Traditionell trafen sich die Delegierten der CSU-Kreisverbände Amberg, Amberg-Sulzbach und Neumarkt, die zusammen den Wahlkreis für die Bundestagswahl bilden, früher in Kastl, um ihre gemeinsamen Entscheidungen zu treffen. Die Marktgemeinde an der Grenze der Landkreise hatte einen ausreichend großen Veranstaltungssaal und lag für alle zentral.
Unter Pandemie-Vorzeichen braucht es nun einen viel größeren Raum, um eine Präsenzveranstaltung mit 160 Delegierten abzuhalten. Schließlich ist ein Abstand von mindestens 1,50 Meter untereinander vorgeschrieben. „Da kommt im ganzen Gebiet nur der Saal des ACC in Amberg infrage“, sagt Patrick Fröhlich.
Der Sulzbach-Rosenberger ist Bundeswahlkreisvorsitzender der CSU für Amberg-Sulzbach-Neumarkt. Er organisiert die Delegiertenkonferenz, die am Donnerstag entscheidet, wer am 26. September als Direktkandidat der CSU die besten Chancen für ein Ticket nach Berlin hat. Denn seit 1949 ging das Direktmandat in diesem Wahlkreis immer an die CSU.
ACC gerät an seine Grenzen
Die Neumarkter Delegierten müssen also dieses Mal weiter fahren als sonst. Da nur im ACC die Hygienevorschriften einzuhalten seien, hätten sie damit aber kein Problem, ist Fröhlichs Eindruck. Denn selbst der riesige Saal des Kongresszentrums gerät an seine Grenzen, wenn 160 Delegierte mit dem vorgeschriebenen Abstand untergebracht werden müssen. 146 finden unten Platz, 14 müssen auf die Empore.
Fröhlich legt für die Versammlung Wert auf ein „maximal abgestimmtes faires Miteinander“, pflegt deshalb eine enge Absprache mit den drei CSU-Kreisvorsitzenden. Offenheit und Transparenz sollen bewirken, dass sich seine Idealvorstellung verwirklichen lässt: „Wenn am Ende ein Kandidat gewählt ist, dann müssen sich die Bewerber die Hand geben, in die Augen schauen und sagen: Jetzt gewinnen wir für die CSU.“
Mehrheit der Delegierten aus Neumarkt
Drei Bewerber sind es, die nach der Empfehlung ihrer Kreisverbände am Donnerstag antreten werden: Susanne Hierl (Neumarkt), Michaela Frauendorfer (Amberg) und Florentin Siegert (Amberg-Sulzbach). Einen ganz klaren Favoriten gibt es nicht, nachdem der amtierende Bundestagsabgeordnete Alois Karl (Neumarkt) nicht mehr antritt. Aber die Neumarkter CSU-Kreisvorsitzende Susanne Hierl geht mit der größten „Hausmacht“ in die Abstimmung. Ihr Kreisverband stellt 83 der 160 Delegierten, also die absolute Mehrheit. Aus Amberg-Sulzbach kommen 59, aus Amberg 18.
Wie Patrick Fröhlich erklärt, werden diese Zahlen immer aus dem Zweitstimmenergebnis der CSU im Bundeswahlkreis bei der letzten Bundestagswahl errechnet. Das heißt, sie können sich alle vier Jahre ändern. Was diese Vorprägung wert ist, zeigt der Blick auf die direkt gewählten Abgeordneten seit 1949: Sie kamen bis 2002 immer aus der Region Amberg/Amberg-Sulzbach, die zusammen die Mehrheit der Delegierten stellte.
2005 ganz knappes Ergebnis
Doch bei der Bundestagswahl 2002 schaffte die Neumarkter CSU ein Ergebnis von 69 Prozent und stellte damit (trotz einer um mehr als 20.000 geringeren Einwohnerzahl) bei der Nominierung 2005 ebenso 60 Delegierte wie die beiden anderen Kreisverbände zusammen. Der damalige Neumarkter Bürgermeister Alois Karl trat daraufhin gegen den amtierenden Bundestagsabgeordneten Rudolf Kraus (Schnaittenbach) an und setzte sich ganz knapp durch: Bei 3 ungültigen Stimmen lang Karl am Ende 59:58 vorne. Seither hat er das Direktmandat inne.
Aber natürlich gibt es keine Garantie, dass die Delegierten immer für den Kandidaten ihres Kreisverbandes stimmen. Das weiß auch Susanne Hierl, die sich nicht auf ihrem „Vorsprung“ ausruhen will: „Erst wenn die Stimmen ausgezählt sind, ist alles entschieden.“
„Ein gewisser Lokalpatriotismus ist schon da“, nimmt der Hirschauer Florentin Siegert die regionale Vorprägung der Delegierten durchaus als wichtigen Faktor wahr. Der sei aber nicht das einzige Argument bei der Entscheidung, „denn wenn jeder immer so wählen würde, wie es seine Heimat nahelegt, müssten wir ja gar nicht mehr hingehen“.
Auch Michaela Frauendorfer setzt darauf, dass die Delegierten sich ihrer Verantwortung bewusst sind, sich ein eigenes Bild machen „und eine echte Entscheidung in der Sache treffen“. Und da dürften dann eben auch Kompetenz, Erfahrung oder Durchsetzungskraft eine Rolle spielen.
"Es geht um das beste Angebot"
Bei der Amberger Frauenunion hat Michaela Frauendorfer es mal so formuliert: „Es geht nicht darum, welcher Kreisverband die meisten Delegierten in der Nominierungsversammlung hat – sonst dürften wir uns in Amberg ja niemals um ein Mandat bewerben. Es geht darum, welcher Kreisverband mit seinem Kandidaten den Delegierten das beste Angebot macht und später die Wähler am besten repräsentieren kann.“ Insofern fühle sie sich in der Außenseiterrolle gar nicht so unwohl.
In normalen Zeiten hätte jeder Kandidat versucht, noch vor der Nominierung in möglichst vielen (Präsenz-)Versammlungen aufzutreten, um auf seine potenziellen Wähler einen überzeugenden Eindruck zu machen. Das geht während der Pandemie nicht. Deshalb kommt in diesen Zeiten dem digitalen Auftritt eine besondere Rolle zu. Der Delegierte, der sich über die drei Bewerber informieren will, soll schließlich im Internet einen guten Eindruck bekommen.
Den drei Kandidaten ist gemeinsam, dass sie im Rahmen ihrer politischen Funktionen bisher schon in den gängigen sozialen Medien aktiv waren. Jetzt ist dann aber jeweils noch eine eigene Homepage dazugekommen. Da zeigt man Familiäres genauso wie Politisches oder kurze Filme, die die eigenen Stärken herausstellen. Florentin Siegert hat als „analoge Ergänzung“ zu seiner „kleinen Online-Kampagne“ auch Gespräche auf einem Spaziergang oder Telefonate angeboten, bei denen sich Interessierte über seine Ansichten informieren können.
Nur zehn Minuten Zeit
Ganz entscheidende Bedeutung messen alle drei einer traditionellen analogen Form bei, die am Donnerstag auf der Tagesordnung steht: der Bewerberrede. Dafür gilt laut Patrick Fröhlich folgendes Procedere: Die Reihenfolge wird per Los entschieden. Jeder Kandidat bekommt zehn Minuten Zeit. Während der erste spricht, gehen die beiden anderen in einen separaten Raum, so dass sie die Rede nicht hören können. Dort bleibt Kandidat 3 auch, solange Kandidat 2 spricht.
Susanne Hierl hat schon Erfahrung mit Kampfkandidaturen – sowohl beim Neumarkter Kreisvorsitz als auch bei der Bewerberkür für den Donnerstag hat sie sich auf diesem Weg durchgesetzt. Dabei hat sie gelernt: Es ist unheimlich wichtig, an so einem Abend gut in Form zu sein. Früher habe sie das etwas unterschätzt. „Aber aus den Gesprächen mit den Delegierten nach solchen Entscheidungen weiß ich jetzt, dass sie da sehr viel Wert auf die Präsentation des Kandidaten legen, dass das noch einmal viel ausmacht.“
Michaela Frauendorfer sieht das ähnlich. Sie messe der Rede eine sehr große Bedeutung bei. „Die Neumarkter haben mich ja noch nicht live erlebt. Dabei ist der persönliche Eindruck besonders wichtig.“
Und was will Florentin Siegert in seine zehn Minuten packen? Eines verrät er schon: „Da geht es drum, die Menschen zu begeistern; zu zeigen, für was man steht und was man bewegen will.“
Was wirklich entscheidet
Beim Blick auf die drei Bewerber fällt auf, wie genau sie dem Credo von Parteichef Markus Söder entsprechen, dass die CSU weiblicher und jünger werden müsse. Das sei in diesem Fall aber nicht irgendwie gesteuert, sondern eher Zufall, meinen die Betroffenen.
Am Ende entscheide nicht das Geschlecht oder das Alter, findet Susanne Hierl (47). „Sondern der Kandidat muss in der Lage sein, das Mandat gut auszuüben. Das ist es, was zählt.“ Das bestätigt Florentin Siegert, mit 22 der jüngste der Bewerber: „Wir wollen den besten Kandidaten für den Wahlkreis bekommen. Da mag beim einen oder anderen das Alter schon eine Rolle spielen, aber zum Schluss ist das immer eine Einzelfallentscheidung.“
Michaela Frauendorfer (56) verweist auf einen anderen Aspekt: Wer die Kandidatur anstrebe, brauche zum einen das Vertrauen seines Kreisverbandes, aber auch den „hier und heute“ passenden persönlichen bzw. privaten Hintergrund. In ihrem Fall: „Die familiäre Situation passt; vor vier Jahren habe ich auf der Liste Erfahrungen gesammelt. Ich bin jetzt bereit.“ Diese Überzeugung transportiert sie auch per Hashtag auf ihrer Homepage: #IchKannBundespolitik.
Florentin Siegert ist ebenfalls seine Vorfreude auf den Donnerstag anzumerken, an dem (inklusive möglicher Stichwahl) die Entscheidung durch eine absolute Mehrheit der Delegierten fallen wird: „Nichts ist unmöglich.“
Die Homepage von Michaela Frauendorfer
Die Homepage von Florentin Siegert
Die Homepage von Susanne Hierl
Bundeswahlkreis 232 Amberg: Inhaber des Direktmandats
- 1949-1953 Josef Schatz (CSU)
- 1953-1957 Anton Donhauser (CSU)
- 1957-1980 Heinrich Aigner (CSU)
- 1980-1990 Hermann Fellner (CSU)
- 1990-2005 Rudolf Kraus (CSU)
- 2005-2021 Alois Karl (CSU)
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