Eslarn
18.03.2020 - 10:52 Uhr

Amerikaner befreien Lipizzaner aus Gestüt in Hostau

Vortrag bei der Kolpingsfamilie: Ausgehend von Eslarn ereignete sich vor 75 Jahren im Zweiten Weltkrieg ein wahres Wunder.

Die Lipizzaner standen vor 75 Jahren bei einer Befreiungsaktion durch die 2. amerikanische Kavallerie im Fokus. Bild: gz (Archiv)
Die Lipizzaner standen vor 75 Jahren bei einer Befreiungsaktion durch die 2. amerikanische Kavallerie im Fokus.

An die Befreiung der Lipizzaner-Pferde im April 1945 erinnerte in Auszügen Bohuslav Balcar aus Domazlice bei einer Veranstaltung der Kolpingsfamilie im Pfarrheim. In Worten und Bildern beschrieb der Historiker den waghalsigen Einsatz der amerikanischen Soldaten, die für unmöglich gehaltene Kooperation mit deutschen Soldaten und die Befreiung der Edelpferde. An das Ereignis erinnert jährlich der grenzüberschreitende Staffellauf "Auf der Spur der Operation Cowboy" entlang der historischen Befreiungsstrecke vom bayerischen Eslarn zur tschechischen Stadt Hostoun. Gleichzeitig wollen die Organisatoren in Anwesenheit von Amerikanern, Tschechen und Deutschen an die gefallenen Soldaten des Zweiten Weltkriegs erinnern. Die weltbekannte Rettung der edlen Pferde wurde laut Balcar in Amerika sogar verfilmt. Das Treffen der Kolpingsfamilie in Eslarn mit dem Historiker Balcar im Pfarrheim hatte Josef Rupprecht arrangiert.

Dieses waghalsige Unternehmen der 2. amerikanischen Kavallerie kurz vor Kriegsende fand weltweite Bewunderung und wurde zudem von vielen Schriftstellern und Filmemachern als Grundlage verwendet. Schon in der österreichisch-ungarischen Monarchie befand sich in Hostau, dem heutigen tschechischen Hostoun ein militärisches Gestüt. Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen ins tschechische Böhmen im Oktober 1938 übernahm die deutsche Heeresverwaltung das böhmische Gestüt. Die bereits vorhandenen Bestände der berühmten und kostbaren Lipizzanerpferde wurden auf rund 500 Tiere ausgebaut und im böhmischen Hostau verborgen gehalten.

Die Pferde stammten teilweise aus der Spanischen Reitschule der Wiener Hofburg. Im Frühjahr 1945 hatten die amerikanischen Streitkräfte in Bayern bereits den Oberbefehl und die russische Armee marschierte unaufhaltsam in Richtung Westen. Die herannahende sowjetische Armee, die Gefährdung der Pferde durch die bevorstehenden Kriegskampfhandlungen und die Ungewissheit über die weitere Verwendung der edlen Lipizzanerpferde in Hostau ließ eine fast unmögliche Allianz zwischen amerikanischen und deutschen Soldaten, sowie einigen tschechischen Zivilisten keimen. Ausschlaggebend war auch, dass die Rote Armee die edlen Pferde zum Schlachthof führen wollte.

Den Befehl zur „Operation Cowboy“ soll der amerikanische General George S. Patton (1885-1945) im April 1945 gegeben haben, wonach die 2. Kavallerie auf tschechoslowakisches Territorium zur Befreiung der Pferde vorgedrungen ist. Ein Teil der damaligen zweiten US-Kavallerie soll am 28. April 1945 von Eslarn aus in Richtung Hostau aufgebrochen sein, ohne zu ahnen, dass der Krieg wenige Tage später am 8. Mai 1945 enden wird. In geheimgehaltenen Vorgesprächen zwischen Amerikanern und Deutschen wurde vereinbart, dass die bei Hostau eingesetzten deutschen Soldaten widerstandslos kapitulieren. Zur Rettung der Pferde schafften die Amerikaner eine Kooperation zwischen amerikanischen und deutschen Soldaten und der tschechoslowakischen Zivilbevölkerung.

Die nationenübergreifende Tierliebe ließ damals die kriegerische Feindschaft im zweiten Weltkrieg zu mindestens für einige Tage ruhen. Es war ein still vereinbarter Waffenstillstand, der an anderen Stellen durch linientreue deutsche SS-Einheiten gebrochen wurde. Bei den Kampfhandlungen sollen auch Opfern zu beklagen gewesen sein. Gerade noch rechtzeitig vor dem Eintreffen der russischen Streitkräfte verließ am Morgen des 15. Mai 1945 eine lange Kolonne von Menschen und Tieren unter dem amerikanischen Schutz das Gestüt in Richtung Furth im Wald. Von dort gelangten die Lipizzaner nach Kötzting und in ihre ehemaligen Heimatstandorte. Der Bestand der Spanischen Reitschule in der Wiener Hofburg gehört heute zum Weltkulturerbe. Erinnerungen an diese Geschichte kommen beim Dreiländer-Staffellauf nicht nur durch die bilaterale Teilnehmer, sondern auch durch amerikanische, deutsche und tschechische Fahnen, amerikanischen Jeeps mit Baujahr 1944 als Relikt aus dem zweiten Weltkrieg vom Military-Car-Club Pilsen und durch tschechische Reiter mit amerikanischer Uniform und Cowboyhut.

Die Reitschule begeisterte in Hostau mit einstudierten Dressuren und zeigte, was die Lipizzaner draufhaben. Bild: gz (Archiv)
Die Reitschule begeisterte in Hostau mit einstudierten Dressuren und zeigte, was die Lipizzaner draufhaben.
Beim Staffellauf wird die Befreiungsgeschichte der Lipizzaner durch tschechische Reiter in US-Uniformen und US-Jeeps lebhaft. Bild: gz (Archiv)
Beim Staffellauf wird die Befreiungsgeschichte der Lipizzaner durch tschechische Reiter in US-Uniformen und US-Jeeps lebhaft.
Der Publizist Diplom-Ingenieur Bohuslav Balcar organisiert alle Jahre den Staffellauf und erinnert an die unglaubliche Geschichte. Bild: gz (Archiv)
Der Publizist Diplom-Ingenieur Bohuslav Balcar organisiert alle Jahre den Staffellauf und erinnert an die unglaubliche Geschichte.
 
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