Burglengenfeld
12.12.2020 - 16:08 Uhr

Landratsamt greift durch: Neuer Pflegedienst für von Corona gebeutelte Seniorenresidenz in Burglengenfeld

Keine Chance auf Verlegung: Die Bewohner bleiben in der Seniorenresidenz Naabtalpark, die sich zum Corona-Hotspot entwickelt hat. Bei der Betreuung zieht der Landkreis aber die Reißleine.

Ausgerüstet mit Schutzanzügen sorgten Helfer des THW am Samstagabend in der Seniorenresidenz Burglengenfeld für eine Eingangsschleuse. Bild: Hirsch
Ausgerüstet mit Schutzanzügen sorgten Helfer des THW am Samstagabend in der Seniorenresidenz Burglengenfeld für eine Eingangsschleuse.

Die Führungsgruppe Katastrophenschutz am Landratsamt Schwandorf hat zusammen mit der Heimaufsicht alle möglichen externen Aufnahmekapazitäten geprüft, um Bewohner der akut von Corona betroffenen Seniorenresidenz Naabtalpark Burglengenfeld zu verlegen – erfolglos. Für eines der betroffenen Häuser konnte der Träger, die Unternehmensgruppe Sozialwerk Heuser, die Betreuung nicht mehr gewährleisten. Am Samstag übernahm diesen Bereich der Ambulante Intensivpflegedienst Bayern (A.I.B.) aus Regensburg. Er ist bis Donnerstag, 17. Dezember, 8 Uhr vom Landratsamt eingesetzt. Dann soll wieder die Unternehmensgruppe Heuser übernehmen.

Wie Landratsamtssprecher Hans Prechtl am Samstagnachmittag mitteilte, sei bei allen umliegenden Landkreisen wegen einer Verlegung angefragt worden. Die Fühler wurden auch nach Ober- und Mittelfranken ausgestreckt. Es konnte aber keine Einrichtung gefunden werden, die Bewohner aus Burglengenfeld aufnehmen könnte. Um Personal zu finden, hatte das Landratsamt bereits am Freitag einen Aufruf gestartet. Kontakt wurde auch zu Alten- und Krankenpflegeschulen und zu den Pandemiebeauftragten aufgenommen. Nun scheint das Problem vorerst gelöst.

Ein größerer Stab war am Samstagnachmittag vor Ort im Heim, das aus mehreren Häusern besteht. Der Leitende Notarzt, die Heimaufsicht, das Gesundheitsamt und auch die Polizeiinspektion Burglengenfeld verschafften sich erneut einen aktuellen Überblick und besprachen sich im Freien über das weitere Vorgehen. Ein paar Meter weiter stand ein Rettungswagen bereit, Sanitäter waren in Schutzanzügen mit Kapuze unterwegs. Mit bangem Blick verfolgte eine Seniorin von einem der wenigen erleuchteten Fenstern aus, was sich hier abspielt. Das Haus "Herzog Philipp" hatte sich in der vergangenen Woche zu einem Hotspot entwickelt hatte: Von 42 Bewohnern wurden 37 positiv auf das Coronavirus getestet, außerdem ein Großteil des Pflegepersonals.

Weitere Reinigungsaktionen sind notwendig, um die hygienische Situation weiter zu verbessern.

Pressesprecher Hans Prechtl zur Situation in Burglengenfeld

Pressesprecher Hans Prechtl zur Situation in Burglengenfeld

"Wir stellen heute einen weiteren Hilfeleistungsantrag an die Bundeswehr und hoffen, dass das Kontingent, das uns bereits seit Monaten hervorragend unterstützt, erweitert werden kann", berichtete der Landratsamtssprecher am Samstag. Drei weitere Heimbewohner mussten notfallmäßig in Krankenhäuser verlegt werden, ein Bewohner ist inzwischen verstorben. Um weitere akute Notfälle möglichst zu vermeiden, soll im Heim täglich eine ärztliche Sichtung durch einen Arzt erfolgen. Da das örtliche Krankenhaus in Burglengenfeld bereits vollständig belegt ist, wurden die Patienten auch in die Kliniken in Schwandorf und Amberg eingeliefert.

Kritik an Kooperationsbereitschaft

Im Laufe des Wochenendes gab es zunächst Kritik an der Kooperationsbereitschaft der Unternehmensgruppe Sozialwerk Heuser, diese sei "leider nicht optimal" hieß es in einer Pressemitteilung. Dann der Paukenschlag: Heuser geht, AI.B. übernimmt. "Die Führungsgruppe Katastrophenschutz und die Heimaufsicht am Landratsamt Schwandorf haben um 18.42 Uhr eine einsatztaktische Entscheidung getroffen, nachdem eine dem Träger des Heimes gesetzte Frist zur eigenverantwortlichen Regelung der Betreuung der Bewohner, die um 17 Uhr endete, ergebnislos und deutlich überschritten war und auch nicht mehr zu erwarten war, dass sich eine andere Lösung ergeben könnte", so die Information in einer Pressemitteilung am Samstagabend.

THW baut Eingangsschleuse

Auch eine umfassende Gebäudereinigung wurde verfügt. "Die Entscheidungen wurden zur Abwendungen konkreter Gefahren für die Gesundheit der Bewohner im Wege der Ersatzvornahme getroffen", heißt es weiter. Die Beauftragung von A.I.B. erfolgte durch das Landratsamt, die Regensburger Helfer hätten allerdings erst aufgrund der nun herrschenden "klaren Verhältnisse" eingewilligt, berichtete Prechtl und verweist auf "beste Referenzen" des nun zuständigen Pflegedienstes. "Da es sich um eine aufsichtliche Maßnahme handelt, hat das Sozialwerk Heuser dem Landratsamt alle Kosten zu erstatten, die sich aus dieser Beauftragung ergeben", teilt Pressesprecher Prechtl mit. Das gilt auch für die Kosten, die nun durch eine vom Landratsamt beauftragte Reinigungsfirma entstehen. Diese hatte sich am Samstagabend bereits um den ersten Stock gekümmert und ihre Arbeit am Sonntag fortgesetzt. "Weitere Reinigungsaktionen sind notwendig, um die hygienische Situation weiter zu verbessern", so die Pressemitteilung vom Sonntag. Schon am Samstagabend war außerdem das THW mit drei Fahrzeugen und 13 Helfern vor Ort und baute Eingangsschleusen zur Einrichtung auf, in denen die Schutzkleidung gewechselt werden soll. Die Helfer hatten dabei mit einem Presseauflauf zu kämpfen, der vor der Einrichtung entstanden war.

Strafrechtlich relevant?

Nach Rücksprache mit der Sanitätseinsatzleitung hatte man vorübergehend ins Auge gefasst, zwei Bewohner in eine Pflegeeinrichtung des RKT (Regensburger Krankentransporte) nach Wald im Landkreis Cham zu verlegen. "Mit der jetzt gefundenen Lösung erübrigt sich das", so die Pressemitteilung. Noch nicht geklärt ist, ob es für den Träger der Burglengenfelder Einrichtung weitere Konsequenzen gibt. Wie der Pressesprecher am Landratsamt mitteilt, ist die Polizei zur Unterstützung der Heimaufsicht vor Ort, sie protokolliere aber auch Feststellungen. "Klar ist aber, dass derzeit die Betreuung der Bewohner Vorrang hat und dass zu einem späteren Zeitpunkt zu bewerten sein wird, ob den Vorkommnissen im Heim eine strafrechtliche Relevanz zukommt", so Prechtl.

Probleme in der Zusammenarbeit mit der ortsansässigen Küche des bisherigen Trägers wurden laut Prechtl gelöst, Getränke über das Rote Kreuz in Burglengenfeld beschafft. Da nach der Übergabe keine Arbeitskleidung mehr im betroffenen Gebäude vorgefunden wurde, stellt diese nun A.I.B. zur Verfügung. Für den Bedarf an Medikamenten hoher Priorität wurden heute ab 13 Uhr Rezepte durch eine Burglengenfelder Arztpraxis erstellt. Zum Bedarf der „Priorität 1“ gehören auch Stoff- und Eimalwaschlappen, die laut Landratsamt nur begrenzt verfügbar waren. Bis zur Wäscheanlieferung Anfang der Woche hilft das BRK-Heim in Burglengenfeld aus. "Wenn ein Heim für ein paar Tage einer anderen Trägerschaft unterstellt wird, sind viele Punkte abzuarbeiten", gibt der Pressesprecher zu bedenken. Das sei ein normaler Vorgang, der nicht überbewertet werden dürfe. "Wir haben es unter tatkräftiger Mithilfe fleißiger Kräfte geschafft, Antworten auch dort zu finden, wo keine Fragen zu erwarten waren", so die Bilanz.

Hintergrund:

124 neue Infektionen am Freitag und Samstag

  • Infektionen: 49 am Freitag, 75 am Samstag.
  • Inzidenz: 190,03 (Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit); 140,0 (RKI)
  • Todesfälle: verstorben ist ein 67-jähriger Bewohner der Seniorenresidenz Naabtalpark in Burglengenfeld.
  • Quarantäne: Am Samstag eine neunte Klasse am Gymnasium Oberviechtach, ab sofort eine erste Klasse der Grundschule Ettmannsdorf, eine vierte Klasse der Grundschule Wernberg-Köblitz, die Deutsch-Kombiklasse der Mittelschule Teublitz und eine fünfte und neunte Klasse an der Mittelschule Schmidgaden
  • Gesamtzahl der Fälle: 2834
Gegen Abend rückte in der Burglengenfelder Seniorenresidenz das Technische Hilfswerk an, um Eingangsschleusen zu dem von Corona-Infektionen betroffenen Haus zu errichten. Bild: Hirsch
Gegen Abend rückte in der Burglengenfelder Seniorenresidenz das Technische Hilfswerk an, um Eingangsschleusen zu dem von Corona-Infektionen betroffenen Haus zu errichten.
Um weitere akute Notfälle möglichst zu vermeiden , soll in der von Corona arg gebeutelten Burglengenfelder Seniorenresidenz täglich eine ärztliche Sichtung erfolgen. Bild: bl
Um weitere akute Notfälle möglichst zu vermeiden , soll in der von Corona arg gebeutelten Burglengenfelder Seniorenresidenz täglich eine ärztliche Sichtung erfolgen.
Seit Freitagabend mussten drei weitere Heimbewohner notfallmäßig in Krankenhäuser verlegt werden. Bild: cv
Seit Freitagabend mussten drei weitere Heimbewohner notfallmäßig in Krankenhäuser verlegt werden.
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Burglengenfeld11.12.2020
 
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