Aus Sicherheitsgründen hatte das „Sprengkommando“ die Bewohner der näheren Umgebung über ihr Vorhaben informiert: "Dora", das größte Geschütz aller Zeiten, sollte bei Menzenhof gesprengt werden. Auch die beiden Familien von Röthenlohe waren gehalten, vorsorglich in einer Kelleranlage Schutz zu suchen und die Detonation abzuwarten.
Als im Jahr 1979 Gerhard Taubes Buch „Eisenbahngeschütz Dora – Das größte Geschütz aller Zeiten“ erschien, widmete sich NT-Redakteur Heinz Hoffmannbeck der Geschichte dieses Stahlkolosses, der vor den anrückenden Russen von Rügenwalde aus an den Rand des Übungsplatzes Grafenwöhr in Sicherheit gebracht worden war. Er hielt diese Aktion für ein kleines Wunder an Organisation und zeigte sich überzeugt, dass die von der NS-Propaganda während des ganzen Krieges geheim gehaltene „Dora“ schließlich noch zu einer Weltsensation geworden war.
„Dora“ war das größte Geschütz aller Zeiten, in zwei Exemplaren bei Krupp in Essen hergestellt und bekannt geworden als „Knacker“ der als uneinnehmbar geltenden Land- und Seefestung Sewastopol im Sommer 1942. Einer der beiden stählernen Riesen – es konnte nie geklärt werden, ob das Sewastopol-Geschütz oder das zweite Geschütz, das nie zum Einsatz kam – endete in einem Waldstück bei Metzenhof unter dem Einsatz von Schneidbrennern.
Hoffmannbeck berichtet, dass Autor Taube im Gegensatz zu früheren Darstellungen das Resümee zieht, der Einsatz des Riesengeschützes sei bei der Erstürmung von Sewastopol keineswegs entscheidend gewesen. Der Aufwand an Erfindergeist, Technik, Planung, Organisation, Infrastruktur, Versorgung und Personal habe in keinem Verhältnis zum „Nutzen“ gestanden. Nach Sewastopol habe sich keine Gelegenheit mehr gefunden, das große Geschütz an der Front einzusetzen.
Das journalistische NT-Urgestein Hoffmannbeck zeigt sich in seinen Betrachtungen überzeugt, dass all das, was nach Meinung des Autors Taube Jahrzehnte danach geblieben ist, „das ist für Fachleute und interessierte Laien das Synonym für die spektakulärste Kanone überhaupt“. Militärisch sei diese Wunderwaffe Hitlers bei ihrer Indienststellung 1941 längst überholt gewesen. Das Beharren des „größten Feldherrn aller Zeiten“ auf die Entwicklung des Stahlkolosses müsse man als einen seiner verhängnisvollen Eingriffe in die Rüstungsplanung werten. Sein starrsinniges Festhalten an einer einmal getroffenen Entscheidung – als weit schlimmeren Fehlgriff erinnert Gerhard Taube in diesem Zusammenhang an den Führerbefehl, die erste einsatzfähige Düsenmaschine der Welt, die „Me 262“, als Blitzbomber zu verschleißen – habe die Geschichte der "Dora" wesentlich beeinflusst.
In dem Buch Taubes findet Hoffmannbeck auch Auszüge aus dem "Neuen Tag" aus dem Jahr 1975 und schreibt dazu: „Damals befassten wir uns mit dem Ende des Dora-Geschützes bei Metzenhof. Was uns dabei Josef und Georg Stock sowie Hans Grau von der Haselmühle aus ihren Erinnerungen berichten, wird hier im Wortlaut wiedergegeben: Unter anderem heißt es da: ‚Um die Mittagszeit dieses Tages – es war der 18. oder 19. April – hat es gerumst. Die Soldaten hatten ihren Auftrag erfüllt und das Geschütz gesprengt, bevor es den Amerikanern in die Hände fiel‘: Das Gleis, auf dem die Dora „starb“; gibt es nicht mehr. Und auch von dem größten Geschütz aller Zeiten ist nichts geblieben als die Erinnerung, abgesehen von einem kleinen Rest an Unterlagen in irgendwelchen Archiven“:
Seinen Lesern lieferte Hoffmannbeck umfangreiche weitere Informationen: Erst lange nach dem Einmarsch der Amerikaner war man an die Monate dauernde Beseitigung der Geschütztrümmer gegangen. Ungezählte Amerikaner und Einheimische, wie der ehemalige Weidener Oberlokführer Anton Bauer, ließen sich damals an der 80 Zentimeter messenden Rohröffnung sitzend fotografieren. Bilder dieser Art gingen rund um die Welt, füllten die Wochenschauen und Illustrierten von Siegern und Besiegten. Die letzten Überreste der "Dora" von Metzenhof wurden im Frühjahr 1950 abtransportiert und verschrottet. Einige Geschosse und Kartuschen sind in amerikanischen und britischen Museen noch heute zu finden.
Das Wunder der "Dora" habe darin bestanden, so sieht es Gerhard Taube, sie geheim zu halten. Sie sei 1942 vom Versuchsschießplatz Rügenwalde unentdeckt durch Russland bis zur Krim gerollt und sie sei in den letzten Kriegstagen ebenso ungehindert von der Ostsee bis in die Oberpfalz gekommen. Das zweite Geschütz endete in Lichtenau bei Chemnitz. In den Wehrmachtsberichten war die "Dora", das 1350-Tonnen-Geschütz auf 40 Achsen, nie erwähnt worden. Die NS-Propaganda, sonst mit Berichten über “Wunderwaffen“ nicht zimperlich, schwieg sie tot. Und auch weder die Russen noch die westlichen Alliierten wussten Konkretes über die überdimensionale Schießmaschine.
Dass man dieses Monstrum in letzten Kriegsmonaten noch von der Ostsee bis in die Oberpfalz in eine nicht einmal mehr scheinbare Sicherheit brachte, kommt einem Schildbürgerstreich gleich. Denn für die "Dora" gab es auch nicht einmal die Spur einer Chance zu einem nochmaligen Einsatz. Erstaunlich nur, dass der amerikanischen Luftwaffe, die in jenen Tagen den Himmel über Deutschland klar beherrschte, alles bombte, was ein einigermaßen lohnendes Ziel war, und deren Jagdbomber mit Vorliebe Eisenbahnziele angriffen, der Stahlkoloss in der Senke zwischen Metzenhof und Eschenbach entgangen war.
Wie gewaltig dieses Monstrum wirklich war, sei an einigen nüchternen Zahlen demonstriert: Kaliber 80 Zentimeter, Rohrlänge 32,48 Meter, Rohrgewicht mit Verschluss 400 Tonnen, Gesamtgewicht in Feuerstellung 1350 Tonnen, Länge über Puffer 47,30 Meter, Feuergeschwindigkeit drei Schuss pro Stunde, Gewicht der Panzergranate 7,1 Tonnen, Granatlänge (ohne Haube) 2,40 Meter, Eindringtiefe in gewachsenen Boden 32 Meter. Zur Bedienung der "Dora" zählten rund 500 Mann. Das Instellungbringen des Geschützes erforderte mehr als 3000 Mann auf Wochen hinaus. Vor Sewastopol verschoss "Dora" 48 Panzergranaten mit einem Gesamtgewicht von 360 Tonnen. In Feuerstellung benötigte man vier nebeneinander liegende Gleise. Der Riese wurde in fünf Zügen transportiert, die im einzelnen 539, 309, 293, 363 und 149 Meter lang waren.
Die "Dora", die ihr Ende in der Oberpfalz erlebte, war durchaus nicht Hitlers einzige Traumkanone. Am 24. Juni 1942 gab er den Auftrag, einen 1000- bis 1500-Tonnen-Panzer mit 80-cm-Rohr zu entwerfen. Das Ungeheuer sollte von vier U-Boot-Dieselmotoren angetrieben werden. In diesem Fall von Größenwahn des Führers blieb es allerdings beim Auftrag. Soweit die „Memoiren“ Heinz Hoffmannsbecks zum Eisenbahngeschütz "Dora", dem vor 75 Jahren zwischen Metzenhof und Eschenbach die letzte Stunde geschlagen hatte.
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