Amberg
13.03.2022 - 15:37 Uhr

"Wackersdorf" kommt auf die Theaterbühne – und Altlandrat Schuierer schaut zu

Das Landestheater Schwaben gastiert mit dem Stück "Wackersdorf" im Stadttheater Amberg. Über Vergangenheit und Gegenwart von Protestbewegungen sprechen im Anschluss Publikum, Ensemble und Altlandrat Hans Schuierer.

„Zum ersten Mal lerne ich jemanden kennen, den ich auf der Bühne spiele. Das ist eine große Verantwortung.“ So fasst Jens Schnarre die besondere Situation im Stadttheater zusammen. Er spielt im Stück „Wackersdorf“ des Landestheaters Schwaben, das am Samstagabend in Amberg gastiert, den Schwandorfer Altlandrat Hans Schuierer. Und der sitzt im Publikum.

Es ist ein besonderer Theaterabend, denn auf der Bühne passiert das, was die meisten Menschen im Publikum vor 35 Jahren selbst erlebt haben. Es geht um die geplante und dann doch nicht gebaute Wiederaufbereitungsanlage im Taxöldener Forst bei Wackersdorf. Das Stück beruht auf dem Drehbuch des Films von 2018 und stammt aus der Feder von Oliver Haffner, einem der beiden Drehbuchautoren.

Ein Schauspieler in mehreren Rollen

Ein - mit nur acht Schauspielern - kleines Ensemble bringt die zahlreichen Personen, die damals das Geschehen bestimmten, auf die Bühne. Bis auf Schnarre, der ausschließlich Landrat Schuierer spielt, füllen sie alle mehrere Rollen aus. Dabei gelingen ihnen die ständigen Rollenwechsel nahtlos. Besonders beeindruckend ist Tim Weckenbrock, dem es gelingt, den schmierigen Vertreter des Atomkonzerns Billinger und im nächsten Moment den sympathischen Schuierer-Sohn Max überzeugend rüberzubringen. Auch die anderen Akteure verändern nur ein Detail an ihrem Kostüm (mit Trachtenelementen kreativ gestaltet von Franziska Isensee) und schlüpfen damit vollständig in eine andere Persönlichkeit.

Schnarre bleibt immer Schuierer, aber er durchläuft eine starke Persönlichkeitsentwicklung. Der vielleicht etwas naive Provinzler lernt, dass man nicht alles glauben darf, was die Großkopferten einem erzählen, und dass man für das Recht kämpfen muss. Sehr eindringlich ist die Szene, in der er erkennt, dass er und die Menschen in der Oberpfalz von der mit Münchener Politikern verbündeten Atomindustrie belogen werden. Es ist der Moment, als ihm Billinger die Pläne der WAA zeigt und herablassend sagt, Baupläne seien ja sehr verwirrend. Da entdeckt Schuierer, der gelernte Maurer, den geplanten 300 Meter hohen Schornstein, fragt nach - und erfährt, dass dadurch die radioaktiven Emissionen möglichst weit verteilt werden sollen. Das ist der Wendepunkt im Stück. Aus einem diffusen Unbehagen, das den Landrat umtreibt, wird aktive Gegnerschaft.

Wandlungsfähige Requisiten

Mit wenigen, wandlungsfähigen Requisiten und einem entsprechend vielfältigen Bühnenbild (Marcel Franken) entstehen die ganz unterschiedlichen Handlungsorte. Ein Lamellenvorhang schließt den hinteren Teil der Bühne ab. Anfangs ist er als Hintergrund für Büros und Gaststätten geschlossen, später zum Taxöldener Forst und dem Bauzaun geöffnet. Die Vergrößerung des Bühnenraums entspricht den immer wachsenden Protesten, bis schließlich nach der symbolischen Beerdigung von Demokratie und Rechtsstaat doch das Projekt WAA eingestellt wird.

Das Publikum ist bewegt, betroffen und von „Wackersdorf“ begeistert. Nach langem Applaus treffen sich auf der Bühne Altlandrat Hans Schuierer, Schauspieler Jens Schnarre und Dramaturgin Julia Hammerstiel zu einem Gespräch, das Christoph Rolf von OTV moderiert. „Da werden Erinnerungen an eine schwere Zeit wach“, stellt Schuierer gleich am Anfang fest. Der Film und jetzt auch das Stück stellen ihn als Symbolfigur in den Mittelpunkt, aber, betont er, die eigentliche Leistung im Widerstand gegen die WAA haben die Menschen erbracht, die jedes Wochenende an den Bauzaun gegangen sind: „Das wird zu wenig gewürdigt. Ich fühle mich nicht wohl dabei.“ Er ist aber mit der Darstellung seiner Person einverstanden und findet sich in der Rolle wieder, wozu auch beiträgt, dass das Stück viele authentische Zitate verwendet.

"Was in einer Demokratie möglich ist"

Und was kann man aus den damaligen Protesten, dem Film und jetzt auch dem Theaterstück für die Gegenwart lernen? Hammerstiel schlägt den Bogen in die heutige Zeit und erkennt Parallelen zu Fridays for Future. „Wackersdorf ist ein Lehr- und Musterbeispiel dafür, was in Demokratie und Rechtsstaat nicht passieren darf“, fasst Schuierer zusammen, „und zugleich ein Musterbeispiel, was in einer Demokratie möglich ist.“

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