Amberg
18.03.2022 - 14:42 Uhr

Vielfältige Sozialeinrichtungen schaffen enge Bindung der Arbeiter zu Baumann

Als die evangelische Spenglerfamilie Baumann in Amberg eine Emailfabrik gründet, sind die katholischen Amberger erst nicht begeistert. Deshalb schafft das Unternehmen eine Vielzahl von sozialen Einrichtungen und mehr für die Arbeiter.

Für den Vortrag von Hannelore Zapf im Stadtmuseum über „Die Sozialeinrichtungen der Emailfabrik der Gebrüder Baumann in Amberg um 1910“ interessierten sich zahlreiche Zuhörer. Julia Riß, die Leiterin des Amberger Stadtmuseums, begrüßte die Referentin, die in typischer baumann'scher Arbeiterinnenkleidung über zwei Stunden lang ihre aufwendigen Recherchen vortrug. Explizit dankte sie auch Georg Baumann für dessen stete Unterstützung.

Zapf erinnerte daran, dass im Zuge der industriellen Revolution um 1900 sowohl die Werksbesitzer als auch die Arbeiter ursprünglich aus dem Handwerkerstand kamen. Doch als die evangelische Spenglerfamilie Baumann aus Wunsiedel nach Amberg umzog, war das katholische Amberg zuerst gar nicht recht erbaut. Aber die Firma „Johann Baumann‘s Witwe“ mit den Söhnen Christian, Georg, Johann und Peter sollte schon bald – nach der Gewehrfabrik – der zweitgrößte Arbeitgeber der Stadt werden. Zwischen 1818 und 1906 fand eine regelrechte Bevölkerungsexplosion statt, gleichzeitig wurden Arbeiter von allen Firmen dringend gesucht. Um diese an das Unternehmen zu binden, bedurfte es deshalb mancher Sozialeinrichtungen. Baumann erkannte das und setzte es in verschiedenen Wohlfahrsteinrichtungen für die Belegschaft auch um.

312 Werkswohnungen geschaffen

So existierte eine Pensions- und eine Krankenkasse, die auch eheliche Kinder mitversicherte, sowie eine Unfall- und Invalidenkasse, freie Medikamente inklusiv Gesundheitswein, eine Witwen- und Waisenkasse, ab 15 Jahren Betriebszugehörigkeit auch eine Pensionskasse und diverse Zuschüsse. Nicht nur in der Jahn- und der Von-der-Sitt-Straße, sondern übers ganze Stadtgebiet verteilt, baute, kaufte und vermietete der Großbetrieb schließlich 312 Wohnungen, zu denen teils auch Schrebergärten gehörten. Doch auch Krankenkontrolleure und ein Leistungsausschluss bei Selbstverschulden, zum Beispiel durch eine Rauferei oder Alkoholmissbrauch, gehörten zur „Lex Baumann“.

Ebenso zählten Restaurationen wie die Münchener Bierhalle, das Arbeiter-Speisehaus in der Jahnstraße und das Gasthaus „Zum Lindenbrünnerl“, ein Arbeiterbad auf dem Firmengelände, ein Konsumverein, eine Fabrik-Bibliothek, Weihnachts- und Jubiläumszuwendungen zu den sozialen Einrichtungen, welche einen Wettbewerbsvorteil bei dem damals herrschenden Arbeitskräftemangel darstellten.

Über 2000 Beschäftigte 1904

So wuchs die erste Emailfabrik von 1877 bis 1887 zu einem weltweit agierenden Unternehmen, das 1904 über 2000 Beschäftigte hatte. 70 Prozent der Produktion ging ins Ausland, doch als der Erste Weltkrieg ausbrach, erlöschte dieses Geschäft. Mit und nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zum Niedergang und 1986 mit nur mehr 113 Beschäftigten zum Konkurs. Schon 1987 wurde abgerissen und das große Areal neu bebaut.

"Was ist geblieben?", fragte Hannelore Zapf. Dies sei auf jeden Fall der Aufschwung der evangelischen Gemeinde gewesen, deren Paulanerkirche von Baumann renoviert wurde. Bleibend positiv seien besonders auch die ab dem 4. November 1888 von Baumann angeforderten und unterstützen Diakonissinnen, welche eine Station zur Gemeindediakonie und eine Kinderbewahranstalt mit teils über 70 Kindern leiteten, woraus später das Amberger Waisenhaus wurde.

Hintergrund:
  • Zur derzeit im Amberger Stadtmuseum laufenden Ausstellung über die Emailfabrik der Gebrüder Baumann ist ein Buch erschienen: „Baumann. Amberger Emailgeschirr erobert die Welt“.
  • Autoren sind Georg Baumann, Abkömmling der Baumann-Dynastie und Gründer der Baumann Automation, sowie Susanne Plank-Häusler.
  • Erschienen ist das 276 Seiten umfassende Werk im Büro Wilhelm Verlag (Amberg).
  • Erhältlich ist die Chronik für 48 Euro im Buchhandel oder im Online-Shop des Verlags.
  • Noch bis zum 24. April läuft im Amberger Stadtmuseum die Sonderausstellung „Baumann, Amberg und die Welt“.
 
Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Klicken Sie hier für mehr Artikel zum Thema:
Zum Fortsetzen bitte

Sie sind bereits eingeloggt.

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.