Erbendorf
22.11.2018 - 11:20 Uhr

Rosenduft für Zweitakt-Fans

Bei den Fahrern des MSC Stiftland befindet sich der Turbo-Puls immer auf Anschlag. Das Gelände in Pfaffenreuth ist ein wahres Paradies für die Extrem-Biker.

Hoch, höher, am höchsten – so sieht Motocross-Fahren bei den Profis aus. Bild: lst
Hoch, höher, am höchsten – so sieht Motocross-Fahren bei den Profis aus.

Das Surren hört sich an wie ein ganzer Schwarm Hornissen auf einer frischen, grünen Wiese. Doch die ist in Pfaffenreuth weit und breit nicht in Sicht. Denn die Kulisse auf dem Enduro-, Cross- und Trial-Gelände des MSC Stiftland zwischen Mitterteich und Neualbenreuth besteht aus braunem Lehm, in Plastik eingeschweißten Heuballen, Sprunghügeln und jeder Menge Staub.

Das dominierende seltsame Geräusch wird lauter, schriller – und die Luft vermengt sich schnell mit einem Öl-Benzin-Gemisch. Ganz klar: Rosenduft für Zweitakt-Fans. Im Fahrerlager steht ein amerikanischer Pickup mit drei Jungs, da ein Wohnmobil aus Neumarkt mit Mutter, Vater und Sohn. „Unsere Gäste kommen aus ganz Deutschland zu uns. Aus Stuttgart, Schwenningen, dem Allgäu und aus Oberbayern“, erzählt MSC-Vorsitzender Erich Seitz, der am Eingang des Büro-, Werkstatt- und Vereinsgebäudes wartet und übers Gelände führt.

Keine Straßenzulassung

Mit kurzen und kräftigen Gasstößen werden die Motoren der Cross-Maschinen auf Betriebstemperatur gebracht. Auf den Motorrädern mit den grobstolligen Reifen sitzen die Fahrer in ihrer "Ritter-(Aus)rüstung". Unter ihren Helmen, Brustpanzern, Ellbogen- und Knieschonern sind sie konzentriert bis in die Gashand. Die Zwei-Takt-Vergaser werden bis auf Anschlag aufgerissen, auf Höchstdrehzahl gehalten. Heute findet auf der Motocross-Rennstrecke des MSC Stiftland zwar kein Rennen statt, doch auch im Training wird mit dem nötigen Ehrgeiz ans Werk gegangen.

„Gefahren wird auf geländetauglichen Maschinen mit langen Federwegen und Stollenreifen. Eine MX-Maschine hat keine Straßenzulassung, da sie für den Wettbewerb ausgelegt ist, und keine Anbauteile wie Blinker, Licht, Ständer oder Kennzeichenhalter“, sagt Erich Seitz. „Es wird ausschließlich auf dafür vorgesehenen und immissionsschutzrechtlich genehmigten Strecken gefahren.“

So wie das in der Nähe von Pfaffenreuth. Das ehemalige Gelände der Schwefelkiesgrube „Bayerland“, die 1971 stillgelegt wurde, haben Erich Seitz und seine Mitstreiter 1998 als Eigentümer erworben und nach Rücksprache mit den zuständigen Behörden und der Forstverwaltung, mit der man bestens kooperiert, zum Motorsport-Übungsgeländes für Moto-Cross, Trial und Enduro umfunktioniert. Hier gehen seitdem Veranstaltungen mit 250 bis 300 Fahrern über die Bühne, zuletzt Mitte September die Bayerische Trial-Meisterschaften.

30 Meter durch die Luft

Nach einer langen Gerade und einer scharfen Linkskurve geht es über den ersten großen Sprunghügel. Die Fahrer fliegen mit ihren Maschinen in die Luft wie Bienen, bremsen beim Bodenkontakt abrupt ab und legen sich in die nächste Linkskurve. Zweiter, dritter, vierter, fünfter, sechster Gang. Hände und Schaltfuß kommen nicht zur Ruhe. Die Maschine beschleunigt und springt mit dem Fahrer wieder über zwei Hügel.

Erneutes Abbremsen und wieder eine Rechtskurve. Das rechte Bein schleift auf dem Lehmboden. Die Fahrer sind konzentriert, reißen wieder am Gashebel und geben ihren rund 100 Kilogramm schweren Maschinen die Sporen. Wieder Hügel, diesmal kleinere, und wieder jede Menge Kurven und Sprünge. Im Stand jagen die Motorradritter über das sogenannte Waschbrett, fliegen rund 20 bis 30 Meter durch die Luft und beginnen die 1760 Meter lange Runde wieder von vorn.

Strecke für Kinder und Anfänger

Das Gelände des MSC Stiftland ist schlichtweg traumhaft. Eine wunderschöne und gepflegte Strecke mit mehreren Sprunghügeln, schnellen Geraden, engen und schwierigen Passagen, Steilkurven und allem, was eine abwechslungsreiche und anspruchsvolle MX-Strecke ausmacht. Dazu kommt ein weitläufiges Fahrerlager, wo es sich hervorragend und ungestört campen lässt. „Es gibt auch mehrere Trial-Sektionen und einen Enduro-Pfad, wo es weniger auf Geschwindigkeit und Sprungvermögen als auf Fahrzeugbeherrschung und Geschicklichkeit ankommt“, berichtet Erich Seitz. Auch Kinder und Anfänger kommen auf ihre Kosten. Für sie gibt es eine kleine aber feine Strecke im Wald, wo sie ungestört von den großen „Überfliegern" trainieren können.

Für Erich Seitz hat sich die Faszination seines Sports in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten nicht verändert: „Die Sprünge sind größer geworden, aber im Großen und Ganzen ist immer noch das Gleiche da: Das Motorrad am Limit zu bewegen, oftmals die Schwerkraft außer Kraft zu setzen und sich mit Gleichgesinnten im Wettkampf zu messen. Das macht das Motocross-Fahren aus“, schwärmt er.

Gestartet wird bei Rennen in der 50-, 125- und 250-Kubikzentimeter sowie in der offenen Klasse. Die Maschinen unterscheiden sich nicht nur durch unterschiedliche Hubraumgrößen, sondern auch durch Leistung, Gewicht und Fahrwerk. Mit Serienfahrzeugen haben die Zweiräder allerdings nichts mehr gemein. „Geändert werden Gabel, Stoßdämpfer und Bremsscheiben. Die Gabelbrücke ist stabiler und das Motorrad ist dadurch spur-treuer“, erklärt der MSC-Chef die Technik. Bei rund 12000 Umdrehungen pro Minute geben die Zwei-Takter der Profis etwa 40 PS bei der 250-Kubikzentimeter-Klasse an das Hinterrad ab.

Fliegen wie eine Hornisse

Die Motorcross-Szene im Stiftland ist bunt gemischt: Neben Frauen und Männern, die Wettkämpfe bestreiten, sowie Hobbyfahrern mittleren Alters imitieren inzwischen schon Kinder ihre Vorbilder. Manches Talent trainiert pro Woche zwei bis drei Stunden. Dabei ist das Schönste das Fliegen – die Sprünge – und dabei so elegant zu erscheinen wie eine Hornisse.

Mit Volldampf aus der Kurve – eine perfekte Fahrt. Bild: lst
Mit Volldampf aus der Kurve – eine perfekte Fahrt.
Grobstollig und längere Federwege – die MX-Maschinen sind modifiziert. Bild: lst
Grobstollig und längere Federwege – die MX-Maschinen sind modifiziert.
Ein anstrengende Sache: Selbst die Könner brauchen mal eine Pause. Bild: lst
Ein anstrengende Sache: Selbst die Könner brauchen mal eine Pause.
 
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