Amberg
26.10.2021 - 10:55 Uhr

Schabbatfeier in Amberg: Wenn die Arbeit ruht

Die israelitische Kultusgemeinde Amberg hatte am Freitagabend zu einer Feier des Schabbat eingeladen. Bevor den Gästen ein viergängiges Menü serviert wurde, halfen zwei Politiker mit, indem sie die traditionellen Challot formten.

Rabbiner Elias Dray und Daniel Schönberger, ein praktizierender Jude aus Wien erklären dem SPD-Bundestagsabgeordneten Uli Grötsch und CSU-Landtagsabgeordneten Harald Schwartz (von links) die Bedeutung der Challot am Schabbat. Bild: Stephan Huber
Rabbiner Elias Dray und Daniel Schönberger, ein praktizierender Jude aus Wien erklären dem SPD-Bundestagsabgeordneten Uli Grötsch und CSU-Landtagsabgeordneten Harald Schwartz (von links) die Bedeutung der Challot am Schabbat.

Nicht arbeiten, nicht Autofahren, nicht telefonieren, nicht kochen: Gläubigen Juden in aller Welt ist der Schabbat heilig. Was es mit der Tradition und den Geboten des jüdischen Ruhetags auf sich hat, erfuhren die Gäste der Schabbat-Feier am Freitagabend in den Räumen der israelitischen Kultusgemeinde. 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland und die Rückkehr der historischen Sulzbacher Torarolle nach Amberg: Angesichts dieser beiden Anlässe hatten Rabbiner Elias Dray und seine Amberger israelitische Kultusgemeinde zu einer Schabbat-Feier eingeladen. Daran nahmen nicht nur Rabbiner Steven Langnas, der aus München angereist war, und zwei Politiker, Bundestagsabgeordneter Uli Grötsch (SPD) und Landtagsabgeordneter Harald Schwartz (CSU), sondern auch interessierte nicht-jüdische Bürger teil.

Keinerlei schöpferische Arbeit

Freitag, später Nachmittag: Bis zum Beginn des Schabbats ist es nicht mehr lange hin. In der Küche der israelitischen Kultusgemeine laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren, denn ab Sonnenuntergang darf nicht mehr gekocht werden. So lautet eine der 39 Schabbat-Regeln. Denn am siebten Tag der jüdischen Woche, dem Ruhetag, darf keinerlei schöpferische Arbeit verrichtet werden.

Daniel Schönberger und seine Frau Daniela Kalmar-Schönberger sind praktizierende Juden aus Wien. Am Freitagabend feiern sie in Amberg den Schabbat mit, genießen wie alle anderen das von Rabbiner Langnas zubereitete viergängige koschere Mahl. Daniela Kalmar-Schönberger werkelt mit Mitgliedern der örtlichen jüdischen Gemeinde in der Küche, während ihr Mann und Rabbiner Elias Dray die beiden Politiker anleiten, Challot zu formen. Challot sind die traditionellen Brote zu Schabbat. Dazu wird der Hefeteig (ohne Milch und tierische Fette zubereitet) in Stücke geteilt, diese zu Strängen geformt, zu einem Zopf geflochten, mit Sesam oder Mohn bestreut und dann im Ofen gebacken.

Challot erinnern an Manna in der Wüste

Aus der Küche duftet es verführerisch – so verführerisch, wie es an diesem Abend in vielen jüdischen Haushalten duften wird. Denn zum Schabbat laden sich gläubige Juden gerne Gäste ein, feiern gemeinsam den Beginn des Ruhetages – mit Gebet, Gesang und gepflegter Unterhaltung. Während Grötsch und Schwartz die Zöpfe der Challot (Einzahl: Challa) formen, erklärt Rabbiner Elias Dray, was es mit diesem Brot auf sich hat: Es erinnert an das Manna, das Gott dem jüdischen Volk nach dem Auszug aus Ägypten in der Wüste geschickt habe – jeden Tag eines, am Freitag zwei, so dass es auch für den Shabbat gereicht habe.

Deshalb hat die Zahl zwei in der jüdischen Religion eine hohe Symbolkraft. Insbesondere am Schabbat. So werden zwei Challot gebacken und zu Beginn des Ruhetags zwei Kerzen angezündet. In jüdischen Familien übernimmt die Frau das Kerzenanzünden, der Mann den Segensspruch über die Speisen (Kiddusch). Daniela Kalmar-Schönberger bringt den beiden Politikern zwei Suppentassen und lässt sie den zweiten Gang des Menüs schon mal probieren: Hühnerbrühe mit kleinen Knödeln aus Mazze, wie ungesäuertes Brot genannt wird. "Schmeckt wie Grießnockerln", sagt Grötsch. Schwartz pflichtet ihm bei.

Eine Auszeit vom Alltag

Das Gebot, am Samstag zu ruhen, halten die Schönbergers aus Wien penibel ein. Nicht waschen, nicht kochen, kein Handy benutzen, keinen Lichtschalter betätigen. Daniela Kalmar-Schönberger gesteht, dass sie und ihre Familie diese 25-stündige Auszeit vom Alltag sehr genießen. "Es tut gut, gerade in der heutigen Zeit, einen Tag zurückzuschalten", sagt sie, während sie letzte Vorbereitungen trifft.

Der Schabbat beginnt mit einem Gebet in der Synagoge. So auch am Freitagabend. "Dann gibt es ein sehr feierliches Essen", erzählt die Wienerin aus ihrem Alltag. Häufig sind Freunde zu Gast. Allerdings: Sie müssen den Heimweg zu Fuß antreten, weshalb vor allem Freunde aus der näheren Umgebung kommen. Am Samstagmorgen geht die Familie erneut in die Synagoge, wo aus der Tora gelesen wird. Auch in Amberg war dies der Fall – mit einer Besonderheit: Erstmals wurde aus der historischen Tora der einstigen Sulzbacher jüdischen Gemeinde, die aufwändig in Israel restauriert und im Bundestag vollendet worden war, wieder gelesen.

Eintopf köchelt bis Samstagmittag

In der Küche der israelitischen Gemeinde köchelt auf einer Heizplatte ein Bohneneintopf vor sich hin – er ist am Freitagabend soweit fertig, wird aber bis Samstagmittag warm gehalten. Tscholent wird diese traditionelle Schabbatspeise am Samstagmittag genannt. Hauptbestandteile sind meist Fleisch, Bohnen, Graupen und Kartoffeln.

Die Schabbatruhe ist für Daniela Kalmar-Schönberger ein Geschenk, auf Telefonate oder Handy-Nachrichten, Fernsehsendungen oder soziale Medien zu verzichten, fällt ihr nicht schwer. "Man verpasst nichts", sagt sie. "Man ist entspannt, hat Zeit für die Familie, man liest mal wieder ein Buch oder ausführlich die Zeitung." Auch ihren Kindern, sieben und neun Jahre alt, macht die Schabbatruhe nichts aus. "Sie sind so aufgewachsen, sie kennen es nicht anders." Die Frau aus Wien guckt auf die Uhr, es sind nur noch wenige Minuten. Ein letzter Blick aufs Smartphone, bevor es für die nächsten 25 Stunden offline gehen wird. "Es ist egal, wann man anfängt, man wird immer erst knapp vorher fertig", sagt sie über die Vorbereitungen, die manchmal schon Donnerstagabend oder Freitagvormittag erledigt werden.

Viergängiges koscheres Menü

Das kennt auch der aus Philadelphia stammende Rabbiner Steven Langnas, dessen Menü am Schabbat-Abend in Amberg die Gäste genießen dürfen: Fischsalat mit grüner Sauce, Hühnerbrühe mit Mazze-Bällchen, Hähnchenschenkel mit Reis und Zwetschgenkuchen mit Walnüssen. Und vielen Gästen geht es wie Familie Schönberger an den Freitagabenden: Man sitzt stundenlang zusammen und genießt die Zeit miteinander. Die Kinder der Schönbergers verbringen den Schabbat mit den Großeltern. "Unsere Kinder genießen es, dass wir uns an Schabbat auf das Familienleben fokussieren." Und wenn am Samstagabend die Sonne untergeht und der Schabbat vorbei ist, dann gibt es für die Kinder einen Kinoabend – der Fernseher wird wieder angemacht.

BildergalerieVideo
Amberg18.10.2021
Hintergrund :

Rund um den Schabbat

  • Der Schabbat ist in der jüdischen Woche der siebte Tag und somit der Ruhetag.
  • Der Schabbat beginnt am Freitag bei Sonnenuntergang und endet am Samstag bei Sonnenuntergang.
  • In dieser Zeit darf keine schöpferische Arbeit erledigt werden.
  • Insgesamt 39 Melachot (Arbeiten) sind untersagt. Dazu zählen unter anderem Schreiben, Auto fahren, Licht oder Wärme zu erzeugen.
  • Praktizierende Juden verzichten in auch auf die Smartphones und Fernseher; sie kochen und waschen nicht.
  • Gefeiert wird der Schabbat in der Synagoge und in der Familie.
 
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