Kommunalwahlen in Tschechien: Pilsen vor Wechsel an der Stadtspitze

Eger (Cheb)
20.09.2022 - 12:11 Uhr
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Am Freitag und am Samstag wählen die Tschechen die Kommunalparlamente. Dies könnte mancher Oberpfälzer Partnergemeinde einen Wechsel der politischen Vertreter bescheren. So sieht es in Eger, Marienbad und Pilsen aus.

Im tschechischen Eger, der Nachbarstadt von Waldsassen (Landkreis Tirschenreuth), treten bei der Kommunalwahl an diesem Freitag und Samstag neun Parteien an. Neben den landesweit etablierten Parteien wie der wirtschaftsliberalen und eher euroskeptischen ODS, der populistischen ANO-Partei, die nicht in die klassische Links-rechts-Einordnung passt, den Piraten, den Kommunisten und den Rechtsextremisten (SPD), sind auch regionale Parteien darunter, wie etwa die regierende „Wahl für die Stadt Eger“. Diese stellt den amtierenden Bürgermeister Antonín Jalovec.

Kommunalwahlen finden in Tschechien alle vier Jahre statt und dauern zwei Tage. Die Wahltermine sind landesweit einheitlich. In diesem Jahr sind es der 23. und 24. September. Ein tschechischer Bürgermeister wird nicht direkt vom Volk gewählt, sondern von der jeweiligen Gemeindevertretung beziehungsweise Stadtvertretung. Er kann maximal acht Jahre, also zwei Legislaturperioden, im Amt bleiben. Das ist für Antonín Jalovec. den Bürgermeister von Eger, Motivation es noch einmal zu versuchen und sein Amt zu verteidigen.

Frau fordert Amtsinhaber in Eger heraus

Konkurrenz bekommt der Gymnasiallehrer und Amtsinhaber von unerwarteter Seite: Mit der Partei VOK (Wahl für den Bezirk) tritt die Direktorin der 6. Grundschule in Eger, Štěpánka Černá, an. Černá ist zwar politisch ein absoluter Neuling, könnte aber eine andere Perspektive in die Kommunalpolitik einbringen. Ihrer Meinung nach gibt es immer noch nicht genug Frauen in der Politik. Ein Blick in die Statistik bestätigt das. Nur ein Drittel der Kandidaten der bevorstehenden Kommunalwahlen sind Frauen.

Laut einer Umfrage der Tageszeitung "Deník" werden die Heiz- und Energiekosten das wichtigste Thema bei den diesjährigen Kommunalwahlen in Eger sein. Unter den Nägeln brennt der tschechischen Grenzstadt aber auch das Thema Abwanderung der Fachkräfte. Mit entscheidend wird bei der Wahl sein, welche Ideen die Kandidaten haben, um angenehme Lebens- und Arbeitsbedingungen zu schaffen, die junge und gut ausgebildete Menschen in der Stadt halten könnten.

Marienbad braucht erschwingliche Wohnungen

Die Abwanderung wird auch bei der Kommunalwahl im tschechischen Marienbad ein Thema sein. Auch dort möchte der amtierende Bürgermeister, Martin Kalina von der Piratenpartei, seinen Posten verteidigen. Zur Wahl stehen – ebenso wie in Eger – neun Parteien. Die gleichen etablierten Parteien wie in Eger und ebenfalls Parteien mit Regionalbezug zur Stadt Marienbad wie etwa die Partei „Veränderung für Marienbad“.

Kalina sieht den Hauptgrund für die Abwanderung darin, dass der Bezirk Karlsbad keine Universität zu bieten hat. Diese Tatsache kann der Kommunalpolitiker selbst nicht ändern, für die weiterführenden Schulen und Universitäten ist der Bezirk zuständig.

Der Politiker der Piratenpartei setzt aber darauf, dass Marienbad durch bezahlbaren Wohnraum und ein modernes und attraktives Angebot an Grundschulbildung für junge Familien attraktiver wird. Dabei kämpft die Stadt mit der Tatsache, dass sie nicht über einen großen Wohnungsbestand verfügt, da frühere Stadtverwaltungen diesen veräußert hatten.

Alkoholverbot in der Öffentlichkeit in Pilsen

In der Statutarstadt Pilsen stellen sich 14 Parteien zur Wahl – neben den etablierten Parteien ebenfalls Gruppierungen, die konkret die Stadt selbst im Fokus haben. Der bestehenden Koalition aus KDU-ČSL (Christlich-Demokratische Union, die eine soziale Marktwirtschaft nach deutschem Vorbild anstrebt), ANO, ODS, liberal-konservativen TOP 09, einer rechten Abspaltung von den Christdemokraten, und den Sozialdemokraten steht seit Anfang des Jahres Oberbürgermeister Pavel Šindelář von der ODS vor. Er will das Amt aber nicht verteidigen.

Nun geht die ODS mit David Šlouf als Spitzenkandidat in der Koalition „SPOLU“ (Gemeinsam) mit der TOP 09 und der KDU-ČSL ins Rennen. Dieser hat gemeinsam mit Roman Zarzycký, dem Vorsitzenden der ANO-Kandidatenliste die besten Chancen auf den Chefsessel im Rathaus.

In Pilsen werden Infrastrukturthemen sowie die Frage der öffentlichen Sicherheit die Kommunalwahlen dominieren. Die Stadtpolizei soll gestärkt werden – unter anderem mit mehrsprachigen Fußpatrouillen, das Verbot des Alkoholkonsums in der Öffentlichkeit soll strikt durchgesetzt werden und ein kostenloser ÖPNV sowie der Erhalt des Kulturzentrums „Peklo“ stehen ebenfalls auf der Agenda.

Hintergrund:

Kommunalverwaltung in Tschechien

  • Welche Organe gibt es? Neben dem Bürgermeister beziehungsweise bei Statutarstädten dem Oberbürgermeister (Primátor) gibt es die Gemeindevertretung (zastupitelstvo) und den Rat der Gemeinde (rada), der wie der Bürgermeister von der Gemeindevertretung gewählt wird.
  • Was wird gewählt? Bei den Kommunalwahlen bestimmen die Bürgerinnen und Bürger die Gemeindevertretung. Diese hat je nach Einwohnerzahl 5 bis 55 Mitglieder.
  • Wer darf antreten? Kandidieren kann jeder, der das 18. Lebensjahr vollendet hat und selbst das Wahlrecht ausüben darf.
  • Was wird bezahlt? Tschechische Kommunalpolitiker erhalten monatlich zwischen 52,50 Euro und 5774 Euro. Die Höhe hängt von der Größe der Kommune ab und davon, ob das Amt in Vollzeit oder Teilzeit ausgeübt wird. So bekommt beispielsweise der Prager Oberbürgermeister (Primátor) den Höchstsatz von 5774 Euro brutto.
  • Wie viele Gemeinden gibt es? In Tschechien ist die Verwaltung kleinteiliger strukturiert als in Deutschland. Im vergangenen Jahr gab es 6258 Kommunen, darunter 608 Städte, darunter wiederum 26 Statutarstädte sowie 229 Marktgemeinden.
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