Eschenbach
22.08.2018 - 16:45 Uhr

600 Jahre an 2 Wochenenden

"Eine Stadt feiert sich selbst": So könnte als Motto das Stadtjubiläum Eschenbachs vor 60 Jahren überschrieben werden. 600 Jahre "Stadt Eschenbach" werden damals gefeiert, an den Wochenenden vom 28. Juni bis 6. Juli 1958.

Die Deutsche Pfadfinderschaft St. Georg Eschenbach um Chorleiter Reinhold Knollmüller gewinnt den Singwettbewerb bei den Jugendtagen. Bild: exb
Die Deutsche Pfadfinderschaft St. Georg Eschenbach um Chorleiter Reinhold Knollmüller gewinnt den Singwettbewerb bei den Jugendtagen.

Von Johann Ott

Leider spielte das Wetter bei der Veranstaltung nicht mit: Vor allem an den Jugendtagen war es kalt und regnerisch. Der Besuch blieb deshalb allgemein etwas hinter den Erwartungen zurück.

Ein Vorbild für das Jubiläum war das Heimatfest von 1930, zwölf Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs. 1958 waren nach dem Zweiten Weltkrieg ebenfalls etwa zwölf Jahre vergangen. 1930 waren viele ehemaligen Eschenbacher, vor allem aus München, gekommen. Daran knüpfte Landrat Josef Decker in seinem Grußwort an: "Als Stadt zeigt sich Eschenbach nicht prachtbeladen voller berühmter Bauwerke, sie hat aber auch ihre Tradition, in der ehrbare und fleißige Bürger in guten und schlimmen Zeiten sich um eine stete Aufwärtsentwicklung bemüht haben. (..) gibt mir deshalb Anlass, alle diejenigen, die aus Eschenbach in die Fremde gezogen sind, einzuladen."

Aber auch das Jubiläum der Pressather nahmen sich die Eschenbacher zum Vorbild: 1955 war "1000 Jahre Pressath" gefeiert worden. Beides - das Heimatfest von 1930 und das Pressather Jubiläum - wollte die Rußweiherstadt übertrumpfen. Sie hatte ja auch einiges zu feiern. Um 100 Prozent war die Einwohnerzahl des Ackerbürgerstädtchens durch die Vertriebenen und Flüchtlinge gestiegen. Viele von ihnen waren integriert; neue Geschäfte, aber auch Industriebetriebe waren angesiedelt worden. Und die Neubürger hatten, anfangs nicht ohne Widerstand mancher Eschenbacher, eine Real- und eine Wirtschaftsschule gegründet. Ein neues Volksschulgebäude gab es seit 1952.

Mit den Wohnsiedlungen Am Stirnberg, Meierfeld, Kalvarienberg, an der Hohen Straße und am Zinkenbaum waren neue "Stadtteile" geschaffen. Neubauten für die Oberrealschule, aber auch für das Schullandheim (heute "Hotel am Rußweiher") standen vor der Vollendung. Nach dem Debakel für die Partei von 1948 "regierte" mit Walther Ficker wieder ein CSU-Bürgermeister.

Der Auftakt des Jubiläums war der Jugend gewidmet. Vor allem die Pfadfindergruppen aus der nördlichen Oberpfalz beeindruckten, hatten sie doch einheitliche Kluft und Banner/Fahnen. In Eschenbach wurde wochenlang wieder Gleichschritt geübt, der nach dem Dritten Reich verpönt war. Es gab am Samstag im Festzelt am Rußweiher einen Singwettstreit, den die Deutsche Pfadfinderschaft St. Georg (DPSG) Eschenbach gewann. Leiter des Chores war Reinhold Knollmüller. Als Preis gab es 25 DM. Der Bund Deutscher Pfadfinder Grafenwöhr (BDP) als Zweiter bekam 20 Mark.

Am Sonntag zelebrierte Jugendpfarrer Monsignore Anton Maier eine Feldmesse vor dem Rathaus. Nachmittags fand ein Festzug statt. "Besonderes Augenmerk erweckte das erste Auftreten der Eschenbacher Stadtkapelle. (...) Dem Chormeister Fred Schuhmann gebührt für seine Leistung alle Anerkennung", hieß es damals im Neuen Tag. Und weiter: "Im Hauptreferat appellierte Dr. Birkl vom Landesarbeitsamt Nürnberg an die Jugend, sich für das politische Geschehen zu interessieren und sich zu engagieren. Die politischen Parteien lebten aus der Jugend eines Volkes. (...) Pfarrer Jungtäubel stellte als Ziel der Jugendarbeit heraus, die Jugend in sauberem Geist zu erzielen. Die Jugendlichen sollten Schmutz und Schund von sich aus ablehnen."

Heute weiß man, dass die Jugend damals als "Ohne-mich"-Generation charakterisiert wurde. Viele wollten sich nicht mehr engagieren, weil man vom Missbrauch des Idealismus der Jugend im Dritten Reich noch wusste. Da war es schon wichtig, die Jugend wieder an die Demokratie heranzuführen. Pfarrer Jungtäubel erinnerte mit seinen Worten an die damals übliche Aktion "Gegen Schmutz und Schund", mit der Jugendliche aufgerufen wurden, ihre Comics etc. in "wertvolle Literatur" umzutauschen.

Kaiserlicher Herold auf einem Schimmel:

Der historische Festzug 1958 – 1930 hatten sich etwa 2000 Leute verkleidet – fing mit den Römern an und den Kreuzrittern, die an Eschenbach „vorbeigezogen“ sein sollen, streifte weitere Stationen des Mittelalters, besonders die Auseinandersetzungen mit dem Kloster Speinshart, und endete im 19. Jahrhundert.

Im Festspiel erwartete der Stadtrat vor dem Rathaus den kaiserlichen Herold, der mit einem Schimmel theatralisch den ganzen Stadtberg heraufritt. Er verkündete dem Magistrat des Marktes Eschenbach die Erhebung zur Stadt, was damals – neben der „Ehre“, sich „Stadt“ nennen zu dürfen – in erster Linie bedeutete, eine Stadtmauer bauen zu müssen. Bei diesem Festakt wurde dem ehemaligen Stadtpfarrer Maierhofer die Ehrenbürgerwürde verliehen, da er 1945 bei der Übergabe der Stadt an die Amerikaner die wichtigste Rolle gespielt habe.

Im Rückblick muss man den Festakt wohl als „Schwindel“ bezeichnen: Die Kostüme des Magistrats entsprachen eher dem Magistrat der Stadt Nürnberg um 1500 als einem Markt von etwa 300 Einwohnern um 1358, was Eschenbach war. Da kam das Spiel zur 625-Jahr-Feier 2013 der Wirklichkeit schon näher: Stadtverordnete und Bürgermeister traten in Arbeitskluft auf – auch wenn in Eschenbach danach kritisiert. Die Übergabe der Stadt an die Amerikaner 1945 wurde 1958 wohl ebenfalls zu einseitig interpretiert. Inzwischen gibt es viele Erzählungen davon.

Ein Festzug, der die Geschichte Eschenbachs von den Römern bis ins 19. Jahrhundert thematisiert, lockt beim Stadtjubiläum 1958 zahlreiche Bürger auf die Straßen. Unser Bild zeigt Bürgermeister Walther Ficker (vorne, Mitte) und den Stadtrat in historisierenden Kostümen – die allerdings eher dem Magistrat der Stadt Nürnberg um 1500 entsprechen als einem Markt von etwa 300 Einwohnern um 1358. Bild: exb
Ein Festzug, der die Geschichte Eschenbachs von den Römern bis ins 19. Jahrhundert thematisiert, lockt beim Stadtjubiläum 1958 zahlreiche Bürger auf die Straßen. Unser Bild zeigt Bürgermeister Walther Ficker (vorne, Mitte) und den Stadtrat in historisierenden Kostümen – die allerdings eher dem Magistrat der Stadt Nürnberg um 1500 entsprechen als einem Markt von etwa 300 Einwohnern um 1358.
Zwiespältig:

Aus heutiger Sicht ist der Eindruck vom Stadtjubiläum zwiespältig. 1958 stand er eher in der Tradition der historischen Feste des Bürgertums des 19. Jahrhunderts. Stilbildend für die Oberpfalz wirkte dabei auch das Festspiel „Amberger Blut“, das zu Beginn der Nazi-Herrschaft und Anfang der 1950er Jahre in Amberg aufgeführt wurde. Der „Tag der Jugend“ erinnerte viele Eschenbacher an Aufmärsche im Dritten Reich, wobei unbestritten ist, dass die Hitlerjugend Traditionen der bündischen Jugend, die bis um 1900 zurückreichen, übernommen hatte. Doch davon wusste man in den dörflichen Regionen der Oberpfalz nichts.

Das Wochenende erschien gleichzeitig als grandiose Vorstellung der katholischen Jugend, nicht wissend, dass auch wenn viele Jugendliche, die unter diesem „Etikett“ mitliefen, den Katholizismus aus der Zeit vor dem Hitler-Regime nicht mehr teilten. Die reale gesellschaftliche Situation war viel weiter. Aber das sollte der Gesellschaft erst 1968 bewusstwerden.

Auch am „Tag der Jugend“ gibt es einen Festzug, bei dem vor allem die Pfadfinder aus der nördlichen Oberpfalz in ihrer einheitlichen Kluft und mit ihren Bannern und Fahnen ins Auge stechen. Bild: exb
Auch am „Tag der Jugend“ gibt es einen Festzug, bei dem vor allem die Pfadfinder aus der nördlichen Oberpfalz in ihrer einheitlichen Kluft und mit ihren Bannern und Fahnen ins Auge stechen.
Festzug am "Tag der Jugend". Bild: exb
Festzug am "Tag der Jugend".
Bürgermeister Walther Ficker. Bild: exb
Bürgermeister Walther Ficker.
 
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