Die Werbeprospekte sind bunt und auf Hochglanzpapier gedruckt. An den einprägsamen Versprechungen darauf haben wohl gut bezahlte Texter lange gefeilt. Der Kunde soll sich ganz sicher sein, dass er mit dem hochangepriesenen Versicherungsprodukt genau die richtige Wahl getroffen hat. Aber wie sieht's aus, wenn es ernst wird? Halten die Versicherer im Schadensfall, was die Marketingabteilungen mit so viel Aufwand den Verbrauchern glauben machen wollen?
"Das geht überhaupt nicht. Das Werkstattrisiko trägt der Schädiger. Die Versicherung kann nicht einfach die Kosten der Werkstatt kürzen", sagt Werner Buckenleib zu einem der häufigeren Streitpunkte, wenn er Schadensabrechnungen von Versicherungen prüft. Der auf Verkehrsrecht spezialisierte Rechtsanwalt muss bei den Fällen seiner Mandanten immer wieder feststellen, dass Versicherungskonzerne versuchen, die Schadenssummen zu drücken. Bestimmte Wiederholungstäter kann er dabei nicht ausmachen. "Das zieht sich durch alle Versicherungen", weiß der in Weiden ansässige Jurist.
Werkstatt-Rechnung
Nicht selten kürze ein Haftpflichtversicherer nach einem Kfz-Schaden die von einer Werkstatt in Rechnung gestellten Reparaturkosten wegen angeblich überzogener Preise. Dabei sei es ganz klare Rechtslage, dass unerwartet hohe Werkstattrechnungen im Risikobereich des Schädigers liegen und damit von dessen Haftpflichtversicherung beglichen werden müssen. Gleiches gelte für Sachverständigenkosten. "Solange keine Anhaltspunkte gegeben sind, dass die in Rechnung gestellten Kosten unverhältnismäßig sind, muss die Versicherung zahlen", sagt Buckenleib.
Auch die Verweisung auf günstigere Werkstätten ohne die Angabe einer Referenzwerkstatt sei ein offensichtlicher Versuch, die Schadenszahlungen trotz anderslautender Rechtslage zu kürzen. Und selbst wenn Referenzwerkstätten aufgeführt würden, habe der Geschädigte jedenfalls bei neuwertigen Fahrzeugen, die nicht älter als drei Jahre und scheckheftgepflegt seien, Anspruch auf die Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt. Der BGH habe im sogenannten Porsche-Urteil aus dem Jahr 2003 zudem festgestellt, dass dieser Grundsatz auch bei fiktiver Abrechnung Gültigkeit hat. Also dann, wenn der Geschädigte sein Fahrzeug gar nicht reparieren lässt, sondern die für die Reparatur notwendigen Kosten aufgrund eines Kostenvoranschlags oder eines Gutachtens beim Schädiger einfordert.
Ein weiterer klassischer Konfliktpunkt aus der Praxis: die Berechnung der Mietwagenkosten. Grundsätzlich gibt es zwei Methoden: nach der Fraunhofer-Liste oder nach Schwacke. Während erstere eher geringere Beträge vorsieht, sei Schwacke mietwagenfreundlicher. Welche Methode am Ende durchsetzbar sei, hänge von dem jeweils zuständigen Amtsgericht ab. Laut Fraunhofer-Liste gibt es für ein Fahrzeug der Klasse 6, was etwa einem VW Passat entspricht, für sieben Tage 270 Euro, umgerechnet also gut 38 Euro am Tag. "Manche machen auch eine Mischung aus beiden Modellen", weiß der Prozess-erprobte Anwalt. Das werde dann als "Fracke" bezeichnet. Am Weidener Amtsgericht sei Fraunhofer mit einem Zuschlag von 20 Prozent gängige Praxis.
Rat beim Anwalt
"Für den Verbraucher ist das völlig undurchschaubar", sagt Buckenleib, der bei fremdverschuldeten Kfz-Schäden grundsätzlich zum Gang zum Anwalt rät. "Der Kunde hat ein Recht, sich die Anwaltskosten erstatten zu lassen", betont der Jurist. Das regle der allgemeine Schadensersatzanspruch des Bürgerlichen Gesetzbuches, der dem Geschädigten die zur Schadensbehebung erforderlichen Kosten zuspricht, also auch die Kosten für die rechtliche Beratung und Durchsetzung der Ansprüche.
Genauso wie im Bereich der Sachversicherungen, gibt es auch bei den Personenversicherungen wie der Kranken- oder Unfallversicherung im Schadensfall reichlich Konfliktpotenzial. Etwa bei der Feststellung des Invaliditätsgrades nach einem Unfall kommt es auf die perfekte Verzahnung juristischer und medizinischer Fachkenntnisse an - ein Bereich, auf den sich die Regensburger Kanzlei Glufke-Böhm & Partner spezialisiert hat. "Zunächst steht nach einem Unfall die Meldung bei der Unfallversicherung an. Hier ist noch nicht entscheidend, welches Ausmaß die Verletzungsfolgen haben. Allein entscheidend ist, dass ein Unfall nach den Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen der jeweiligen Versicherung vorliegt", erklärt Rechtsanwalt Dominik Engelhardt.
Meldefristen
Üblicherweise werde ein Unfall als ein plötzlich, von außen auf den Körper wirkendes Ereignis definiert, das eine unfreiwillige Gesundheitsschädigung zur Folge hat. "Hier lauert bereits der erste Fallstrick: Je nach Unfallversicherung gelten für die Meldung des Unfalls an die Versicherung Fristen von zwölf bis 48 Monaten. Wird diese Frist versäumt, sind sämtliche Ansprüche gegenüber der Unfallversicherung ausgeschlossen", warnt der Partner der Regensburger Kanzlei.
Schon beim Ausfüllen des Unfallformulars der Versicherung komme die zweite Hürde. Der Bundesgerichtshof hat sich in einem Urteil aus dem Jahr 2015 (Az. IV ZR 104/13) mit den genauen Anforderungen an die Meldung befasst: "Die fristgebundene ärztliche Invaliditätsfeststellung muss die Schädigung sowie den Bereich, auf den sich diese auswirkt, ferner die Ursachen, auf denen der Dauerschaden beruht, so umreißen, dass der Versicherer bei seiner Leistungsprüfung vor der späteren Geltendmachung völlig anderer Gebrechen oder Invaliditätsursachen geschützt wird und stattdessen den medizinischen Bereich erkennen kann, auf den sich die Prüfung seiner Leistungsverpflichtung erstrecken muss."
"Im Klartext bedeutet das, dass an die Invaliditätsanmeldung sehr hohe Ansprüche gestellt werden und eine Nichtbeachtung dieser Vorgaben zum Ausschluss des Leistungsanspruches führen kann", sagt Engelhardt. Meist füllt der Arzt das Formular aus. Allerdings seien dem die Anforderungen an die Invaliditätsmeldung in den seltensten Fällen bewusst. In der Regel wird nach den dauerhaften Folgen des Unfalls gefragt und an welchen Körperteilen diese Beeinträchtigungen bestehen. Konkret bedeutet das: "Heißt es in der Invaliditätsanmeldung lediglich, dass der Arm betroffen ist, ist damit auch nur eine Schädigung des Armes angemeldet. Dass sich aufgrund der Verletzung des Armes unter Umständen auch Auswirkungen auf das Schultergelenk ergeben, spielt mangels erfolgter Anmeldung nach Ablauf der Fristen keine Rolle mehr", sagt der Jurist. Er empfiehlt, das Formular nicht direkt vom Arzt an die Versicherung senden zu lassen, sondern einen Versicherungsmakler oder Anwalt mit der Überprüfung zu beauftragen.
Weitere Prüfung
Werde der Leistungsantrag dennoch abgelehnt, könne sich eine weitere Prüfung für den Versicherten lohnen. Beispielsweise sei ein Dauerschaden oft nicht sofort nach einem Unfall nachzuweisen. Hierfür sehen die Versicherungsbedingungen die Möglichkeit vor, einen Dauerschaden bis zu drei Jahre nach dem Unfall nachzuweisen - natürlich nur, wenn die Anmeldung des Unfalls innerhalb der oben genannten Frist erfolgt ist.
Kommt die Versicherung zu dem Ergebnis, dass grundsätzlich eine Leistungspflicht gegeben ist, so gibt es unterschiedliche Vorgehensweisen. In den meisten Fällen wird die Versicherung einen Gutachter beauftragen, um das Ausmaß und damit die Höhe der späteren Zahlung festzulegen. Liegt dieses Gutachten vor, rechnet die Versicherung anhand des darin bestimmten Invaliditätsgrades ab.
"Hierbei ist wichtig zu wissen, dass das Ergebnis dieses Gutachtens nicht in Stein gemeißelt ist und für den Versicherten unter keinen Umständen bindend ist", betont Engelhardt. Oftmals lohne sich eine ausführliche Überprüfung. In vielen Fällen lege sich die Versicherung bei der Einholung eines Gutachtens auf ein bestimmtes Sachgebiet - wie zum Beispiel den orthopädischen Bereich - fest. Sind daneben beim Versicherten jedoch Nerven geschädigt worden, bleibe dies völlig unbeachtet und führe im Ergebnis zu einem geringeren Invaliditätsgrad und einer geringeren Zahlung.
Abfindungsangebot
In manchen Fällen verzichtet die Unfallversicherung zunächst auf die Einholung eines Gutachtens und unterbreitet dem Versicherten ein Abfindungsangebot. "Gerade hier sollte der Versicherte hellhörig werden und seinen Versicherungsmakler oder Anwalt um Hilfe bitten", empfiehlt der Rechtsanwalt. Denn in den meisten Unfallversicherungen sei eine Progression vereinbart. Das heißt, dass ab einem gewissen Ausmaß der Schädigung (Invaliditätsgrad) eine Steigerung der vereinbarten Zahlung stattfindet. "Auffällig ist bei solchen Abfindungsangeboten, dass diese oftmals so gewählt sind, dass die Progression - und damit eine höhere Zahlung - nicht erreicht wird", sagt Engelhardt. Oftmals würden diese Angebote mit dem Hinweis auf eine Vorschädigung unterbreitet. Allerdings habe nicht jede Vorschädigung Einfluss auf den Invaliditätsgrad. Das sei nur dann der Fall, wenn sich die Vorschädigungen noch auswirken, nicht jedoch wenn diese völlig ausgeheilt seien.
"Da nach einem Unfall viele Hürden zu nehmen sind und die Betroffenen allein aufgrund der Verletzungen oftmals stark belastet sind, ist in jedem Fall der Kontakt zum Versicherungsmakler oder Anwalt zu empfehlen, damit die Vorsorge durch den Abschluss einer Unfallversicherung nicht zum Ärgernis wird", rät der Rechtsanwalt. (bgm)














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