Zunächst gab es lange Gesichter am Samstag: Der massiv angekündigte Ministerpräsident kam nicht zur Eröffnung der Oberpfälzer Rotwildtage. Er sprach in Erding auf einer Demo gegen das Heizungsgesetz. Doch die zuständige Staatsministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vertrat ihn auf dem Gut Heringnohe der Familie Götz gebührend, und der Oberpfälzer BJV-Jäger-Chef und Organisator Alexander Flierl konnte aufatmen: Viele Politiker, Vereine und Verbände bekundeten ihr Interesse teils durch aktive Teilnahme, vom Bauernverband über die Fischer, BJV-Vertreter, Bürgerallianz und Forstbehörden bis zum Landesbund für Vogel- und Naturschutz und zum Verein „Wildes Bayern“ und anderen.
Michaela Kaniber verkündete: „Die Staatsregierung steht hinter Ihnen“, als sie das Thema Nummer 1 im ländlichen Raum, Wolf und Fischotter, ansprach. Der Freistaat wolle den teils um 40 Prozent jährlich beängstigend anwachsenden Wolfsbeständen etwas entgegensetzen zum Schutze der Landwirtschaft. „Wir sollten nicht den selben Fehler machen wie andere Länder vor uns“, warnte sie und gab unmissverständlich zu verstehen: „Der Wolf mag in Teilen Europas seinen Platz haben, aber nicht auf Bayerns Almen.“ Ähnliche Probleme habe die Teichwirtschaft mit dem Fischotter, der viele Fischzüchter zum Aufhören zwinge.
Kritik an Gutachten
Das Rotwild seinerseits gehöre unabdingbar zur Oberpfalz und zu Bayern, deswegen seien die Rotwildtage so wichtig zum Vermitteln der Problematik, insbesondere bei den gesetzlich festgelegten Rotwildgebieten, die die Bestände räumlich eng begrenzten. Sie habe eine Untersuchung bei der TU München in Auftrag gegeben, dann müsse man sich ideologiefrei zusammensetzen und über Lösungen diskutieren. Es gehe immer um die komplette Ausgewogenheit zwischen Landwirtschaft, Wald und Wild.
Bayerns Jäger-Präsident Ernst Weidenbusch geißelte das alle drei Jahre fällige Verbissgutachten des Staatsforstes als weitgehend untauglich, es lasse eine Menge von Faktoren außer Acht und ignoriere zum Beispiel, dass Verbiss hauptsächlich durch Störungen des Wildes entstehe. „Das gehört komplett überarbeitet.“ Auch den Verlängerungen von Jagdzeiten auf Rehwild erteilte er eine klare Absage: „Nur 68 von 12 700 Revieren haben so etwas beantragt.“ Finanz- und Heimatminister Albert Füracker schlug in die gleiche Kerbe beim Thema Wolf und Fischotter: „Es sollen nicht diejenigen Recht bekommen, die sowieso gegen Bauern und Jäger arbeiten.“
Wie es ums Rotwild steht, beleuchteten die Fachvorträge. Professor Andreas König von der TU München beschrieb den Großen amerikanischen Leberegel als tödliche Geißel des Rotwildes. Seit dem 19. Jahrhundert auf dem Vormarsch, befalle der Parasit zunehmend auch das Oberpfälzer Wild und lasse sich kaum eindämmen, allenfalls durch eine drastische Absenkung des Wildbestandes, wie im Veldensteiner Forst praktiziert. Die Egel zerstörten die Leber des Rotwildes, beim Reh genüge schon ein einziges solches Exemplar, und das Wildtier sterbe qualvoll.
Kooperation mit US-Armee
Den Einfluss von großen Beutegreifern auf das Schalenwild stellte Christine Miller von „Wildes Bayern“ anschaulich dar. Das Wolfs-Jagdverhalten sei eine Funktion der Kulturlandschaft, die der Beutegreifer nutze. Am Beispiel Göhrde/Niedersachsen zeigte sie eine Verlagerung der Rotwild-Kerngebiete nach der Wolfsrudelbildung. Muffelwild sei bereits erloschen, Damwild gerade auf dem Weg dahin. Einer der Lösungsvorschläge: Schutzstatus überprüfen.
Bei der bedeutendsten Hegeschau Bayerns stellten dann die Vorsitzenden der beiden Hegegemeinschaften Nord und Süd, Eberhard Freiherr von Gemmingen-Hornberg und Manfred Köllner, ihre Zahlen vor, und Leitender Forstdirektor Ulrich Maushake vom Bundesforstbetrieb Grafenwöhr, der nach 28 Jahren die Führung abgibt, führte zum 25. Mal durch die Schau – „unzweifelhaft eine der bedeutendsten in Deutschland“. Der Rotwild-Experte beschrieb die Strategie, wie auf dem Übungsplatz trotz steigender Rotwildbestände von rund 25 Stück pro hundert Hektar der Wald weitgehend ohne Schäden aufwachse und sich selbst optimiere.
Die Lenkung des Rotwildes, eine strenge Jagdreglementierung und genügend Ruhezonen führten inzwischen dank Kooperation mit der US-Armee dazu, dass das Rotwild die Landschaft offen halte und den Wald verschone. „Und das ist auch anderswo möglich, nicht nur bei uns.“ Auf dem Übungsplatz würden jährlich etwa 100 bis 150 Stück Rotwild bei der Abschussplanung für den Wolf berücksichtigt. Allerdings sei der Satz „Wo der Wolf jagt, wächst der Wald“ schlichtweg Unfug. „Der Wolf ist eine gigantische Herausforderung.“
Zahlen und Fakten
- Gesamt-Rotwildabschuss in der Oberpfälzer Hegegemeinschaft Nord (Schwerpunkt Übungsplatz Grafenwöhr) in den letzten drei Jagdjahren: Rund 6700 Stück
- Plan für 2023/24: 2209 Stück im Norden, 1535 im Süden
- Rückgang des Abschusses im Unterbezirk West (Veldensteiner Forst) wegen Bestandssenkung durch Wölfe, Leberegel und Jagd: Von 290 auf 80
- Eingeplante Wolfsrisse: 100 bis 150 Stück Rotwild
- Ausgestellte Hirsche bei der Schau: 128, davon 15 älter als 10 Jahre
- Stärkster Hirsch der Schau: Vierzehnender, älter als 12 Jahre, Geweihgewicht 7,6 Kilo, bewertet mit 221 Internationalen Punkten
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