Menschen mit Handicap in die Mitte der Gesellschaft holen, sie in jedem Alter bestmöglich unterstützen und dabei auch die Familien entlasten: Dieses gemeinsame Ziel haben Irmgard Merkl und Hildegard Legat viele Jahre lang bei der Lebenshilfe Amberg-Sulzbach verfolgt und vorangetrieben. Jetzt gehen beide in den verdienten Ruhestand. Zuvor wurden sie mit der Ehrennadel in Silber des Dachverbandes, der höchsten Auszeichnung für Beschäftigte, für ihr außergewöhnliches Engagement geehrt.
Zur Abschiedsfeier der zwei Power-Frauen konnte Vorsitzender Eduard Freisinger mit Barbara Stamm einen besonderen Ehrengast begrüßen. Die Landtagspräsidentin a.D. und Landesvorsitzende der Lebenshilfe Bayern würdigte beide in ihrer sehr persönlichen Laudatio.
Optimal ins Leben starten
Irmgard Merkl hat sich vier Jahrzehnte dafür stark gemacht, dass Kinder, die entwicklungsverzögert, von Behinderung bedroht oder behindert sind, so früh wie möglich optimal gefördert werden. Das war nicht immer so, erinnert sich die 64-Jährige an ihre Anfänge zurück: „Als ich frisch von der Universität gekommen bin, erhielten Kinder nur im schulischen Bereich Förder- und Therapieangebote. Diese Versorgungslücke konnten wir durch den Aufbau der Frühförderung in Stadt und Landkreis schließen.“
Unter dem Begriff „Frühe Kindheit“ werden alle Angebote der Lebenshilfe zusammengefasst, die sich an Kinder vom Säuglingsalter bis zur Einschulung richten. Dazu zählen neben Kinderkrippe und Kindergarten die Frühförderstellen in Amberg, Sulzbach-Rosenberg und Schwandorf sowie die Beratungsstelle für Inklusion und das Projekt Harl.e.kin. Ein multiprofessionelles Team aus Heil- und Sozialpädagogen, Ergo- und Physiotherapeuten, Psychologen sowie Logopäden arbeitet hier Hand in Hand. Gemeinsam lassen sie ihr gesamtes Wissen einfließen, um jedes Kind auf seinem Entwicklungsstand abzuholen und zu fördern. Immer eng mit eingebunden sind die Familien.
Mit Blick auf ihre Zeit bei der Lebenshilfe, die mit einem Praktikum im Heilpädagogischen Zentrum anfing, sagt Merkl: „Mich freut am meisten, dass wir es über die Jahre hinweg geschafft haben, Strukturen aufzubauen, die es uns möglich machen, heute allen Familien ein wohnortnahes Angebot für ihre Kinder zu bieten – und das schnell und unbürokratisch.“ Für ihre Zeit nach der Lebenshilfe hat sie schon konkrete Pläne: „Ich werde mein Elternhaus, einen ehemaligen Bauernhof, Stück für Stück renovieren und freue mich, mehr Zeit mit meiner zwei Jahre alten Enkelin verbringen zu können.“
Die neue Leitung für den Bereich „Frühe Kindheit“ steht auch bereits fest: Melanie Dietrich. Die 42-jährige Diplom-Heilpädagogin bringt viel Erfahrung mit. Zuletzt war sie in Hamburg tätig und hat dort zwei Frühförderstellen aufgebaut, bevor sie 2019 aus familiären Gründen wieder in ihre Heimat nach Amberg zurückgekehrt ist. Für Merkl ist sie die „richtige Frau zur richtigen Zeit“, und auch Dietrich freut sich auf ihre neuen Aufgaben: „Die Kultur der Lernbereitschaft und Offenheit, die ich hier vorfinden durfte, werde ich gemeinsam mit meinem Team weiterführen.“ Insbesondere freut sie sich, gemeinsam mit ihrem Team und Netzwerkpartnern das Thema Inklusion weiter voranzubringen.
Auszeit für Eltern
Und noch ein zweiter Abschied steht an: Hildegard Legat, Leiterin der Offenen Behindertenarbeit, geht zum September in Rente. Gemeinsam mit ihrem Team und einigen ehrenamtlichen Helfern sorgte sie in den vergangenen 30 Jahren dafür, dass Menschen – unabhängig von der Schwere ihrer Behinderung – aktiv am gesellschaftlichen und kulturellen Leben teilhaben und Eltern so kleinere und größere Auszeiten vom Alltag nehmen konnten. „Diese Verschnaufpausen sind für alle Familienmitglieder wichtig“, weiß die gelernte Erzieherin. Das Freizeit- und Ferienprogramm, das sie für dieses Jahr auf die Beine gestellt hat, umfasst 80 Seiten. Neben Reisen und Kursen, in denen der richtige Umgang mit Laptop und Smartphone geübt wird, steht sie Eltern auch beratend zur Seite.
„Ein ganz wichtiger und von den Eltern gern angenommener Service ist unsere Tag- und Nachtbetreuung“, so Legat. In dem Backsteinhaus in der Friedrich-Ebert-Straße stehen eigens dafür neun Schlafmöglichkeiten zur Verfügung. „Bevor wir diese modernen Räumlichkeiten hatten, haben wir in den Anfängen improvisieren müssen und in den Sommerferien Klassenzimmer zu Schlafräumen umfunktioniert“, erinnert sich die 63-Jährige zurück.
Doch nicht nur Improvisationstalent war in all den Jahren gefragt. Vor allem ihrer Kreativität und Beharrlichkeit sowie ihrem Verhandlungsgeschick sei es zu verdanken, dass der Begriff Inklusion keine leere Worthülse geblieben sei, sondern über die Jahre mit Leben gefüllt wurde, so die Vorsitzende des Landesverbandes der Lebenshilfe Bayern Barbara Stamm in ihrer Rede. Bestes Beispiel sei das von Legat ins Leben gerufene Projekt „Wundernetz“, das Menschen mit und ohne Behinderung zahlreiche Begegnungsmöglichkeiten biete und dafür mit dem Inklusionspreis ausgezeichnet wurde. Aber auch für andere Projekte wie europaweite Flugreisen sei Legat Wegbereiterin gewesen, so Stamm bei der Überreichung der Ehrennadel.
Nach ihrem Ausstieg im September wird Hildegard Legat sich in ihrem neuen Projekt „Wundernetz/Demokratie“ weiterhin für Inklusion und Teilhabe ehrenamtlich engagieren. Die Weichen für die Zukunft der Offenen Behindertenarbeit hat sie gestellt – in Sabine Reithmair sei eine engagierte Nachfolgerin gefunden worden. Die 52-Jährige stammt aus der katholischen Erwachsenenbildung, unterstützt bereits seit einigen Jahren aktiv das „Wundernetz“ und freut sich auf die neue Herausforderung.
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