Michael Schneider aus Pullenreuth und Thomas Zernak aus Seybothenreuth sind regelmäßig im Wald unterwegs. Seit einiger Zeit nehmen sie dabei interessierte Teilnehmer mit und zeigen ihnen im Steinwald oder im Fichtelgebirge, was mit Waldbaden gemeint ist. "Ich bin am Fuße des Steinwaldes aufgewachsen. Als Kind war ich Schwammerl suchen oder im Wald spielen. Später bin ich mit dem Mountainbike dort herumgefahren", sagt Michael Schneider. Die Erinnerung an diese unbeschwerte Kindheit in der Natur hat den 48-jährigen Logistiker und Einkäufer bei Siemens in Kemnath geprägt.
Bei einem Seminar für Führungskräfte sei er auch mit Meditation konfrontiert worden, erzählt er von den Anfängen einer tieferen Auseinandersetzung mit effektiver Stressbewältigung. "Mich hat das sehr interessiert. Ich habe mich danach ausgiebig mit Tiefenentspannung befasst", sagt Schneider. Dabei sei er unter anderem auf Literatur über das sogenannte Waldbaden gestoßen.
Exkursion für Gruppen
Seither unternimmt Schneider wieder vieles davon, was er als Kind tat. Er erzählt, er sei in den Steinwald gegangen zum Meditieren und Entspannen und habe außergewöhnliche Plätze und Kraftorte gefunden. Er erwähnt Steinformationen, die ihn faszinierten und bei denen er länger verweilte. Mit dem IT-Softwarebetreuer und BLSV-Entspannungstrainer Thomas Zernak aus Seybothenreuth fand der Pullenreuther einen Gleichgesinnten.
Die Männer entschlossen sich, Waldbaden als Exkursionen für Gruppen anzubieten. Waldbaden entfache eine Tiefenentspannung durch Hören, Tasten, Riechen und Schmecken, erklären sie die Grundprinzipien. Das beginnt damit, dass die Exkursionsteilnehmer die Langsamkeit wieder entdecken sollen. Wer mitmacht, muss sich auf vier Kilometer Waldbaden einstellen. Das klingt grundsätzlich nicht allzu weit, nur hat es eben nichts mit Wandern zu tun.
Vier Kilometer Waldbaden heißt vier Stunden im Wald verbringen. Was in diesem Zeitraum zwischen Baumwipfeln und Moosteppichen geschieht, erinnert stark an Kindheitserlebnisse, wie Schneider sie beschreibt. Jedem stehe es offen, Bäume zu umarmen, Steine, Äste oder kleine Souveniere zu sammeln, barfuß zu laufen, durch einen Bach zu waten oder auf einem Baumstamm zu balancieren, sagt Schneider. Wie ein Kind dürfe man sich fühlen. "Wichtig ist, alles zurückzulassen, was den Kopf belastet."
An ausgewählten Orten wird Halt gemacht zum Riechen, Schmecken, Fühlen und um zu Meditieren. Da nicht alle mit Meditation vertraut seien, werde vorher alles genau erklärt. Nur sei während der Exkursion schweigen besser. Sinn sei es, den Drang zur Gesprächsbereitschaft ebenso wie das Handy oder eine Fotokamera bewusst wegzulassen, um nicht abgelenkt zu werden. Schneider und der 62-jährige Zernak sind drei Pfade im Steinwald und im Fichtelgebirge immer wieder abgelaufen, bis sie zufrieden waren mit der Wegführung. Dabei sei man sehr feinfühlig vorgegangen.
Denn nicht überall sei Waldbaden wirkungsvoll, sagen sie. Einen nicht zu unterschätzenden Anteil am Entspannungsfaktor soll der Wald selbst mit seinen würzigen Düften und erdigen Gerüchen übernehmen. In Japan werde Waldduft in Räume gepumpt zur Förderung der Gesundheit, berichten die Männer, was sie darüber in Fachliteratur gelesen haben. Die sogenannten Terpene, die eingeatmet werden, sollen positive Auswirkung auf Stress und langfristig auf Krankheiten wie Bluthochdruck oder Schlafverhalten haben. Vor und nach der Exkursion bestünde Gelegenheit zum Fragen stellen, sagt Zernak. Ansonsten werde das Gespräch auf ein Minimum beschränkt.
Zur Ruhe kommen
"Jeder braucht einen Ort zum Besinnen. Oftmals weiß man nicht warum. Aber man spürt es, wenn man diesen gefunden hat", erklärt Schneider, was er beim Waldbaden fühlt. Es gehe darum, innerlich wieder zur Ruhe zu kommen. Dann könne man zum Beispiel den Wind in den Baumwipfeln und das Rauschen eines Baches wieder hören oder das eigene Atmen intensiv erleben. "Das sind Alltagsdinge. Nur nimmt man sie nicht mehr bewusst wahr", bringt Schneider den Sinn von Waldbaden auf den Punkt. Dabei ist der Begriff durchaus wörtlich zu verstehen. Wie beim Eintauchen ins Wasser kann man in einen Wald eintauchen und stundenlang darin "baden".
Am 14. September
Das nächste "Waldbaden" findet am Samstag, 14. September, um 14 Uhr statt. Treffpunkt ist im Steinwald beim Wanderparkplatz Glasschleif. Als Ausrüstung sind festes Schuhwerk und regensichere Kleidung, lange Hosen, Getränke sowie ein Handtuch für eventuell nasse Füße erforderlich. Die Teilnahme kostet 15 Euro. Anmeldung sind per Telefon 0 92 34 97 41 23 bei Michael Schneider möglich. Ein weiterer Termin findet am 28. September in Seybothenreuth statt. Auch individuelle Führungen sind möglich.
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