Dieser Zusammenhang ist für etliche Nachtschwärmer, denen die deutlich niedrigere Frequenz zur Jahreswende ebenfalls auffällt, nicht von der Hand zu weisen. Offenbar haben viele Angst, Opfer einer erneuten Schlägerei zu werden, von denen es tatsächlich nur zwei Tage nach den brutalen Ausschreitungen weitere gibt. Doch bevor jetzt alle vor Schreck erstarren, wollen wir im Gegensatz zur Berichterstattung mancher Boulevard-Medien (Bild-Online schrieb vom "Hass-Mob in Amberg") auch etwas Positives beleuchten.
Subway gewährt Zuflucht
Zu einer Heldin wurde zum Beispiel Subway-Mitarbeiterin Angela Chirtos, die Schutzsuchenden im Schnellrestaurant Zuflucht bot. Als rund zehn Leute hereinstürmen und schreien, dass sie angegriffen werden, holt sie sofort den Schlüssel und sperrt die Ladentüre zu. Draußen wird ihr Chef Justin Fels ebenfalls attackiert, als er mit Freunden beim Rauchen vorm Restaurant steht. Er verteidigt eine Frau aus der Gruppe, die von den Aggressoren beleidigt wird, und zieht sich dabei einen blutunterlaufenen Kratzer am Hals zu. Neben diesem mutigen Duo, das im Moment der Gefahr am Samstagabend gehandelt hat, gibt es einen weiteren Helden, der im Alltag eher still wirkt, aber brenzlige Situationen schon öfter erlebt hat. Es ist Paul Hartl, der Wirt des ehemaligen Yorma's und heutigen DB-Service-Stores, der samt anderem Namen und umfassender Renovierung gerade ein neues Kleid erhalten hat.
Was geblieben ist, sind die Gäste, die der Gastronom auch aus seinen anderen Filialen in Weiden, Stuttgart, Augsburg und früher noch Freising gut kennt. Er weiß, dass Alkohol oft eine üble Rolle spielt, wenn es zu Auseinandersetzungen kommt. Das war schon immer so und ist bei der hiesigen Bevölkerung, die hier gleichermaßen verkehrt, genauso wie bei Zugereisten oder Flüchtlingen. Bekanntlich waren es vier Asylbewerber im Alter zwischen 17 und 19 Jahren, die ihre Prügelattacke ohne jeden Grund auf unschuldige Passanten am Bahnhof starteten und in der Altstadt fortsetzten. Hartl beobachtet Spannungen zwischen Fremden und Einheimischen schon seit rund zwei Jahren - nicht selten entladen sie sich an solchen Brennpunkten wie dem Bahnhof, der mit seinem Lokal Treffpunkt für beide Seiten ist.
Immer häufiger würden die Flüchtlinge neben anderen Ressentiments Opfer einer Neiddebatte, würden angepöbelt oder angefeindet. Vielleicht auch, um sich besser zu verteidigen, würden die so Attackierten mittlerweile auch öfter in Gruppen auftreten und pöbelten dann vereint zurück. Wenn solche gegenseitigen Provokationen, die gerade bei Alkoholkonsum eskalieren können, auftauchen, tut Paul Hartl das Richtige und Wichtige, wie er sagt: Er geht dazwischen, sorgt mit energischem Auftreten oder auch witzigen Bemerkungen zur Entspannung der Lage für einen Stopp der hochkochenden Emotionen.
"Völkerverbindend wirken"
Das tut er nicht nur, weil er in seinem Lokal und im Umfeld keine derartigen oder handfesten Streitereien haben will. Hartl wirbt auch dafür, sich mit den Flüchtlingen auseinanderzusetzen. Als ehemaliger Seefahrer und Weltenbummler, der mit einer schwedischen Frau verheiratet ist, bezeichnet er es als seine "Leidenschaft, völkerverbindend zu wirken". "Irgendwer muss es ja machen", bricht er eine Lanze für mehr Bürger- und Gemeinschaftssinn, zumal "die Flüchtlinge ja jetzt da sind" und wir alle lernen müssten, ohne ständiges Misstrauen und Aggressionen mit der Situation umzugehen.
"Wir können uns die Köpfe einschlagen oder wir versuchen, miteinander klarzukommen", plädiert der seit 25 Jahren in seiner Branche erfahrene Gastronom für Sachlichkeit auf der Straße, aber auch in der politischen Diskussion. Was nicht heißt, dass er sich scheue, auch den Zugereisten beizubringen, wie sie sich als Gast in unserem Land aufzuführen haben. Daran arbeitet Hartl praktisch täglich in seinen Lokalen mit beiden Seiten und ist so ein stiller Held des Alltags im brodelnden Kessel des oft zu heiß gekochten Themas.
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