In das weiße Gewand mit den großen Engelsflügeln schlüpfte die 15-jährige Sonja Hantzsch, die sich mit ihrer Mutter Ines mit Bollerwagen dafür an den ersten beiden Adventssonntagen einige Stunden Zeit nahm. Jedes zufällig angetroffene Kind in Eslarn durfte sich mit Abstand einen Nikolaus aus dem Wägelchen nehmen. Die etwas Größeren beschenkte Sonja hoch zu Ross. Der Erste war der dreijährige Christian, der darauf bestand, den Schokomann aus den Händen seiner Schwester Sonja zu bekommen, auch wenn er sich dabei immens strecken musste. Nach der geglückten Generalprobe führte der Adventritt an den letzten beiden Sonntagen quer durch Eslarn.
"Wir wählten stets eine andere Strecke und manchmal gings nach telefonischer Bestellung direkt zum Anwesen", verriet Ines Hantzsch. "Hallo ihr Eslarner, sagt uns eure Straße und Hausnummer, wo wir vorbeireiten sollen", lautete der Aufruf. Beim Zusammentreffen bekamen die Himmelsboten von den Erwachsenen viele positive Rückmeldungen. "Schön, dass ihr das macht, tolle Aktion. Wo seid ihr am 3. Advent, wir warten auf euch." Aber auch die Kinder waren begeistert und äußerten die Bitte: "Kann ich das Pferd anfassen und streicheln" oder "sind die Flügel echt?"
Normalerweise stehen auch Seniorenheime, die Schule und Kindertagesstätten auf dem Verteilerplan, doch die Coronapandemie ließ Besuche und direkte Kontakte nicht zu. Ab und zu begleiteten auch Christian und die 14-jährige Tina neben dem Pferd ihre ältere Schwester. Einen tierischen Wechsel gab es bei den Pferden, so dass nicht nur der Haflinger "Asti" und die Nordiger Stute "Lina", sondern auch das Pony "Farin Shetty" einmal dabei sein durfte. "Wir wollen die Kinder vor den Weihnachtsfeiertagen überraschen und mir als Mutter ist es wichtig, dass man die Nächstenliebe, die uns Pfarrer Bauer immer wieder predigt, auch in die Tat umsetzt und wir nicht nur an uns denken."
Kleine Gaben für die Kleinen
Dabei sollen die Kinder laut der dreifachen Mutter von klein auf lernen, das helfendes Handeln gegenüber allen Mitmenschen wichtig ist. "Wir wollen nicht nur an uns, sondern auch an andere denken und den Kindern ohne Gegenleistung in unserem Heimatort einfach eine kleine Freude bereiten." Für Hantzsch ist die christliche Nächstenliebe nicht nur ein Wort, sondern eine Aufforderung, etwas zu unternehmen. Das Lächeln der Mädels und Jungs beim Entgegennehmen der kleinen Gaben ist für die Akteure Lohn genug.
Um die coronakonforme Aktion mit den über 200 Nikoläusen zu finanzieren, legte die Familie monatlich einige Euro beiseite. Das unüberbietbare Hobby "Reiten" darf die Neuntklässlerin Sonja am "Schmiedlhof" ihres verstorbenen Stiefvaters Reinhard Schäffer, dem Vater Christians genießen. Derzeit fühlen sich sieben Pferde in ihren Ställen und großzügigen Weiden auf dem Hof überaus wohl. Zu den genannten Pferden fand das Percheron Kaltblut "Frida" dort ebenfalls eine Bleibe. "Das Pferd, um das ich mich stets kümmerte, hab ich mit fünf Jahren von Reinhard zum Geburtstag bekommen und da Frida eine Freundin brauchte, kam Lina dazu", erzählte Sonja. "Im Sommer zieht Frida eine Kutsche und im Winter pack ich die Langlaufski aus und lass mich von Frida durch die Landschaft ziehen", schwärmt die 15-Jährige.
"Mein größter Wunsch wäre die Teilnahme an einem Reitturnier", fügte Sonja an und setzt dabei auf die Fähigkeiten ihres Holsteiner Wallachs "Clemens". Den Haflinger Wallach "Nemo" und die Haflinger Stute "Asti" hat uns ebenfalls Reinhard vermittelt und damit wie das Bayerische Warmblut "Carolina" vor dem Schlachter gerettet. "Die Pferde sollen bei uns auf dem Sternenhof alt werden dürfen und erhalten die beste Pflege", waren sich alle Familienmitglieder einig. Mitten drin fühlt sich auch das kleine Pony "Shetty" gut aufgehoben und bereitet – wie auch die Zwergziege, die Hasen und Hühner – besonders Christian die größte Freude. "Damit die Enten und Rebhühner von meinem Vater nicht so alleine sind", begründet der Dreijährige den Zuwachs. Das jüngste Familienmitglied freut sich schon auf den bevorstehenden vierten Geburtstag am 28.12.
Auch an weiteren Adventssonntagen
"Auf einen Bauernhof gehören Tiere“, zitierte Ines ihren verstorbenen Lebensgefährten. Anfangs war es für die Familie Hantzsch nur ein Hobby, aber durch den Tod von Reinhard und dessen Eltern Hans und Hilde Schäffer ist es für die Familie zu einer liebgewordenen Lebensaufgabe gereift. "Wir möchten einfach nur den Hof mit den Tieren und die schönen Erinnerungen an Reinhard und seine Eltern erhalten", fügte Ines Hantzsch an. Um der Bevölkerung die Unterstellmöglichkeiten und die Tierwelt am idyllisch gelegenen "Sternenhof" näher zu bringen, war auch ein kleiner Adventmarkt geplant. "Leider mussten wir diesen coronabedingt absagen", fügte Hantzsch an und hofft auf ein besseres Jahr 2022. Sobald das dritte und vierte Adventslicht brennt, wird sich Sonja im schneeweißen Engelsgewand mit Familie wieder auf den Weg durch die Straßen von Eslarn machen und die Kinder mit einem vorweihnachtlichen Geschenk überraschen.
Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.
Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.