Insgesamt vier Wochen, noch bis 30. August, ist eine Studentengruppe rund um Viviane Diederich im Ackerbürgerhaus am Werk. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin der Otto-Friedrich-Universität Bamberg plant und leitet zusammen mit Rainer Schreg, Lehrstuhlinhaber der Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit an der Uni Bamberg, das deutsch-tschechische Forschungsprojekt. Es trägt den Titel "Socioeconomic spaces crossing borders: Archäologische Untersuchungen in einer Stadt an der bayerisch-tschechischen Grenze". Das grenzüberschreitende Projekt wird durch die bayerisch-tschechische Hochschulagentur (BTHA) gefördert und läuft drei Jahre.
Auf deutscher Seite steht Bärnau im Fokus der Forschung, auf tschechischer Seite Paulusbrunn. Auf beiden Seiten der Grenze werden Kulturgut, Wechselwirkung zwischen Stadt und Land, soziale Strukturen und Infrastruktur - hier besonders die Goldene Straße im Blick - untersucht.
Zudem stellt die 28-jährige Archäologin, die aus Marburg stammt, das Ackerbürgerhaus in den Mittelpunkt ihrer Doktorarbeit. Während im Februar, zu Beginn des Projekts, der Titel ihrer Dissertation noch nicht feststand, präzisierte sich das Thema während der ersten von drei Grabungen (Kampagnen) immer mehr. Ihre Arbeit überschreibt sie mit "Stadtarchäologie und Öffentlichkeit - Bürger schaffen Wissen". Neben der archäologischen und wissenschaftlichen Arbeit selbst informiert die Doktorandin über soziale Medien und auf einem Blog über ihre Funde und Erkenntnisse.
Geschichte vor Ort
"Die Grabungen hier sind ein wichtiger Meilenstein", betont Alfred Wolf, Chef-Heimatunternehmer und Vorsitzender des Vereins "Via Carolina - Goldene Straße". Derzeit wird in zwei Räumen im Haus gegraben sowie im Hinterhof. Dort versuchen die Bamberger Studenten, Funde zu heben, die Aufschluss über das frühere Leben in Bärnau geben. Die Gruppe will zudem weitere Belege für das Braurecht am Haus sowie Handwerksbetriebe finden. Auch die Bauphasen des Gebäudes interessieren. "So können wir die Stadtgeschichte entschlüsseln", sagt Wolf. Die Geschichte des Anwesens in der Bischof-Senestrey-Straße 2 reicht bis ins späte Mittelalter zurück. Das "Zintl-Haus", wie die Bärnauer das Ackerbürgerhaus nennen, sei eines der ältesten, größten und somit bedeutsamsten Häuser der Stadt. Das Ackerbürgerhaus kann also Hinweise über den städtischen und vor allem häuslichen Alltag seit dem 14. Jahrhundert bis in die Neuzeit und Moderne geben. "Wir wollen die Bürger für die Geschichte vor Ort interessieren", erklärt Wolf.
Die aktuelle Lehrgrabung als Teil der Bauforschung läuft den ganzen August. Beschäftigt sind dort zwischen fünf und sieben Leute. Der Tag für die Studenten um Viviane Diederich beginnt um spätestens 7.30 Uhr und endet um etwa 16 Uhr. Am Abend geht es an die Dokumentation. Dazu gehören etwa die Vermessung und detaillierte Beschreibung der Stücke. Zudem werden für jede Schicht Fotos und Zeichnungen angefertigt. Während der Lehrgrabung verbringt Diederich den ganzen Monat, abgesehen von den Wochenenden, in Bärnau. Ansonsten war sie im vergangenen Semester meist ein, zwei mal im Monat für eine Woche oder einzelne Tage in der Oberpfalz.
Zahlreiche Funde
Nach akribischer Recherche und Vorbereitung, wo am ehesten Funde zu erwarten sind, arbeitet sich die Gruppe an bis zu 20 Quadratmeter großen Stellen durch das Erdreich. Die Fußbodenschichten werden Zentimeter um Zentimeter abgekratzt und abgetragen. In den beiden Innenräumen kamen bis jetzt alte Münzen zum Vorschein, schmucke Metallbeschläge von Türen oder Kisten, massenhaft Muschelreste, aus denen Knöpfe gefräst wurden, Tierknochen sowie -zähne, verschiedene Keramikscherben vom 16. bis 21. Jahrhundert, kleine Glasfläschchen, Textilreste sowie Schuhe. In einer Ecke stießen die Archäologen auf einen Keramiktopf aus dem 16. bis 18. Jahrhundert. Das besondere: Darin wurde eine Nachgeburt bestattet - ein neuzeitlicher Brauch, vor allem aus Baden-Württemberg bekannt.
Auch einzelne Sedimentproben lässt die Doktorandin auf parasitäre Reste untersuchen. "Das könnte einen Hinweis auf Krankheiten von damals geben." Alles hält Diederich in einem Grabungstagebuch fest.
Bauplan steht
Seit 32 Jahren steht das Ackerbürgerhaus leer. "Überall gibt es versteckte Hinweise. Die Gesichte ist noch da, das Haus ist wie eine Zeitkapsel", freut sich die Grabungsleiterin. Und: "Die Fragen kommen mit dem, was man sieht", erklärt sie. Nach vier bis sechs Wochen Grabung fängt die Arbeit erst an. Diese wissenschaftliche Aufarbeitung, Einordnung und Analyse der Funde nimmt Diederich im Archaeo-Centrum in Bärnau vor.
Neben den Kreativräumen und der Mitmachbrauerei soll im fertigen Ackerbürgerhaus ein Heimatmuseum entstehen. Dort wird die wissenschaftliche Arbeit als Dauerausstellung präsentiert. "Das ist auch das schöne für die Studenten: Sie können von der Konzeption bis zur Ausstellung alles mitmachen", betont die wissenschaftliche Mitarbeiterin. Ende 2020 soll der Treffpunkt fertig sein. "Der Bauplan für das Ackerbürgerhaus steht nun weitestgehend", bestätigt Wolf.
Von Landesamt für Denkmalpflege über Heimatunternehmen, Verein Ackerbürgerhaus, Archaeo-Centrum und Geschichtspark, Architekten der Machbarkeitsstudie, Archäologen deutscher und tschechischer Universitäten sowie das Bärnauer Architektur- und Ingenieurbüro "Roider + Sollfrank" sind viele Stellen am Projekt beteiligt. Förderungen beantragte Diederich sowohl bei der Stadt, dem Bezirk und dem Freistaat.
Zwei weitere Kampagnen
Das grenzüberschreitende Forschungsprojekt läuft noch bis 2021. Geplant sind zwei weitere Kampagnen. Im kommenden Frühjahr nimmt sich Diederich mit einer weiteren Studentengruppe die denkmalgeschützte Kirche St. Elisabeth (Kappl) vor. Das Gotteshaus liegt auf einem Hügel vor den Toren der Stadt, am alten Weg nach Thanhausen, der einstmals Teil der Goldenen Straße war. Ein Oberflächen-Scan, der das Gelände im Relief zeigt, lässt um die Kappl herum eine kreisrunde Erhöhung erkennen. Deshalb vermuten die Experten, dort Überreste einer Turmhügelburg zu finden. Die dritte Kampagne soll wieder im Ackerbürgerhaus stattfinden, im Mittelpunkt stehen dann entweder die Fehlböden oder die Keller-Stollen. Weitere Bilder: www.onetz.de/2826125
Ehrenamtlich bei Grabungen helfen
Besonders beim Forschungsprojekt ist, dass Laien und Heimatinteressierte einfach mitgraben können. "In nächster Zeit könnten wir noch helfende Hände gebrauchen", sagt Grabunsleiterin Viviane Diederich von der Universität Bamberg. Sie erklärt dann, was Archäologen machen und was man bei den Grabungen beachten muss.
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