Junge Menschen fotografieren am Dienstagvormittag die Häuser im Ortskern von Etzenricht. Das sind keine Einbrecher. Eine Straße weiter sitzen zwei junge Frauen auf dem Asphalt und nehmen Abdrücke vom Pflaster, vor der alten Raiffeisenbank vermisst ein Grüppchen eine Straßenlaterne. Das klingt wundersam, ist aber Teil eines Projekts. Die jungen Menschen sind Architekturstudenten aus Regensburg. 80 an der Zahl. Gemeinsam mit ihrem Professor Andreas Müsseler und der Dozentin Lisa Yamaguchi besuchen sie an diesem Tag die Gemeinde, um den Startschuss für ein ganz besonderes Projekt abzugeben: Am Beispiel Etzenricht und dem zunehmenden Leerständen dort wollen sie Ideen entwickeln, um die Gebäude im Ort neu zu nutzen.
Dabei sind sie aber nicht allein. Während die Fünftsemester ihre Semesterarbeit mit diesem Projekt bestreiten, freut sich Etzenrichts Bürgermeister Martin Schregelmann, dass sich etwas im Zuge der Gemeinderatsinitiative "Belebung des Ortskerns" tut. Auch deren Ziel ist es, den leerstehenden Gebäuden einen neuen Zweck zu geben. Ebenfalls in diese Richtung beteiligt sich das Amt für ländliche Entwicklung (ALE). Hier nennt sich das "Leerstandsoffensive".
Alles da – und trotzdem Leerstand
Verantwortlich für die Vergabe des Projektes an die Gemeinde Etzenricht sind Georg Braunreuther und Markus Götz vom ALE Oberpfalz. Sie wählten den Ort aus, weil er noch ganz am Anfang seiner Erneuerung stünde. Gleichzeitig profitiere Etzenricht aber auch von der Lage: nah an den wirtschaftsstarken Standorten Weiden sowie Weiherhammer und der guten Bahnanbindung. Gemeinsam mit den Studenten möchte man herausfinden, warum diese Faktoren die fortschreitende Vereinsamung des Ortskerns nicht aufhalten konnten. Dazu befragen sie die Anwohner nach ihren Einschätzungen.
Aus dem katholischen Pfarrhaus schwärmen die knapp 80 Fünftsemester Richtung Dorf aus. Sie messen, fotografieren, studieren Pläne. Innerhalb eines Semesters sollen sie sich jeweils zu zweit eines der 14 leerstehenden Gebäude aussuchen und ihre Vision auf dem Papier und in einem Modell im Maßstab 1:50 umsetzen. Die Idee kommt von Professor Müsseler, der nach eigenen Angaben ein ähnliches Projekt bereits vor sieben Jahren in Waldthurn erfolgreich durchgeführt hat. Schon im Vorfeld haben sich die Studenten Gedanken gemacht, was für sie das Leben auf dem Land attraktiver machen würde. Nun können sie im Angesicht des Ortsbildes sowie im Gespräch mit Bürgermeister und Anwohnern ihre Ideen konkretisieren, abändern oder auch verwerfen. Zwar sehe Müsseler nur geringe Chancen für eine Umsetzung der Pläne, aber "man muss auch mal spinnen".
So profitieren Anwohner
Am Ende soll das Projekt eher eine Ideensammlung sein, aus der sowohl die Studenten als auch die Gemeinde Etzenricht einen Nutzen ziehen können, sind sich ALE, Gemeindevertreter und Professor einig. Für die Studenten ist es eine spannende Herausforderung, mit echten Häusern zu arbeiten, den Etzenrichtern bietet das Projekt eine neue Sicht auf ihr Dorf. "Den Haufen Laub vor der eigenen Tür sieht man irgendwann nicht mehr, wenn man immer wieder darübersteigt", sagt Gemeinderätin Renate Müller. Sie begleitet gemeinsam mit Bürgermeister Martin Schlegelmann und einigen Anwohnern die Studenten auf ihrer Entdeckungstour durch den gut 1500 Seelen-Ort. Es bestehe großes Interesse auf Seiten der Anwohner, berichtet sie und hofft, dass diese offen für Ideen bleiben. Auf keinen Fall sollen sich die Bürger zu einem Verkauf oder einer Sanierung gedrängt fühlen, betont Schregelmann. Vielmehr wünscht er sich, dass die Hausbesitzer ein Gefühl für ihr Objekt entwickeln. Dadurch soll der Ortskern reaktiviert werden und Sinn sowie Identität zurückgewinnen.
Bis Ende Februar sollen die Modelle fertig sein und in Etzenricht präsentiert werden. Die Studenten gehen hochmotiviert an das Projekt heran. Dass man nebenbei auch ein paar Weintrauben vom Strauch pflücken oder die Katze streicheln durfte, kann durchaus geholfen haben.
Etzenricht auf einen Blick
- Versorgung: Lebensmittelmarkt mit Bäckerei, Geflügelhof, Hofladen und Bauernmarkt
- Gesundheit: Allgemeinarzt, Apotheke
- Bildung: Kindergarten, Grundschule
- Gastronomie: ein Wirtshaus, eine Kneipe
- Freizeit: circa 30 Vereine, Traditionsfeste wie Kirchweih oder Fischerfest
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