Die Sonne schien kräftig auf den Amberger Marktplatz, aber noch kräftiger auf zwei Damen im, wie man so sagt, besten Alter. Nicht nur, weil sie bei einem Gläschen Prosecco auf der Terrasse saßen und ihre freie Zeit genossen. Sondern vor allem, weil die eine Neon-Pink und die andere Neon-Gelb trug und damit das Sonnenlicht auf die vorbeihastenden Leute reflektierten. Und was trugen die? Beige. Beige Mäntel, beige Hosen, beige Haare. Eine Farbe, die früher Rentnern mit vieltaschigen Fischerwesten und Bügelfalten in den Stoffhosen zugeschrieben wurde.
Bis vor kurzem war es doch ein Symbol der Jugend, in knalligen Farben herumzulaufen statt wie eine verkochte Vollkorn-Nudel. Es gab in den Läden ja auch nichts anderes als grelle "I (Herz) New Yorker"-Oberteile, Multicolor-Röhrenjeans und Leggins mit Galaxie-Aufdruck. Jetzt versuchen alle, einen auf edel und teuer zu machen in ihren Trench-Coats, Strickpullis und Stiefeln. Und versinken dabei in ihrer sauberen Beigehaftigkeit.
Die Clean-Girl-Epidemie, was auf deutsch als sauberes Mädchen noch verklemmter klingt, hat beinah alle Farben aus den Kleiderschränken junger Leute ausgelöscht. Ja nicht auffallen, ja nicht modisch mal etwas wagen, scheint die Devise zu sein. Und sie befällt nicht nur Kleiderschränke, sondern ganze Wohnungen. Beige Wände, beige Cordsofas, beiges Pampasgras. Beige hat Grau als dominierende (Nicht-)Farbe im Einrichtungskosmos abgelöst.
Ja, es ist ein beruhigender Ton, zeitlos, passt zu allem. Vor allem, wenn man halt Beige mit Beige kombiniert. Aber hat denn keiner mehr Mut, herauszustechen, Mut zur Farbe? Ist es zu viel verlangt, sich ein hübsches Farbkonzept auszudenken? Es muss ja nicht Neon sein. Aber ein warmes Terrakotta, ein leichtes Kornblumenblau, ein freches Buttergelb? Diese Farben kann man sogar mit Beige kombinieren und trotzdem ein bisschen Individualität beweisen.
Was ich ab sofort sehen möchte: Dunkelblaue Hosen mit hellblauen T-Shirts kombiniert oder Pink mit Rot oder Orange. Senfgelb und Flaschengrün. Von Kopf bis Fuß in Petrol, der ganze Kerl gesättigt in einer Farbe. Leopardenmuster ist übrigens auch sehr kompatibel. Und ja, wegen mir auch Textmarker-Gelb oder Ampelmännchen-Grün. Nur bitte kein Beige mehr.
OTon
Wir sind junge Mitarbeiter der Oberpfalz-Medien. In unserer Kolumne „OTon“ schreiben wir einmal in der Woche über das, was uns im Alltag begegnet – was wir gut finden, aber auch, was uns ärgert. Dabei geht es weniger um fundierte Fakten, wie wir sie tagtäglich für unsere Leser aufbereiten, sondern um unsere ganz persönlichen Geschichten, Erlebnisse und Meinungen. Wir wollen zeigen, dass nicht nur in Hamburg, Berlin oder München Dinge passieren, die uns junge Menschen bewegen.
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