Schweißüberströmt sitzt Raphael Köller in voller Eishockey-Montur an der Bande: Der 18-jährige Spieler des ERSC Amberg trägt bei über 20 Grad Skiunterwäsche, darüber Brustpanzer, Ellenbogen- und Schienbeinschoner, Trikot, Stutzen, dazu Hose, Handschuhe, Helm und Schlittschuhe. Nach wenigen Minuten Trainingszeit auf der Kunsteisbahn tropft ihm das Wasser herunter. Derzeit dürfen die Amberger Nachwuchsspieler eine Plastik-Bahn in der Amberger Eishalle testen. An diesem Mittwochabend sind die Spieler der U20 an der Reihe. Schlittschuhlaufen im Sommer? Kann Kunststoff überhaupt mit echtem Eis mithalten? Raphael findet die Bahn "eigentlich schon cool". "Die Scheibe (Anm. d. Red.: der Puck) rutscht gut, man kann das durchaus mit Eis vergleichen". Und Justin Wild (17) sagt: "Das ist schon eine gute Alternative." Es sei allerdings sehr "viel anstrengender als normal", fügt Teamkollege Maximilian Romanow (16) hinzu, was natürlich allgemein nichts schlechtes sei, jedoch könnten auch nicht alle Manöver ausgeführt werden, die man als Eishockeyspieler üben und beherrschen muss.
Selbstschmierender Kunststoff
Rund drei Wochen wird die Kunsteisbahn in Amberg stehen. Der Hersteller Like-Ice aus Schierling bei Regensburg hat dem Verein die rund 400 Quadratmeter große Fläche kostenlos zu Testzwecken zur Verfügung gestellt. In vier Stunden war sie inklusive Bande aufgestellt. Geschäftsführer Jürgen Weiss ist der Erfinder des Verbindungssystems der Kunststoffplatten und hat es sich patentieren lassen. Doch der eigentliche Clou des Maschinenbau-Ingenieurs ist der selbstschmierende Kunststoff. Vier Jahre hat seine Entwicklung gedauert. Sie besteht aus Polyethylen, dem bestimmte Zusatzstoffe beigemengt wurden und das seine Eigenschaft durch ein spezielles Produktionsverfahren entwickelt. Zehn Jahre gibt er Garantie auf sein Produkt - aus Überzeugung. "Man muss kein Öl draufschmieren, gereinigt wird es mit normalem Wasser." 2009 hat es der 58-Jährige auf den Markt gebracht und dafür sogar seine IT-Firma verkauft. Dass das Kunststoffeis aktuell einen schlechten Ruf genieße, ärgert den Firmeninhaber. Stichwort Mikroplastik.
"Wenn man die Platten mindestens sechs Monate sechs Stunden am Tag nutzt, gibt es in 20 Jahren einen Abrieb von einem Millimeter", sagt Weiss. An der Uni Erlangen habe er die Partikelanzahl und Größe messen lassen, die dabei abgeht. "Sie sind alle in einem Bereich, die ausgehustet werden können und wenn sie gegessen werden, sind sie groß genug, dass sie wieder ausgeschieden werden. Das ist ganz wichtig, dass man im Bereich Mikroplastik keine Belastung hat." Er vergleicht es mit dem Abrieb eines Fahrradreifens beim Radfahren. Zudem bestehe die Möglichkeit, die Kunststoff-Platten "aus Abfällen wie zum Beispiel altem Pommesfett" herzustellen. "Wir nennen das Biomasse im Quadrat, weil es das Wort noch nicht gab." Eine Fläche, ähnlich der Größe wie sie derzeit in Amberg aufgebaut ist, kostet laut Jürgen Weiss um die 180.000 Euro. Zuletzt stand eines seiner Modelle beim Weihnachtsmarkt in Regensburg.
Rund 200 Nachwuchsspieler
Für den Amberger Verein wäre eine Kunsteisbahn mit separater Halle auf dem Gelände des Sportparks eine Erweiterung des bestehenden Trainingsangebots. Die Bahn könnte aber auch im Winter für den Weihnachtsmarkt oder Schulen genutzt werden. Aktuell müssen sich die rund 200 Nachwuchsspieler des ERSC Amberg die Eishalle mit der Ersten Mannschaft, den Eistänzern vom ESC Amberg und den Hobby-Schlittschuhläufern, die zu Disco-Lauf oder öffentlichem Lauf kommen, teilen. Hinzu kommt, dass in Amberg im Vergleich zu anderen Eishockey-Vereinen spät im Sommer mit der Eisbereitung begonnen wird. Die Folge sind sehr viel weniger Trainingszeiten auf Eis für den Nachwuchs, als beispielsweise die umliegenden Vereinen wie Nürnberg, Weiden oder Regensburg anbieten. "Wir möchten nicht, dass die talentiertesten Spieler abwandern, um sich sportlich weiterzuentwickeln", gibt Vorsitzender Mustafa Sugle die Devise aus. Denn: "Unser Ziel ist es, Amberger Nachwuchs-Spieler in die erste Mannschaft zu integrieren", so Richard Schlosser von der ERSC-Marketingabteilung, der den Testlauf der Kunsteisbahn initiiert hat. Und das würde nur mit besseren Trainingsbedingungen erreicht.
Dafür wurde auch Oberbürgermeister Michael Cerny am Mittwoch in die Eishalle eingeladen, der fraktionsübergreifend Stadträte mitbrachte, die sich die Sorgen und Wünsche des ERSC anhörten. Die Stadt Amberg ist im Eigentum der Eishalle, offiziell wird sie aber von Wolfgang Streich (ESC Amberg) betrieben. Michael Cerny schlug vor, dem Stadtverband für Sport ein Konzept ausarbeiten zu lassen. Konkret wurden auch schon Standorte für die mögliche zweite, am besten energieautarke Eishalle genannt, die im Sommer mit einer Kunsteisfläche und im Winter mit echtem Eis bestückt werden könnte. CSU-Stadtrat Thomas Bärthlein war der Meinung, dass sich zudem alle Vereinsvertreter aus dem Sportpark Amberg an einen Tisch setzen sollten. Thema war auch das gemeinsame Energiekonzept für das Areal, da insbesondere auch die Dachflächen der Eishalle für den Betrieb einer Photovoltaikanlage geeignet wären.
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