landkarte zeichnet die Route durch alle Kontinente nach.
"Das Buch folgt unserer Route, also chronologisch, führt zuerst durch Asien, dann durch Nord- und Südamerika, am Schluss durch Afrika - und wieder zurück", sagt Sabine. Aber man müsse es nicht unbedingt chronologisch lesen. Welche Geschichten sie erzählen wollten, durften die beiden Autoren selbst bestimmen. Nur der Umfang - etwa 320 Seiten - war vorgegeben.
Ein Buch zu schreiben ist gar nicht so schwer
Wie schreibt man ein Buch? Sabine lacht. "Man setzt sich tatsächlich hin, überlegt, wie ist das Ganze losgegangen ist. Und dann haben wir eigentlich vor uns hingeschrieben." Die einzelnen Kapitel sind abwechselnd entstanden, "einmal erzähle ich aus meiner Perspektive, einmal Thomas". Der fand das Buch-Schreiben "eigentlich nicht so schwer". Bei einem Roman wäre das sicher anders gewesen, meint er. "Da hätte ich auch nicht gewusst, wie würde man da rangehen." Aber in diesem Fall sei es ja "die Geschichte, so wie sie passiert ist". Die Herausforderung sei also eher gewesen, aus den vielen Erlebnissen das Entscheidende auszuwählen. "Am Anfang ist uns das, glaube ich, nicht so gut gelungen - mit 700 Seiten Manuskript." Für Thomas ist wichtig: "Wir haben diese Reise ja nicht gemacht, um ein Buch zu schreiben, oder um danach darüber zu berichten, sondern wir sind losgefahren, weil wir Interesse hatten, die Welt besser kennen zu lernen, weil wir Lust hatten, zu reisen." Umso schöner sei es aber im Nachhinein, was jetzt daraus entstanden ist. "Geplant war das nicht. Jetzt dieses Buch in den Händen zu halten, ist schon ein schönes Gefühl. Und auch zu sehen, dass es viele Menschen interessiert. Das Buch ist bereits am Tag des Erscheinens in die zweite Auflage gegangen."
Sabine und Thomas kennen sich schon seit der Schulzeit am Gregor-Mendel-Gymnasium in Amberg. Kurz nach dem Abitur haben sie angefangen, die Welt zu erkunden. "Eher so kleine Rucksackreisen in Europa", sagt Thomas. "Irgendwann sind wir nach Indien gefahren, nach Neuseeland - dann ging's eigentlich los mit den großen Reisen." Doch schon damals wussten beide bei der Abfahrt noch nicht, auf was sie sich einlassen.
Auch der ganz große Trip war so nicht geplant. Mehr "eine Idee als ein Plan". Maximal drei Jahre wollten die beiden unterwegs sein. Dass es sechs Jahre werden sollten, wussten sie damals nicht. "Zum Glück", meint Sabine heute lachend - "sonst hätten wir's bestimmt nicht gemacht". Ihr Umfeld - Familie, Freunde - war skeptisch: "Es sind alle davon ausgegangen, dass wir innerhalb von spätesten zwei, drei Wochen wieder zurück sind. Weil jeder dachte: Mit diesem alten Fahrzeug, das zu dem Zeitpunkt schon über 30 Jahre alt war, werden die beiden eh nicht weit kommen. Das hatten wir eigentlich auch gedacht. Wir wussten nicht, wie weit wir kommen."
Auch, weil das Paar zuvor kein gutes Händchen bei der Fahrzeugwahl hatte, wie Sabine verrät: "In Neuseeland hatten wir uns ein Auto gekauft, das mehr oder weniger kaputt war" - und sich dann auch noch als gestohlen entpuppte. Auch Paula, ihren Weltreise-Lkw, kauften sich die beiden mehr nach Bauchgefühl. "Wir haben eine Probefahrt gemacht von einer Viertelstunde." Thomas fragt sich: "Wären wir gefahren, wenn wir gewusst hätten, was alles auf uns zukommen würde, an Pannen, an Herausforderungen?" Und antwortet auch gleich: "Wahrscheinlich nicht." Damals aber hätten sie sich einfach "in dieses Abenteuer hinein gestürzt".
Kurz vor dem Gespräch mit Oberpfalz-Medien über ihr Buch haben die beiden darüber gesprochen, wie vielleicht die nächste Reise aussehen könnte. Und? Sabine lacht. "Es gibt noch kein Ergebnis." Wahrscheinlich würden sie wieder spontan losfahren, meint Thomas - "und eine halbe Stunde vor Abreise beschließen, wo's denn hingehen könnte".
Der Oldtimer wäre noch einsatzbereit
Paula wäre einsatzbereit. Theoretisch. Denn tatsächlich gäbe es vieles, was eigentlich repariert werden müsste, um mit dem Oldtimer wieder für längere Zeit reisen zu können. Sabine nennt ein Beispiel: "Es regnet rein. Das tut es tatsächlich schon seit dem ersten Tag. Wir haben es bislang nicht geschafft, dieses Loch zu finden und zu flicken." Das müsste nun doch endlich mal geschehen, bevor sie wieder losziehen.
Thomas glaubt, dass es bei solchen Langzeitreisen zwei Herangehensweisen gibt: Im Vorfeld akribisch planen und versuchen, auf alles vorbereitet zu sein - oder einfach losfahren. Sabine und Thomas haben sich für Letzteres entschieden. Und sind damit einmal um die Erde gekommen. Ihre Devise: "Die Probleme, die unterwegs auf uns zukommen, die lösen wir unterwegs." Das sehen sie auch heute noch so, nach den Erfahrungen, die sie gemacht haben.
Paula hat die beiden nie richtig im Stich gelassen. "Aber sie hat uns doch immer wieder Sorgen und viel Arbeit bereitet", räumt Thomas ein. Erst kürzlich hätten sie überlegt, welche Teile ihres Fahrzeugs sie noch nicht in der Hand hatten. Genau zwei waren es, die sie auf ihrer Reise "nicht mal zerlegt oder angeschaut oder repariert haben": das vordere Differenzial an der Achse und die Mechanik der Servolenkung. Vom Lenkrad über das Kupplungspedal bis zu Getriebe, Achsen, Bremsen, Motor, Kurbelwelle: "Es ist wirklich jedes Teil mal durch unsere Hände gegangen." Zu Profischraubern hat dies das Paar nicht gemacht, meint Sabine. "Aber wir haben ein ganz gutes Vertrauen, dass wir das auch in Zukunft repariert bekommen."
Die Bedenken sind heute geringer
Thomas hätte "keine Bedenken, mit der Kiste loszufahren". Und sieht doch einen entscheidenden Unterschied zu damals, als sie aufgebrochen sind. "Die Bedenken sind wesentlich geringer." Einerseits sei das Vertrauen in die eigene Improvisations-Kunst heute größer - und "die Ängste, in bestimmte Teile der Welt zu fahren, sind deutlich geringer". Thomas weiß noch genau, dass er und Sabine sich Gedanken machten, weil sie "vielleicht in den Iran fahren oder auch in Teile von Russland" - ohne wirklich ein Gefühl von diesen Teilen der Welt zu haben. "Das macht einem schon Angst, diese Ungewissheit." Aber genau das habe sich durch die Reise geändert: "Es gibt keinen Teil auf der Erde, in den ich nicht fahren würde. Außer die Kriegsgebiete natürlich", sagt Thomas. Seine Erfahrung ist: Je näher man einem vermeintlich unsicheren Gebiet kommt, desto besser versteht man, "dass nicht ganze Kontinente oder Länder kritisch zu bereisen sind". Gespräche mit Einheimischen, die die tatsächliche Situation viel besser einschätzen könnten, als das, was man über ein Land zu wissen glaubt, hätten hier manches relativiert.
Panamericana: Albtraum Sehnsuchtsroute
Allerdings hätten sich Einheimische zuweilen auch verschätzt, wenn es um die Frage ging, ob man eine bestimmte Route mit dem Oldtimer befahren kann. Sabine fällt da sofort die Panamericana ein - seit einiger Zeit eine echte Sehnsuchtsroute für viele. Sabine hat sie anders in Erinnerung. Sie bekommt heute noch Gänsehaut, wenn sie an Fahrten in Peru, in den Anden denkt. Auf dem Buch-Cover sei ein Bild einer dieser "Todesstraßen" zu sehen, in Bolivien. "Da fährt man am direkt Fels entlang, die Straße ist genauso breit wie die Spur von unserem Lkw. Und daneben uns geht's 800 Meter in die Tiefe. Man fährt da und weiß auch, man kann nicht zurück, weil es einspurig ist. Man müsste sonst die ganze Strecke rückwärts mit dem Lkw, was ein Ding der Unmöglichkeit ist. Und was wir auch nicht ausprobieren wollten. Man tastet sich also vorwärts." Und merkt plötzlich, dass der Einheimische, denn man zuvor gefragt hatte, die Ausmaße des Lkw unterschätzt hat: Da sei zu einen Mal das Gewicht, das mit 7,5 Tonnen schon enorm sei. "Und die Höhe: Unser Auto ist 3,40 Meter hoch. Das bedeutet, dass man grade in diesem Passstraße oft gar nicht direkt am Fels fahren kann, weil es Überhänge gibt." Dann müsse man tatsächlich direkt am Abgrund entlang - "was wirklich sehr gefährlich ist".
Es habe schon ein paar Momente gegeben, "in denen man eigentlich nur ein Stoßgebet sprechen konnte und sich vorantasten musste", blickt Sabine zurück. Diese Fahrten seien "wirklich extrem anstrengend", weil man sich unglaublich konzentrieren müsse: "Der eine musste immer nach unten schauen, wo sind die Reifen, sind die noch auf der Strecke, und der andere hat gekuckt, dass er nicht zu nah an den Felsen kommt."
Vieles ist nicht planbar
Auf so einer Reise sei vieles nicht planbar, meint Thomas -"man stolpert einfach in Situationen hinein". In Peru war das so, erinnert er sich. Zweimal falsch abgebogen, und schon waren die Weltreisenden mitten in einem Dorffest. "Die Leute, die uns auf der Straße begegnet sind, kamen gerade von einem Pilgermarsch zurück, waren geschmückt, haben getanzt - und sofort waren wir im Geschehen drin. Sabine wurde zum Tanz aufgefordert, ich hab Maisbier in die Hand gedrückt bekommen." Thomas lächelt, als er davon erzählt: "Das sind Situationen, da ist man im Leben vor Ort, lernt Leute kennen. Sowas kann man im Vorhinein nicht planen, sowas passiert. Oder es passiert eben nicht."
Von vielen solchen unerwarteten Wendungen erzählen die beiden in ihrem Buch. "Und es ist auch beschrieben, wie es uns dabei ging", betont Sabine: "Es ist ja nicht immer alles eitel Sonnenschein auf so einer Reise." Es gebe auch Momente, in denen man "traurig, frustriert, ängstlich oder irritiert ist. Wir haben versucht, das Buch sehr ehrlich zu schreiben und auch einen breiten Einblick zu geben in diese Gefühle, durch die man geht, auch Zweifel, Ängste und Unsicherheiten. Um wirklich ein ehrliches Bild abzugeben, was passiert, wenn man so lang unterwegs ist."
Wird es eine Fortsetzung des Buchs geben? Thomas überlegt lang: "Wer weiß. Wir wussten nicht, dass wir jemals ein Buch schreiben würden. Insofern ist auch schwierig, abzusehen, was in Zukunft noch passieren wird. Wir haben schon einige Anfragen von Lesern, die das Buch gelesen haben, ,wann geht es weiter? Wir hätten Lust auf eine Fortsetzung'. Das ist natürlich schön zu hören. Aber wir wissen es nicht."
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