Bechtsrieth
26.10.2018 - 08:56 Uhr

Alltag einer Blinden

Wie kennt ein blinder Mensch im Supermarkt die Sachen, die er kaufen will? Wie findet er sich im Wirtshaus zurecht? Wo sind Knödel, Salat und Fleisch auf dem Teller? Banale Dinge, deren Bewältigung Kinder in Staunen versetzt.

"Such Tür", sagt Kerstin Schubert zu Hündin Nora. Die führt sie durch die Stuhlreihen aus dem Klassenzimmer raus. Bild: fz
"Such Tür", sagt Kerstin Schubert zu Hündin Nora. Die führt sie durch die Stuhlreihen aus dem Klassenzimmer raus.

Die Welt eines erblindeten Menschen zeigte Kerstin Schubert aus Neumarkt den Kindern der dritten Bechtsriether Grundschulklasse. Die 48-Jährige ist vor Jahren durch einen Unfall erblindet. Sie ist verheiratet und hat zwei Söhne. Für den Bayerischen Blinden- und Behindertenbund arbeitet sie ehrenamtlich und betreut Menschen, die frisch erblindet sind.

In zwei Stunden faszinierte sie die Kinder und band sie aktiv ein.

2000 Blinde und Sehbehinderte Menschen gibt es in Deutschland - meinten die Kinder. Sie schüttelten ungläubig den Kopf, als sie erfuhren, dass 500.000 Menschen betroffen sind. Schubert hatte ihre Golden-Retriever-Hündin Nora mitgebracht. Die Blindenführhündin sei ihre beste Freundin. 200 Euro, denken die Kinder, kostet so ein Hund kostet - wieder falsch. Es sind zwischen 26.000 und 28.000 Euro. Nora kennt 40 Befehle. Bei "Such Zebra" bringt sie ihr Frauchen Kerstin Schubert zum Zebrastreifen. "Ich sage 'Such Platz', dann bringt sie mich an einen freien Platz im Bus, Zug oder auch im Lokal." Schwierig sei der Befehl "Such Ampel", erklärte Schubert: "Sie sucht eine Ampel, kann aber nicht entscheiden, ob rot oder grün ist." Nora müsse sich am Signal orientieren und wenn keines da ist, am Verkehr, oder an Leuten, die neben ihr gehen. Das sei ein Problem, weil es Menschen gibt, die bei Rot einfach loslaufen. Wenn Schubert zu Nora sagt "Bring mich zum Bäcker oder Metzger", tut sie das in Neumarkt. Hier ist sie trainiert. Der Hund kann das aber nicht in Regensburg oder Weiden.

Die Kinder waren beeindruckt und fasziniert zugleich. "Wie erkennen Sie dann im Supermarkt, was Se kaufen wollen", wollten die Schüler wissen. "Es gibt einen Laser, der die Strichcodes scannt, oder ich lasse mir von Leuten helfen", antwortete Schubert. Sie erzählte den Kindern, dass sie einen speziellen PC mit Sprachausgabe habe sowie eine sprechende Uhr, die ihr die Zeit sagt. Erstaunen pur, als die Kinder erfahren, dass es Bilderbücher für kleine erblindete Kinder gibt, die diese durch Riechen und Fühlen „anschauen“ können. Die Übung, mit geschlossenen Augen ein Glas Wasser einschenken, war für eines der Mädchen fast unmöglich. Schubert behilft sich, in dem sie einen Finger dabei in das Glas hält und so weiß wie voll es ist. Auch für den Schweinebraten im Lokal hat sie einen Trick: Sie lässt sich sagen, dass die Knödel auf dem Teller auf sechs Uhr liegen, das Fleisch auf zwölf Uhr und der Salat auf drei Uhr.

Wie schenke ich mir ein Glas Wasser ein? Das Mädchen versucht es mit geschlossenen Augen. Bild: fz
Wie schenke ich mir ein Glas Wasser ein? Das Mädchen versucht es mit geschlossenen Augen.
 
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