Seit über 25 Jahren treffen sich die Sozialdemokraten der Steinwaldstadt zum traditionellen Fischessen am Aschermittwoch im Gasthof „Zur Hetsche.“ Ortsvorsitzende Brigitte Scharf freute sich auf den Hauptredner des Abends, den SPD-Kreisvorsitzenden Reiner Fischer. Unter den Gästen waren auch der stellvertretende Kreisvorsitzende Uli Roth aus Krummennaab sowie die ehemalige Landtagskandidatin Jutta Deiml.
Doch bevor Kreisvorsitzender Fischer seine Rede zur Politik in Kreis, Land und Bund begann, ließen sich die Genossen erst einmal die marinierten Heringe mit Kartoffeln schmecken. Dafür sprach Scharf der Gastwirtsfamilie Wöhrl ihren Dank für das vorzügliche Essen aus.
Rainer Fischer ist bekannt für seine Reime am Aschermittwoch. Auf die musste das illustre Publikum heuer aber verzichten. „Heute müssen wir auf unsere eigene Partei schauen“, stellte Fischer fest. Nicht rosig sähen die Umfragewerte der SPD in Bayern mit 6 Prozent und im Bund mit 15 Prozent aus. „Da hilft es nicht zu sagen, die anderen sind schuld“, so der Kreisvorsitzende. „Das haben wir uns selbst eingebrockt.“
Als Gründe nannte er die Hartz-IV-Gesetzgebung mit jahrzehntelangen Kernfehlern. „Die Wähler haben uns nicht verziehen, dass wir kein Geld für Arbeitslosengeld-Bezieher, dafür aber Milliarden für die Banken übrig gehabt haben“, so Fischer. „Die SPD hat zu spät umgedreht - Hoffentlich nicht zu spät.“
In der Großen Koalition müsse sich die SPD nach seinen Worten wieder etwas trauen. „Wir müssen sagen, was wir wollen und tun, was wir gesagt haben.“ Den Oberen der SPD riet der Kreisvorsitzende, die SPD solle sich auf wenige, aber wichtige Themen konzentrieren.
Für Fischer eine wichtige Frage sei die Erhöhung des Rüstungshaushalts auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. „Das sind 30 Milliarden Euro mehr“, stellte er fest. „Außer ihren sieben Kindern ist bei Uschi von der Leyen alles schief gegangen“, schrieb Fischer der Verteidigungsministerin in ihr Stammbuch. Als eine „Riesenschande“ bezeichnete er auch die „Bundeswehrflieger, die nicht fliegen“ sowie die Gewehre, die nicht schießen.
„Warum die Erhöhung des Rüstungshaushalts hinter verschlossenen Türen beschlossen wird, ist mir rätselhaft“, stellte Fischer weiter fest. „Denn das ist eine Schicksalsfrage.“ Mehr Wettrüsten habe in der Vergangenheit nicht mehr Frieden geschaffen. „Zudem muss Trump mal gesagt werden, dass die USA keine Besatzungsmacht mehr sind“, sagte er diesbezüglich. „Mit dem Slogan America First kann man keine Partnerschaft führen.“ Für ihn sei diese Politik eine Gefährdung der Friedenspolitik, die durch die Sozialdemokraten Brandt und Bahr begonnen wurde. „Die 30 Milliarden Euro werden uns woanders fehlen“, ist sich Fischer sicher. „Sieben Milliarden Euro für die Grundrente sind aber nicht übrig.“ Dies sei keine sozialdemokratische Politik. „Wir müssen aufhören mit dem Absenken des Rentenniveaus.“ Seiner Meinung nach helfe hier nur eine steuerfinanzierte Rente. „Unsere Nachbarn Österreich und Schweiz haben gute Modelle.“
Kreisvorsitzender Fischer sprach mit gerechten Steuern ein weiteres für die SPD wichtiges Thema an. „Wir brauchen keine Steuersätze, bei denen Reiche immer reicher und Arme immer Ärmer werden.“ Ein sinnvoller Ansatz sei auch die Bürgerversicherung. „Das wäre eine Solidargemeinschaft und wer kann da schon dagegen sein.“
Zukunftsweisend
„Für mich eine der wichtigsten Wahlen in nächster Zeit ist die Europawahl am 26. Mai“, stellte Fischer fest. Es seien Rechtsradikale ebenso dabei wie Verrückte. Da sprach er vor allem die Briten mit dem Brexit an. „Wir dürfen das europäische Parlament deshalb nicht nach rechts kippen lassen“, forderte er. „74 Jahre Frieden in Europa ist jedes Engagement für Europa wert“, stellte der Kreisvorsitzende fest.
Hart ging Fischer mit Manfred Weber ins Gericht und warf ihm „Scheinheiligkeit“ vor. Denn der Spitzenkandidat sitze mit dem ungarischen Orban in der Fraktion. „Und letzterer, Orban, ist als Hetzer und Antisemit bekannt.“ Deshalb dürfe Weber „nicht oberster Europäer werden.“ Fischer warb in diesem Zusammenhang auch für den SPD-Europakandidaten Ismail Ertug.
Fischer ging in seiner Rede am Aschermittwoch auch auf die Landkreispolitik ein. In Sachen Energiepolitik bezeichnete er die gegründete „Windenergie Landkreis Tirschenreuth GmbH & Co. KG“ als einen „Verein zur Verhinderung von Windenergie.“ Auch zu den Stromtrassen bezog Fischer Stellung. „Ohne Leitungen wird es halt nicht gehen, den Strom von Nord nach Süd zu bringen.“ Er fordert aber eine vernünftige Lösung. „Ich habe manchmal den Eindruck, es geht bei der ganzen Geschichte mehr um Entschädigungen für die Grundstückseigentümer als um die Umwelt.“
„Das Thema medizinische Versorgung steht mir Oberkante Unterlippe“, gab Fischer unumwunden zu. Zur Klinik-AG führte er aus, dass Weiden „massive Geschütze“ auffahre, während der Landkreis Tirschenreuth keine Initiativen ergreift, Meinungen zu bündeln. „Wir haben die AG in dieser Form nicht gewollt“, betonte Fischer. „Wir sind nicht stolz, was so alles eingetreten ist. Dennoch müssen wir aus diesen Bedingungen das Beste machen.“
Der SPD-Kreisvorsitzende forderte, dass im Kreistag diesbezüglich aktiver gearbeitet werden müsse. „Denn die Ziele des Landkreises müssen nicht deckungsgleich mit denen der AG sein.“ Er stellte fest, dass die Standorte insgesamt „nicht bombenfest“ seien.
Zum beabsichtigen Neubau der Steinwald-Klinik in Erbendorf führte Fischer aus, dass das gute Ergebnis und der gute Ruf des Hauses der Verdienst von Leitung und Mitarbeiter sei. „Ich gönne den Erbendorfern diese Einrichtung.“ Man müsse aber wissen, dass die Finanzierung durch die AG selbst zu tragen sei. „Und manches Versprechen wurde schon von der AG nicht gehalten.“
„Geht nach Hause. Ihr habt es nicht kapiert – Diese Aussage von Aiwanger ist ein Hohn für die SPD“, stellte Fischer abschließend fest. „Die sollen uns nicht so attackieren.“ Und für die Genossen hatte der Kreisvorsitzende noch persönliche Worte übrig. „Vor 50 Jahren trat ich in die SPD ein und seit 42 Jahren leiste ist in Stadt und Kreis sozialdemokratische Arbeit“, so Fischer. „Doch so schlecht wie derzeit stand es um unsere Partei noch nie.“ Das auch AfD-Gauland über die SPD spottet, sei für Fischer sehr bitter. „Doch rückblickend ist festzustellen, die Jahre ohne SPD waren die schlimmste Zeit für Deutschland.“
Als Dankeschön für seine Rede überreichte SPD-Ortsvorsitzende Brigitte Scharf an Fischer einen Sack Biokartoffeln aus der Region vom Mobilen Dorfladen. Nicht ohne Hintergedanken. „Denn Kartoffeln und die SPD haben etwas gemeinsam“, so Scharf. „Beides gibt es schon fast immer, so lange es sie gibt, gibt’s keine Not und in dunkelster Zeit treiben sie aus.“
Abschließend griff Scharf das Thema Rente auf. Der von der CDU/CSU geforderten Bedürftigkeitsprüfung erteilte sie eine Absage. „Denn die Rente ist keine Sozialhilfe.“ Vor allem Frauen leiden unter dem niedrigen Rentenniveau. Dies sei auch in der Steinwaldstadt spürbar. „Rund 1,1 Millionen Euro überweist der Bezirk jährlich in die Erbendorfer Altersheime für ungedeckte Heimkosten“, wusste sie. „Warum? Weil bei 80 Prozent der Frauen die Rente zu klein ist, um die Heimkosten zu bezahlen.“ "Haltet fest an den Idealen unserer SPD", forderte abschließend Ortsvorsitzende Scharf die Genossen auf. "Kämpfen wir für unsere Partei."
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