Amberg
07.10.2018 - 17:13 Uhr

Traumpfad, der verbindet

Vor 42 Jahren schafft er eine Herausforderung für Alpenüberquerer und Kletterbegeisterte: Ludwig Graßler. Heute ist der Weg des Ambergers in vielen Reiseführern weltweit beschrieben.

In Begleitung von Belgiern: Christina Netta lernt viele offene Menschen auf ihrer Reise kennen. Bild: exb
In Begleitung von Belgiern: Christina Netta lernt viele offene Menschen auf ihrer Reise kennen.

Sehr frei sei er aufgewachsen. Deswegen war es Ludwig Graßler, eines von zehn Kindern, auch möglich, mit einem ausgeliehenen Fahrrad von Amberg nach Salzburg zu radeln. Er war 14 Jahre alt, als ihn seine Neugierde packte. Sein damaliger Lehrer, ein Geistlicher aus Benediktbeuern, hatte immer von seiner Heimat erzählt. "Er beschrieb die Natur, die Täler, die Alpen", erinnert sich der heute 93-jährige Graßler, der jetzt in Wolfratshausen lebt. Seitdem widmete er einer bestimmten Strecke jede freie Minute. "Jede Tagesstrecke habe ich mit Tusche aufgezeichnet." Immer wanderte Ludwig Graßler ein Stück weiter. 1972 begann er seinen Traumpfad vom Marienplatz in München zum Markusplatz in Venedig bewusst zu erstellen. Als Geschenk an den Wanderverein im Isartal schrieb er 1976 das Buch "Zu Fuß über die Alpen".

Mittlerweile ist er stolz, dass sein Wanderweg in verschiedenen Reiseführern zu finden ist. "Vor zwei Jahren wurde er erstmals in englischer Sprache veröffentlicht", sagt Graßler. Viele Neuseeländer, Australier und Kanadier seien seinen Traumpfad nun schon gegangen. Hinter seiner Leidenschaft für die Berglandschaft und ihre Herausforderungen steckt auch ein wenig Mitleid. Viele Menschen würden gerne einmal einen anspruchsvollen Weg begehen, jedoch nicht alleine. Um es jedem zu ermöglichen, gibt es einen jährlichen Treffpunkt für alle - ob solo oder im Duo: Am 8. August um 8 Uhr morgens am Marienplatz in München.

In diesem Jahr begann dort auch die Reise von Christina und Peter Netta. Das junge Geschwisterpaar aus Amberg legte eine Strecke von 555 Kilometer und viele tausende Höhenmeter zurück. "Die Frage, warum man das macht, wird auch während der Reise nicht wirklich geklärt", sagt die 23-Jährige. Aber sie habe bereits als Jugendliche einmal eine sogenannte Bucket-List geschrieben - eine Liste mit Dingen, die man bis zum Lebensende mal gemacht haben will. Alpenüberquerung war einer der Punkte. Peter Netta hingegen sah nur die sportliche Herausforderung. "Der Reiseplan ist ausgelegt für 28 Tage - ich habe es in 23 geschafft." Er grinst und nickt. Eventuell hätte er auch nach 21 Tagen in Venedig sein können, ergänzt der 18-Jährige. "Wo, bitteschön, will man da noch Zeit einsparen?", fragt ihn die Schwester entsetzt.

Der Weg sei schon anspruchsvoll. Manchmal liegt vor den Wanderern nur ein schmaler Pfad aus Geröll und eine Felswand zum Anlehnen. Ein Klettersteig, der 600 Meter in die Tiefe geht, ist auch Teil der Route. Für diesen gibt es aber eine Alternative. Peter kletterte und Christina ging den Umweg. Mit einer heruntergeladenen Smartphone-App und GPS kann man auch ohne Netz die nächste Strecke planen. Aber vor Naturgewalten ist man auch mit einem digitalen Gerät nicht gefeit. Am 26. August wanderte Christina in 1300 Metern Höhe durch kräftige Schneefälle.

Das Fazit der Geschwister: Ein Wahnsinns-Erlebnis zwischen einer atemberaubenden Bergwelt, manchmal im besinnlichen Pilgerschritt. Sie haben viele Menschen kennengelernt und Gespräche geführt, die sie zu Hause so nicht gehabt hätten. Sie schätzten die erste Badegelegenheit an der Adriaküste und sind jetzt Experten in Sachen Blasenbehandlung.

Ludwig Graßler verbindet mit seinem Traumpfad nicht nur Amberger Generationen - Menschen aus aller Welt begegnen sich auf diesem Weg und motivieren sich gegenseitig. Denn jeder hier weiß um diese verdammten Blasen an den Füßen. Der einzige Tipp, den Graßler zukünftigen Wanderern geben kann: "Sei schwindelfrei, aber unbesorgt - man gewöhnt sich an diese unmittelbaren Abgründe."

Nach seinem ersten Treffen mit Ludwig Graßler (rechts) nervte Peter Netta seine Eltern ein ganzes Jahr lang, bis sie ihm erlaubten, den Traumpfad zu begehen. Bild: exb
Nach seinem ersten Treffen mit Ludwig Graßler (rechts) nervte Peter Netta seine Eltern ein ganzes Jahr lang, bis sie ihm erlaubten, den Traumpfad zu begehen.
Christina und Peter Netta erzählen ihrer Tante Bürgermeisterin Brigitte Netta alles über ihre spannende Traumpfad-Wanderung. Bild: Dagmar Williamson
Christina und Peter Netta erzählen ihrer Tante Bürgermeisterin Brigitte Netta alles über ihre spannende Traumpfad-Wanderung.
Hintergrund:

Bürgermeisterin Brigitte Netta sucht. Tot oder lebendig. Sie sucht in Amberg Geborene, die mit einer großen Idee, Großes geleistet haben. Wie zum Beispiel Ludwig Graßler und sein Traumpfad, Josef Friedrich Schmidt, den Spiele-Erfinder, oder Kathrine Switzer, die als erste Frau heimlich den Boston-Marathon lief. Dabei sind das Alter oder der Wohnort egal - Hauptsache, diese Menschen wurden in Amberg geboren. Zusammen mit dem Leiter des Amberger Stadtarchivs, Johannes Laschinger, möchte sie die entdeckten Namen und Ereignisse schriftlich festhalten, prüfen und eventuell auch im Stadtarchiv sammeln und ausstellen. Vielleicht kennt ein Leser einen gebürtigen Amberger, der die Welt positiv beeinflusst hat? (dwi)

E-Mail an redaz[at]oberpfalzmedien[dot]de

Schnee im Hochsommer: In den Alpen sind extreme Wetterumschwünge keine Ausnahme. Bild: exb
Schnee im Hochsommer: In den Alpen sind extreme Wetterumschwünge keine Ausnahme.
Die Wanderstiefel noch in der Hand: Christina Netta steht an der Adriaküste kurz vor Venedig endlich im Meer. Bild: exb
Die Wanderstiefel noch in der Hand: Christina Netta steht an der Adriaküste kurz vor Venedig endlich im Meer.
 
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