Wird das Mehl knapp? Online-Shop geht wegen Hamsterkäufen vom Netz

Eisersdorf bei Kemnath
14.04.2022 - 13:59 Uhr
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In Supermärkten ist Mehl seit Wochen Mangelware. Grund zur Sorge? Bei einer Mühle im Kreis Tirschenreuth war die Nachfrage derart groß, dass die Müllerin Telefon und Online-Shop lahmlegt. Warum Mehl-Hamstern trotzdem unnötig ist.

Etwas einsam sehen sie aus: Die letzten beiden Packungen Roggenmehl in einem Kemnather Supermarkt. In den leeren Regalen, wo sich üblicherweise das Mehl in all seiner Vielfalt präsentiert, steht seit ein paar Wochen ein Schild, auf dem zu lesen ist: "Die Schustermühle hat genügend Mehl, aber die Petra kommt mit dem Nachfüllen nicht hinterher." Ist dem wirklich so? Gibt es im Landkreis Tirschenreuth ausreichend Mehl? Und ist horten wirklich sinnvoll?

"Es ist nach wie vor der pure Wahnsinn", sagt Müllermeisterin Petra Schuster aus Eisersdorf. Vor gut vier Wochen war es, "als hätte jemand den Schalter umgelegt". Plötzlich und wie aus dem Nichts, waren die Hamsterkäufer zurück. Seitdem mahlt nicht nur die Mühle im Dauerbetrieb, auch Petra Schuster und ihre Mitarbeiter fahren Sonderschichten, um der schlagartig gestiegenen Nachfrage gerecht zu werden.

Telefonstecker gezogen

In den ersten Wochen waren während der Öffnungszeiten durchgehend Kunden im Mühlenladen. "Als ich ans Telefon gegangen bin, hat sich im Laden eine lange Schlange gebildet", blickt Mitarbeiterin Sandra Schraml zurück. Die Anfragen über das Telefon und dem Online-Shop explodierten förmlich. Petra Schuster zieht die Reißleine – oder besser den Stecker. Zeitweise nimmt sie das Telefon vom Netz.

Der Verkauf über das Internet wird für zwei Wochen eingestellt. "Wir sind mit dem Nachfüllen nicht mehr hinterhergekommen", sagt sie. Inzwischen ist der Online-Shop wieder verfügbar, aber mit dem Hinweis, dass die Bearbeitungszeit bei einer Woche liegt.

Keine Angst vor Hungersnot

Mittlerweile habe sich die Situation in der Schustermühle wieder leicht entspannt. Mehl ist weiterhin gefragt, wie die buchstäblich warmen Semmeln. Schuster hat sich deshalb entschieden, vorerst nur die "Klassiker" wie Roggen-, Weizen- und Dinkelmehl herzustellen. Dass sich die Menschen große Vorräte an Mehl oder Sonnenblumenöl anlegen, kann sie nicht verstehen. "Hamstern ist nicht notwendig", sagt sie und gibt Entwarnung. In Deutschland wird das Getreide im Sommer geerntet, das Mehl, welches daraus entsteht, habe "schon immer bis zum nächsten Jahr für alle gereicht". Das wird auch heuer so sein. Sie bittet deshalb darum, in allen Bereichen "normal einzukaufen".

Ähnlich sieht es auch Patrick Kutzer. "Das Mehl wird in Deutschland nicht knapp", sagt der Bäckermeister und Geschäftsführer vom Backhaus Kutzer aus Konnersreuth. Auch vor einer Nahrungsmittelknappheit, geschweige einer Hungersnot müsse sich keiner fürchten. Er rät von Hamsterkäufen ab. Das heize die Situation nur weiter an. Auch wären die Preise derzeit so hoch, dass sich das Horten von Lebensmitteln nicht lohnen würden.

Getreidepreis verdoppelt

Die Situation bliebe aber dennoch für alle schwierig. Der Krieg in der Ukraine hat auf den weltweiten Getreidemarkt Einfluss. Der Preis schnellte mit Beginn des Krieges in die Höhe. Rund 400 Euro kostet derzeit eine Tonne Weizen an der internationalen Börse. 200 Euro je Tonne waren es noch vor einem Jahr. "Die Getreideknappheit betrifft aber nicht die Versorgung in unserer Region", erklärt Kutzer.

Das Mehl für seine Backwaren bezieht sein Betrieb fast ausschließlich von zwei Lieferanten, die ihr Getreide von Landwirten in der Region Gäuboden und Bamberg erhalten. Für ihn ist klar: sollte sich die Situation nicht bald beruhigen, wird eine Preiserhöhung bei den Grundnahrungsmitteln nicht ausbleiben. "Die Kostensteigerung kann unmöglich durch Einspar- oder Rationalisierungsmaßnahmen in den Griff bekommen werden."

Backwaren aus dem Supermarkt

Die steigenden Kosten für Rohstoffe bekommen auch die Bäckereien im Landkreis zu spüren. "Die Preise für Mehl, Butter, Zucker, Sahne oder Käse sind zum Teil um die Hälfte gestiegen", sagt Bäckermeister Manuel Neugirg aus Reuth. Knapp werde das Mehl in den Bäckereien aber in absehbarer Zeit nicht. "Wir haben keinen Engpass und keine Lieferschwierigkeiten", sagt er.

Wie bei den Verbrauchern steigen aber auch bei ihm die Preise für Heizung und Sprit. "Es ist eine Spirale, die sich immer weiter nach oben schraubt und für uns Bäckereien zum Drahtseilakt wird", sagt der stellvertretende Obermeister der Bäckerinnung der Kreishandwerkerschaft Nordoberpfalz. Das mache sich auch bei den Kunden bemerkbar. "Viele achten jetzt mehr auf ihren Geldbeutel und sparen bei den Lebensmitteln", sagt er. Deshalb gebe es nun einen leichten Trend, dass Kunden häufiger zu den günstigeren Backstationen in den Supermärkten abwandern.

Hintergrund:

Das richtige Mehl für jeden Anlass

  • Weizenmehl Type 405: feines, helles Mehl für sehr helle Backwaren wie Kuchen, Kekse oder Stollen
  • Weizenmehl Type 550: sehr gute Back-Eigenschaften, als Vielzweckmehl verwendbar, für Brot, Semmeln, Kuchen
  • Weizenmehl Type 1050: Mischbrote und Backwaren
  • Dinkelmehl Type 630: ähnlich wie Weizen 550, vielseitig einsetzbar
  • Roggenmehl Type 997, 1150: Brot
 
 

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