Amberg
01.03.2019 - 10:48 Uhr

Wie wohnt Amberg 2034?

Hat sich die Lage am Immobilienmarkt entschärft? Zieht es die Menschen aufs Land oder in die Stadt? Welches Amberger Viertel hat am meisten Potenzial? Zwei Immobilienexpertinnen und ein Architekt wagen den Blick in die Zukunft.

Amberg, Drillingsfeld: Hier wachsen die neuen Einfamilienhäuser wie die Schwammerl aus dem Boden. Wohnraum ist derzeit gefragt - aber wie ist die Situation im Jahr 2034? Bild: Petra Hartl
Amberg, Drillingsfeld: Hier wachsen die neuen Einfamilienhäuser wie die Schwammerl aus dem Boden. Wohnraum ist derzeit gefragt - aber wie ist die Situation im Jahr 2034?

Ein gepflegter Reiheneckbungalow in ruhiger Wohnlage mit rund 104 Quadratmeter Wohnfläche und 300 Quadratmeter Grün aus dem Jahr 1966 in Amberg: "Das Objekt hätte ich gleich fünfmal verkaufen können", sagt Ruth Lobensteiner, zuständig bei der VR-Bank in Amberg für den Immobilienmarkt. Bungalow, das suggeriere bei vielen Interessierten, dass das Gebäude bereits barrierefrei ist oder gemacht werden kann. "Außerdem wollen die wenigsten einen großen Garten. Heute beliebt ist eine Terrasse mit Grünstreifen. Das bedeutet weniger Aufwand, um es zu pflegen."

Dieser Bungalow sei auch begehrt gewesen, weil er im Stadtgebiet liegt, sagt Lobensteiner. Die Expertin beobachtet, dass es Jung und Alt wieder in die Stadt zieht. "Ausschlaggebend ist die Infrastruktur: Hier liegen Arzt, Wohnen, Einkaufen, Schule und Vereine nah beieinander. Alles ist mit dem Rad oder Bus zu erreichen." Darauf legen immer mehr Menschen wert, weiß die Expertin. Doch die Krux: "Die Nachfrage am Immobilienmarkt ist ein Vielfaches höher als das Angebot." Das liege an den niedrigen Zinsen, die derzeit am Kapitalmarkt herrschen. "Auch der vermeintlich kleine Mann kann sich heute eine Immobilie anschaffen. Hinzu kommen Kapitalanleger, welche die größte Rendite am Immobilienmarkt sehen." Die Preise in Amberg sind vor allem in den vergangenen drei Jahren in die Höhe geschossen. Auch wenn es schwer in Zahlen belegbar ist, denn in Amberg gibt es keinen offiziellen Mietspiegel. Die Sparkasse, beziehungsweise LBS, hat gemessen, dass der Quadratmeterpreis einer neuen Eigentumswohnung im Jahr 2013 zwischen 1900 und 3200 Euro lag. Aktuell pendelt er zwischen 2800 und 4000 Euro. Entscheidende Kriterien, was eine Wohnung oder Haus kostet, seien Lage, Ausstattung, Größe, der Renovierungsaufwand bei gebrauchten Objekten und der energetische Sanierungsstand, sagt Morena Frieser aus der Immobilienabteilung der Sparkasse.

Architekt Georg Zunner hat schon ein paar Vorstellungen, wie sich das Thema "Leben in der Stadt" in den nächsten 15 Jahren entwickeln könnte. Bild: spw
Architekt Georg Zunner hat schon ein paar Vorstellungen, wie sich das Thema "Leben in der Stadt" in den nächsten 15 Jahren entwickeln könnte.

Zeit, das sich was dreht?

Es scheint, die Preisspirale dreht sich immer weiter. Ist irgendwann ein Ende in Sicht? "Ich denke, dass sich das Verhältnis von Nachfrage und Angebot wieder einpendeln wird", erklärt Lobensteiner. Viele Bauträger versuchen aktuell, Baulücken im Stadtbild zu schließen. "Zum Beispiel passiert jetzt in dem neuen Baugebiet am Drillingsfeld einiges", sagt Frieser. Oft würden auch kleinere Äcker verdichtet, wie zwischen Poppenricht und Witzlhof.

Was aktuell als weniger begehrte Lage am Markt gelte, wie der Bergsteig, könne sich schon in wenigen Jahren gedreht haben, glaubt Lobensteiner von der VR-Bank. "Sobald die Wohnblöcke aus den 1950-er-Jahren saniert sind, erreicht man mit solchen Vierteln ein größeres, ein anderes Klientel." Kollegin Frieser hat auch beobachtet, dass "sich die Best Ager, also Menschen ab 55 Jahren, deren Kinder aus dem Haus sind, leichter von einer Immobilie trennen können, als das noch vor einem Jahrzehnt der Fall war". Die emotionale Bindung zum Einfamilienhaus sei nicht mehr so groß. "Sie gehen gern in die Stadt, wo sie leicht den Arzt erreichen und am kulturellen Leben teilhaben können." So wiederum werde Platz für junge Leute, die im Begriff sind, eine Familie zu gründen.

In 15 Jahren, wenn die Stadt Amberg ihren 1000. Geburtstag feiert, wohnen hier etwas weniger Menschen als derzeit. So hat es das Bayerische Landesamt für Statistik berechnet. Von derzeit (Stand 2017) 42 200 Personen sinkt die Zahl bis 2034 auf 40 400 Einwohner. Trotzdem muss sich Amberg überlegen, wohin die Reise gehen soll. Was ist zu tun? In einem ersten Schritt hat die Stadtverwaltung ein Programm aufgelegt, das die Innenstadt revitalisieren soll. Hauseigentümer, denen es bislang wichtig war, dass ihr Gebäude im Erdgeschoss an einen Einzelhändler vermietet war, sollen (finanziell) ermuntert werden, auch in den darüber liegenden Stockwerken Wohnraum zu schaffen.

"Dass die Revitalisierung der Altstadt angegangen worden ist, ist positiv", urteilt die Sparkassen-Expertin. "Endlich wird saniert. Hoffentlich ist in 15 Jahren wieder mehr Leben in der Stadt. Ich hoffe auch, dass die Nahversorgung besser klappt." Georg Zunner, ein Amberger Architekt, der seit 26 Jahren in der Branche unterwegs ist und einige markante, innerstädtische Gebäude saniert hat, hält das Projekt für richtig. "Bei möglichen Käufern lässt sich viel erreichen, wenn die Kommune mitzahlt." Oft habe er es erlebt, dass Bürgermeister von kleinen Gemeinden und Kommunen "auf Teufel komm raus, neues Bauland ausweisen wollten". Das dürfe jedoch nicht ausufern, "sonst entsteht ein Fleckenteppich". Vielmehr plädiert er dafür, "das Alte zu bewahren". "Städte und Kommunen müssen versuchen, kompakt zu bleiben." Man solle sich darauf konzentrieren, was man schon habe, sagt er. Gerade in der Innenstadt von Amberg sieht Zunner viele Möglichkeiten, bestehende Gebäude zu sanieren. "Oft für einen Bruchteil des Geldes, das ich für einen Neubau bräuchte. Und aus einem hässlichen Entchen lässt sich wirklich sehr oft etwas Wunderschönes gestalten."

An diesem Vormittag war er mit einem Bauherren in einem Gebäude unterwegs. "Der Keller stammt aus der Zeit um 1600", erklärt er. "Natürlich kann ich das abreißen und stattdessen 14 Wohnungen hinstellen. Bei einer Sanierung habe ich nur acht." Doch er warnt: "Ein kaputtes Gesicht lässt sich nicht mehr heilen." Daher sei es ungemein wichtig, Menschen dafür zu begeistern, was sie bereits haben, und als Stadt schon früh zu überlegen, wie sich eine Gegend entwickeln solle.

Stadt an und mit der Vils

"Bis sich wirklich am Stadtbild etwas verändert hat, dauert es etwa 50 Jahre", weiß Zunner. Trotzdem kann er sich eines sehr gut in Amberg vorstellen: leben an der Vils - ein Motto, das sich auch in der Architektur widerspiegeln könnte. Von der Vils aufwärts, an der Luitpoldhütte entlang, wünscht er sich nicht bloß unerreichbare Äcker, wie sie heute sind, sondern Flächen mit kleinen Wegen, beschreibt er seine Vision. "Die Schrebergärten sind heutigen Ansprüchen angepasst." Das solle nicht heißen, dass in den Häuschen richtig "mit Postanschrift" gewohnt werden könne, aber dass es möglich sei, einige Nächte dort zu verbringen. "Der Abraum des Schlackenbergs ist begrünt, vielleicht sogar ein Waldhügel." Das Quartier ziehe sich über die B 299. "Diese Ecke ließe sich für Jung und Alt schön - auch urbaner - machen. Es soll aber kein Wohnviertel entstehen."

Der Bezug zur Vils solle sich an vielen Stellen Ambergs ablesen lassen. Unter anderem schwebt Zunner vor, dass sich die Amberger an der Schiffgasse auf Plattformen über der Vils treffen. "Wenn darauf Sonnenliegen im Sommer angeboten werden und die Straße autofrei ist, entsteht möglicherweise - gern auch mit Gastronomie - ein neuer Magnet." Zunner kann sich auch vorstellen, dass die Wäscherei der JVA Amberg von ihrem Standort weicht und Platz macht für eine lockere Bebauung entlang der Vils. Bis zum Stadion des FC Amberg sieht er Platz für "moderne Häuser mit Bezug zum Wasser". Aber: "Keine 200 Stück, sondern eher 20."

Für wen entwickelt sich die Vilsstadt überhaupt? Wer kommt hierher? Interessant ist Amberg nach Aussage Zunners für Kapitalanleger, wie sie sich in Nürnberg und Regensburg derzeit breit machen, eher nicht. "Stattdessen sind es ganz oft berufliche Gründe, die Menschen bundesweit hierher locken", weiß Lobensteiner von der VR-Bank. "Daher ist es umso wichtiger, dass Amberg ein guter Firmenstandort bleibt." Die Ansiedlung des Landesamts für Pflege sei ein gutes Beispiel. "Arbeitsplätze und die Wirtschaft sorgen dafür, dass die Innenstadt lebendig bleibt." Natürlich sei es auch wichtig, dass auf dem ehemaligen Gelände des Kaufhauses Storg etwas passiert, sagt die gebürtige Ambergerin Lobensteiner. "Am Nachmittag ist es still geworden in der Stadt."

Als eine Gemeinde mit Potenzial sieht Sparkassen-Expertin Frieser Ursensollen. "Eine Kommune nahe der Autobahn, mit florierenden Wirtschaftsunternehmen und das geplante Projekt zum seniorengerechten Wohnen ist interessant für Alt und Jung. Hier ist es leicht, sich eines Tages Essen liefern zu lassen und die Sozialstation ist auch nicht weit." Währenddessen Illschwang und Vilseck: Baugrundstücke im erweiterten Amberger Umland, welche die VR-Bank im Angebot hat, seien der Erfahrung Lobensteiners nach eher für junge Leute, die dort aufgewachsen und verwurzelt sind, interessant.

Doch es gibt eine Ausnahme: Kümmersbruck. "Wenn jemand nach einer städtischen Immobilie sucht, gibt er ganz oft Amberg und Kümmersbruck an." Heute sehe man schon kaum mehr eine Grenze zwischen den Orten. "In Zukunft wird das nur noch den älteren Einheimischen bewusst sein."

Amberg27.08.2019
 
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