Über 6000 Personen feierten im vergangenen Jahr ein Neonazi-Konzert im thüringischen Themar, am Ende machen sie einstimmig den Hitlergruß. Eines haben die Besucher dabei gemeinsam: Sie gehören einer "extrem rechten Lebenswelt" an. Wovon diese geprägt wird und wie man sie erkennt, darüber klärte jetzt der Workshop "Erlebniswelt der extremen Rechten", im Jugendzentrum Klärwerk auf, der von der Kommunalen Jugendarbeit und den Malteser Integrationslotsen, im Rahmen der internationalen Wochen gegen Rassismus, veranstaltet wurde.
Keine Klischees in der Realität
"Wichtig ist, dass nicht jeder Mensch mit geschlossenem rechten Weltbild, nicht jeder Neonazi, sofort an seiner Kleidung oder seinem Äußeren zu erkennen ist", erklärt Markus Schwarz von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus gleich zu Beginn. "Das klassische Bild aus Springerstiefel, Bomberjacke und Glatze sehen wir fast nie". Dennoch spielen Freunde, Musik und Lifestyle immer noch eine zentrale Rolle. Was für Außenstehende wie ein harmloses Symbol aussieht, fungiert in der rechten Lebenswelt als Erkennungsmerkmal unter Gleichgesinnten. Marken und Symbole transportieren Gruppengefühl sowie politische Botschaften. Ideologisch instrumentalisiert die Szene wissenschaftlich widerlegte Konstrukte, wie das der "Rasse", um Menschenleben höher- oder niederwertig einzustufen. "Sie sind antidemokratisch, antiliberal, antiindividuell und massiv exkludierend", stellt Schwarz abschließend fest. "Exklusion bedeutet immer auch bereit zu Gewalt zu sein, um diese durchzusetzen", thematisiert der Berater das Aggressionspotenzial. Grundsätzlich bedient sich die rechte Szene bei der Ausgestaltung ihrer Lebenswelt bei Elementen der (Jugend-)Kulturen, die ein Identitätsangebot zur Vergemeinschaftung bieten. Diese Vergemeinschaftung ist dann häufig der Türöffner zum organisierten Neonazismus. "Zu unterscheiden sind Menschen mit einem rechten Weltbild mit und ohne Organisationsbeteiligung", sagt Schwarz. Besonders schockiert die Teilnehmer des Workshops die Nähe dieser menschenfeindlichen Tendenz: Die "Prollcrew" aus Schwandorf wird häufig bei internationalen Neonazi-Konzerten, so auch in Thüringen, gesichtet. Nach außen hin als Sportfreunde getarnt, ist ihr wahrer Kern durch die Beteiligung an eindeutig rechtsextremen Events, nur schlecht verschleiert.
Rechtsrock als zentrales Element
Beispiele aus der Musikszene zeigen zwei Seiten. Deutlich erkennbare nationalistische Texte, aber auch die undurchsichtige Variante. "Was mich daran stört ist, dass sich das wirklich gut anhört", meint eine Teilnehmerin. Auf den ersten Blick ist bei vielen Musikvideos rechter Künstler nicht zu erkennen, welche politische Tendenz sie verfolgen. "Die haben sich verbessert und professionalisiert", meint Schwarz. Der sogenannte Rechtsrock ist dabei nicht nur Element der Verbündung, sondern auch finanzieller Erhaltungsappart. Mit den Einnahmen aus Konzerten und Musikverkäufen bezahlen die Rechtsextremen, zum Beispiel, Anwaltskosten. Auf Nachfrage erklärt Schwarz, dass die Band "Rammstein" nicht dem rechten Spektrum zuzuordnen sei. Die "Böhsen Onkelz" hätten zu Beginn durch Lieder mit rechten Tendenzen einen großen Einfluss auf die Szene genommen, sich später jedoch bewusst von den radikalen Skinheads distanziert. Trotzdem kämen häufig noch Neonazis zu den Konzerten.
Links oder rechts?
Danach erklärt Schwarz die geschichtliche Entwicklung von den Anfängen der englischen Skinhead-Bewegung zu heutigen Gruppierungen, zu denen beispielsweise die "Identitäre Bewegung" zählt. In den 90er Jahren beginnt die Strafverfolgung vermehrt zu greifen, woraufhin die rechte Szene auf Codes und Chiffres umsteigt. Auch der Dresscode verändert sich mit der Musik in Richtung der Hardcore-Szene. Um Symbolik geht es dann auch in der letzten Gruppenübung des Workshops. Die Teilnehmer sollen Symbole und Markenlogos den Kategorien "rechts", "nicht rechts" und "strafbar" zuordnen. Dabei herrscht großes Unwissen und Uneinigkeit vor. Als Markus Schwarz über die korrekten Symbolbedeutungen aufklärt, gibt es Aha-Momente am laufenden Band. Am Ende des Workshops bleiben die Teilnehmer lange sitzen, um sich untereinander über die Eindrücke auszutauschen. "Dagegen muss man sich wehren", sind sich aber alle einig.
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