Floß
02.04.2021 - 21:00 Uhr

Karfreitag in Floß: Erst Gitarre, dann Ruhe

Anders als im vergangenen Jahr können die Gläubigen den Karfreitag in der Kirche begehen. In der Flosser St.-Johannes-Baptista-Kirche erleben sie eine beeindruckende Liturgie.

von fsb
Pfarrer Römischer eröffnet die Andacht mit seiner Gitarre. Bild: fsb
Pfarrer Römischer eröffnet die Andacht mit seiner Gitarre.

Der Karfreitag ist ein Tag der Trauer, auf dem so viel Schweres lastet, an dem des Leidens und Sterbens Christi gedacht wird. Der Name stammt vom althochdeutschen Wort "kara", das Klage oder Kummer meint. Auch in der evangelischen Kirchengemeinde St. Johannes Baptista wurde der Feiertag würdig begangen: mit einer Andacht zur Todesstunde Jesu um 15 Uhr und mit einem Gottesdienst um 19.30 Uhr. Anders als im vergangenen Jahr durften Gläubige in die Kirche kommen, allerdings mit strengen Regeln und Beschränkungen.

Grafenwöhr02.04.2021

In der Andacht zur 9. Stunde – wie es in den Evangelien heißt – versammelten sich die Christen in ihrem Gotteshaus im Schweigen, im Gebet, im Hören und Lauschen auf Gottes Wort, um dem Geheimnis nachzusinnen, dass Gott in seiner Liebe auch den Schmerz und das Leiden auf sich genommen hat. Für in Coronazeiten selten zu hörende Live-Musik und Gesang sorgten Pfarrer Wilfried Römischer mit seiner Gitarre und Kantor Andreas Kunz an der Orgel. Die Wechselgebete und die Leidensgeschichte nach Markus trugen Andrea und Tanja Riedel vor. Die Lieder wurden zugesungen oder mitgebetet.

In seiner Ansprache verdeutlichte der Seelsorger an einer kleinen Geschichte, wie er als 16-Jähriger verstanden habe, dass Gottes Größe darin liegt, klein und wehrlos zu werden, sich für die Menschen zu opfern. Damals hatte ihm sein Jugendleiter folgendes Beispiel erzählt: Wenn jemand in eine tiefe Gletscherspalte fällt, ist ihm nicht damit geholfen, ihm von oben Mut zuzusprechen, sondern dann muss man zu ihm hinunter.

Der Abendgottesdienst mit gemeinsamer Beichte und Abendmahl wurde vom Chor, einem Ensemble von vier Sängerinnen, sowie von Organist Andreas Kunz feierlich mit Kirchenliedern und Chorälen umrahmt. Zu seiner Predigt, in die er Worte des Liedes "O Haupt voll Blut und Wunden" von Paul Gerhardt eingefügt hatte, brachte Pfarrer Römischer einen großen Zimmermannsnagel mit. Dieser sollte für die persönliche Schuld und Verletzungen der Menschen untereinander stehen und für die Verstrickung jedes Einzelnen in globale Schuldgeschichten wie dem Hunger in Afrika, den Kriegen in Ländern mit seltenen Rohstoffen oder die Ausbeutung der Meere. Eine erste Folge sei, dass wir Menschen den Nagel in der Hand halten, zum Zeichen, dass unser Tun und Lassen dem Herrn Schmerz bereitet. Ihm ramme es den Nagel in den Leib, wenn wir lieblos handeln, wenn wir Gott nicht über den Weg trauen, wenn wir die Schöpfung mit Füßen treten, wenn uns die Armen, die Hungrigen, die Verfolgten egal sind. Und: Der Nagel stecke in Jesus, der seine Leiden erträgt, der die Lasten aller Menschen auf sich zieht, der den Menschen, obwohl sie Täter sind, dennoch seine Liebe und Vergebung zukommen lässt. So sei der Karfreitag ein Tag der Trauer und Freude zugleich.

Während der Austeilung der Gaben an die Gemeinde erklangen von Solistin Yvonne Schnappauf die Lieder "Ich bin das Brot", "Ich bin der Weinstock", und Kantor Kunz sang und begleitete an der Orgel drei Taizé-Choräle. Schließlich wurden die Kerzenflammen am Altar gelöscht zur Erinnerung an den, dessen Leben verloschen ist, und auch die Orgel schwieg, die Glocken verstummten. Kein Ton war mehr zu hören, bis der Jubel mit vollem Geläut und allen Registern am Ostermorgen neu erklingen wird: "Christ ist erstanden."

Ein musikalischer Seelsorger. Bild: fsb
Ein musikalischer Seelsorger.
Eindrucksvolle Ansprache von Pfarrer Römischer zum Festtag. Bild: fsb
Eindrucksvolle Ansprache von Pfarrer Römischer zum Festtag.
 
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