Die Organisatoren haben mit diesem abwechslungsreichen Angebot einen Nerv getroffen. Es ist 13.30 Uhr. Im ehemaligen Benefizium ist die Holztür zur „Faustinus-Stube“ nur leicht angelehnt. Draußen schüttelt der Wind die Planen, die ums Gerüst geschlungen sind. Das denkmalgeschützte Gebäude wird saniert, ist aber weiterhin nutzbar. Das nutzen die Senioren: Begleitet von leisem Gemurmel dringen Geräusche nach außen, als würde rhythmisch auf einen Tisch geklopft. Klingt das nach Kartenspiel? Natürlich.
Vier ältere Herrschaften klopfen einen zünftigen Schafkopf, weitere Senioren vergnügen sich mit Rommee, Bridge und Phase10. In der guten Stube, die mit den hohen Wänden und schlicht bäuerlicher Einrichtung an eine alte Wirtsstube erinnert, ist es schön warm. Jeden Dienstag wird eingeheizt für die Senioren, seit nahezu 30 Jahren.
Zuerst seien die Treffen nur ein Kaffeeklatsch gewesen mit vorheriger Seniorenmesse, sagt Marianne Reger. „Aber keiner muss zwingend in die Kirche, wenn man Kaffee und Kuchen will“, fügt sie lachend an. Vor zwei Jahren, erzählt die 79-Jährige, habe sie an jedem zweiten Dienstag Spielenachmittage angeregt. Ihr Angebot, unterstützt von der 72-jährigen Rosa Gruber, Pfarrer Martin Besold, Gemeindereferentin Roswitha Heining und Projektleiter Roland Lochner wurde ein Renner. „Heute sind aber nicht alle da“, schränkt Marianne Reger ein und zählt zwölf Leute. Ihr Vorschlag solle der Gedächtnisstütze dienen, sagt sie. Weil Spielen besser sei als Rätselraten oder Tanzen.
Die Erbendorferin hat damit den richtigen Nerv der Gleichaltrigen getroffen. „Wir sind ganz süchtig“, schmunzelt sie. Bestes Beispiel ist Berta Legat. Die 85-Jährige spielt mit Roland Lochner, Resi Bäumler (77) und August Fütterer (89) Schafkopf. „Ich dachte, ich brauche das nicht“, erzählt Berta Legat, dass sie lange kein Interesse hatte. „Jetzt bin ich von 100 Nachmittagen 99 Mal hier.“ Die betagte Dame, man höre und staune, hat im Lorettoheim im hohen Alter erst Schafkopf gelernt. „Meistens verliere ich halt“, sagt sie und zuckt gelassen mit den Schultern. Wen soll’s stören? In diesem biblischen Alter darf man verlieren, sooft man will. Die Schafkopfrunde ist ernsthaft bei der Sache, es geht um (ein wenig) Geld.
„Ich spül an Wenz“, ruft August Fütterer, 89 Jahre und vor Jahrzehnten Bürgermeister von Hauxdorf. Seit der Eingemeindung gibt‘s in Hauxdorf keinen Bürgermeister mehr. Der August sei jetzt hier ein Urgestein, lacht der Lochner. Er ist mit seinen 61 Jahren der Jüngling in der Runde. Lochner kommt als Leiter des Projekts „Aktiv generationenfreundliche Gemeinde“ regelmäßig vorbei. Sein Auftrag: Er kümmert sich unter anderem darum, den Erbendorfer Senioren schöne Unterhaltung, wie den Spielenachmittag zu bieten. „Kuchen gibt‘s nur beim Kaffeekränzchen“, sagt Marianne Reger, hat aber trotzdem heute welchen. Es ist ein Geschenk eines Geburtstagskindes. Rasch wird die leckere Überraschung aufgegessen, das Spielfieber pocht in den Adern. Am Tisch hinter den Schafkopfern spielt Anni Gruber mit einer Bekannten Bridge. Das Kartenspiel aus England braucht eigentlich vier Personen, nur sind heute zwei krank. „Und die anderen wollen nicht. Weil sie es nicht können“, wirft Anni Gruber stolz in die Runde. Sie hat’s von den Sportlerfrauen im Irchenriether Sportheim gelernt und gibt ihr Wissen darüber hier gern weiter. Am vierten Tisch rauchen vier Köpfe über den Karten von „Phase 10“. Wem das alles nicht reicht, kann auf Brettspiele zurückgreifen. „Mensch ärgere dich nicht“, „Elfer raus“ und „Rummikub“ warten auf Spielrunden. Aber heute sind die Kartenspiele begehrter. Während die Senioren bei Schafkopf, Bridge und Phase10 weiter auf die Tische klopfen, kocht Marianne Reger in der kleinen Teeküche nebenan frischen Kaffee. Koffeinfrei, versteht sich.
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