Landtagsabgeordnete Anna Toman findet's toll. Sie hat das mutige Mädchen am Arbeitsplatz besucht. Wer vom Berufsbild "Industriemechaniker Instandhaltung" hört, denkt unweigerlich an kräftige, breitschultrige Männer in blauen Latzhosen, ölverschmiert und mit einem schweren Werkzeug unterm Arm unterwegs. Mit einer zierlichen jungen Frau wird dieser Job gewiss nicht in Verbindung gebracht.
Ein Klischee, das in der Porzellanfabrik Seltmann Erbendorf sehr charmant gebrochen wird: Anna Lorenz, 15 Jahre jung, lernt seit vergangenem Jahr "Industriemechanikerin Instandhaltung". Damit ist die junge Dame zweifelsfrei in Erbendorf in eine Männerdomäne eingedrungen und hat gleichzeitig der Berufsbezeichnung mit einem "in" am Ende zur weiblichen Variante verholfen.
Toman von Bündnis90/Die Grünen aus Bärnau weiß davon nichts. Zufällig aber möchte sie am Mittwochnachmittag Seltmann besichtigen. Ihr Grund: Zum jährlichen "Girls'- und Boys' Day" will sich die Parlamentarierin über die Ausbildungssituation im Landkreis am Beispiel Erbendorf informieren. Speziell interessieren sie Frauenarbeitsplätze. Umso größer ist ihre Freude, dass sie mit ihrer Vornamensvetterin Anna Lorenz gleich ein lebendes Beispiel bekommt, das nicht alltäglich ist. Toman und ihre Begleiterinnen, Kreisrätin Lisa Rauh, Kreisvorsitzende Heidrun Deubzer-Schmelzer sowie Mitarbeiterin Tina Winklmann, treffen Anna in der Trainingswerkstätte.
Die Auszubildende erzählt von ihrem Praktikum während der Schulzeit bei Seltmann. Gleichzeitig habe sie ein Praktikum im Kindergarten gemacht. "Ich dachte immer, ich möchte Kinderpflegerin werden. Aber nach Seltmann habe ich sofort gewusst: Das ist es", erzählt die 15-Jährige mit lebhafter Stimme. "Mir gefällt es hier saugut", fügt sie im burschikosen Ton an und strahlt übers ganze Gesicht. Anfangs sei es nicht immer leicht gewesen in der reinen Männerdomäne, gibt Anna Lorenz offen zu. "Aber unsere Anna hat bis heute durchgehalten", kommentiert Ausbilder Andreas Hoffer. Ihn habe das Mädchen bereits während ihres Praktikums überzeugen können, sagt er.
Bedenkenlos habe man Anna einstellen können. Das bestätigen auch Betriebsleiter Christian Güntner und Personalleiter Christian Steiner. Anna schwärmt vom guten Betriebsklima, wo ihr alles super erklärt werde, was sie wissen müsse. Ihre Eltern hätten die Entscheidung problemlos akzeptiert, antwortet sie auf die Frage zur Reaktion im privaten Umfeld. "Meine Mama hat gesehen, dass ich Feuer und Flamme bin", so Anna. Für die Politikerin Toman ist es eine Freude, auf ein Mädchen zu treffen, das sich auf für sie unspezifisches Neuland gewagt hat. Interessiert lässt sie sich von Anna berichten, was deren Aufgaben im Betrieb sind. Von Anfang an sei sie in die Arbeitsabläufe integriert gewesen, erzählt Anna. Sie habe zugeschaut und auch immer wieder das Werkzeug selbst in die Hand genommen. Denn nur vom Zuschauen lerne man ja nichts. "Was mich hier fasziniert, sind die Arbeitsabläufe. Man macht etwas und kann zuschauen, dass am Ende Produktives herauskommt." Die Abgeordnete kann nur staunen über die Leidenschaft, mit der die 15-Jährige von ihrer Ausbildung erzählt. "Mit gefällt das, dass du hier als einzige Frau die Fahnenstange hochhältst", lobt sie das Mädchen.
Große Freude
Den Chefs spricht Toman ihre Hochachtung aus, ein Mädchen eingestellt zu haben. "Wir sind stolz, dass wir sie haben", antworten Personalchef Steiner und Betriebsleiter Güntner. Beide nutzen die Gelegenheit, vor der Abordnung an Politikerinnen den Fachkräftemangel anzusprechen, der auch der Porzellanfabrik Seltmann das Leben schwer macht.
Man sei ständig auf der Suche nach jungen Leuten. "Zum Beispiel fehlt uns ein Auszubildender für Industriekeramik, Fachrichtung Formgebung", sagt Christian Güntner, der als Keramikingenieur froh wäre, für diesen interessanten Beruf einen jungen Menschen gewinnen zu können. Bei einem Altersschnitt von 47 Jahren unter den Betriebsangehörigen müsse man reagieren, sagen die Führungskräfte. Als neues Ausbildungselement geht Seltmann deshalb erstmals ins "Duale Studium", Fachrichtung Betriebswirtschaft. In Zusammenarbeit mit der OTH Weiden werde man in wenigen Wochen beginnen, berichtet Steiner,
"Wir sind stolz
Spannende Betriebsführung
Betriebsleiter Christian Güntner und Personalleiter Christian Steiner führten die „grünen“ Gäste durch die Fabrik, um ihnen die Produktionsabläufe sowie die Philosophie des Unternehmens nahezubringen. Steiner stellte die Christian-Seltmann-Porzellanfabrik als bodenständiges Familienunternehmen mit vier Standorten vor, das in der vierten Generation von Christian Seltmann geführt werde. Die Produktion laufe täglich 24 Stunden sieben Tage die Woche. „Bei uns ist die Welt noch ein klein wenig in Ordnung“, betonte Steiner. Firmenchef Christian Seltmann liege das Unternehmen sehr am Herzen. Als Standorte nannte Steiner Erbendorf, Weiden, Weißenbrunn und Tettau. „Unser Porzellan geht in 60 Länder, auch in die USA“, erklärte er weiter. In Erbendorf habe man sich 2009 auf die Weißfertigung konzentriert und den Betrieb mit einer hohen Investitionssumme modernisiert. Bei 250 Mitarbeitern sei der Mensch selbst hier noch wichtig, wenn auch die Produktion in Teilbereichen von Maschinen ausgeführt werde.
Stolz ist man bei Seltmann auf die Produktionsanlage mit 80 Industrie-Robotern. „Damit dürfen wir uns als eines der modernsten Werke Europas bezeichnen“, sagt Christian Güntner. Auf die Zweifel der Grünen-Vertreterinnen, ob die Roboter nicht kurz- oder langfristig zum Stellenabbau führen würden, antwortete Christian Steiner, diese Frage stelle sich hier in Erbendorf überhaupt nicht. Unter anderem erfordere dies auch der Fachkräftemangel, zumal kaum eine Änderung in den nächsten Jahren absehbar sei.
MdL Anna Toman wollte noch wissen, wie viele Schülerinnen zum Girls’-Day am heutigen Freitag angemeldet seien. Steiner berichtete von drei Teilnehmerinnen. 2018 seien es fünf gewesen. Aber er freue sich auch über drei, da immer die Möglichkeit bestehe, dass damit das Interesse für eine Berufswahl bei Seltmann geweckt werde.
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