Flossenbürg
21.04.2024 - 18:57 Uhr

"Mahnendes Beispiel der Vergangenheit": Gedenken am 79. Befreiungstag im KZ Flossenbürg

Überlebende, Angehörige, Politiker, Diplomaten und Geistliche erinnerten mit einem Gedenkakt an die Befreiung des KZ Flossenbürg vor 79 Jahren. Mehr als 600 Gäste aus aller Welt nahmen daran teil.

Vor 79 Jahren, am 23. April 1945, befreiten Soldaten der US Armee das Konzentrationslager Flossenbürg und gaben den Häftlingen ihre Freiheit wieder. Am Sonntagnachmittag gedachten ehemalige Häftlinge, deren Familienangehörige, viele Politiker und Gäste aus der Bevölkerung diesem Tag. Die Warnungen in den Ansprachen waren unüberhörbar: Der Rechtsextremismus nimmt stark zu, problematische Entwicklungen müssen im Keim erstickt werden.

Der Leiter der Gedenkstätte, Jörg Skriebeleit, hieß alle anwesenden ehemaligen Häftlinge des Konzentrationslager namentlich willkommen. Im Besonderen hieß Skriebeleit die vielen italienischen Gäste willkommen, die tags zuvor ihrer ums Leben gekommenen Angehörigen in einer besonderen Ausstellung gedachten. „Von den 432 italienischen Häftlingen sind nicht einmal einhundert in ihre Heimat zurückgekehrt.“ Ein weiterer Häftling, dessen Stuhl bewusst leer blieb, konnte zur Gedenkfeier nicht kommen, weil sein Flug wegen des Krieges in Israel gecancelt wurde. Skriebeleit hob hervor, dass alle drei Verfassungsorgane Bayerns mit ihren Spitzen bei der Gedenkfeier vertreten waren. Anwesend waren auch zahlreiche Landtags- und Bundestagsabgeordneten aller Fraktionen, bis auf eine, was aber selbstverständlich sei, dass diese nicht vertreten ist, merkte Skriebeleit an.

Viele Besucher zu Gast

Die Zahl der anwesenden Bürgerinnen und Bürger aus Flossenbürg und seiner Umgebung sei so groß, wie in keiner anderen Gedenkstätte erkennbar, betonte der Leiter. Viele Besucher kamen aus den Orten früherer Außenlager. In englischer Sprache hieß Skriebeleit die Angehörigen der US-Armee willkommen.

Einer der ehemaligen Häftlinge habe beim Rundgang durch den Steinbruch gesagt, dass das „was der Stein mit mir machte“ nur unpräzise ausgedrückt werden könne. „Der Stein hat uns die Hände zerschunden, den Rücken beschwert und das Kreuz gebrochen.“ Zum Abschluss sprach Skriebeleit das Auffinden von Asche und menschlichen Überresten vor wenigen Tag an, die im Anschluss an die Gedenkfeier im würdigen Rahmen in einer Urne im „Tal des Todes“ bestattet werden. „Wir in der Gedenkstatten erschrecken über die Unfähigkeiten oder Fähigkeiten der Menschen, aber wir schaffen daraus Kraft, die wir auch ihnen wünschen“, sagte Skriebeleit abschließend.

Karl Freller, Vizepräsident des Bayerischen Landtags a.D. und Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, nannte die Präsenz der vielen Gäste die Ehrung aller, die den Nationalisten die Stirn boten oder Widerstand zeigten. Gleichzeitig sei dies ein Zeichen des Wehrens gegen den Rechtsextremismus in Deutschland. Freller erinnerte dann an den Tagesablauf eines Häftlings im Steinbruch. Diese Örtlichkeit, ein Symbol für Unterdrückung und Leid, werde seit dem 31. März 2024 nicht mehr kommerziell genutzt und soll Teil der Gedenkstätte werden.

Dienst an der Geschichte

Finanz- und Heimatminister Albert Füracker dankte nach seinem kurzen Rückblick auf die Entstehung der Gedenkstätte dem jetzigen Leiter und seinem gesamten Team, das mit hoher Qualifikation und Engagement Dienst an der Geschichte, aber auch an der Gesellschaft, leiste. Mit dem Ende der Ära der Zeitzeugen, mit dem Ableben der letzten Häftlinge dürfe das, was in der Oberpfälzer Heimat während des Dritten Reiches geschehen ist, nie vergessen werden, betonte Füracker.

„Nur mit dem mahnenden Beispiel der Vergangenheit vor Augen kann man die Gegenwart verstehen, problematische Entwicklungen im Keim erkennen und eine friedfertige, lebenswerte Zukunft ermöglichen“, sagte der bayerische Heimatminister. Aktuell sei notwendiger denn je, sich die Lehren aus der Vergangenheit bewusst zu machen. „Besorgniserregend“ nannte Füracker die jüngsten Entwicklungen in Deutschland. Die Vermittlung eines tiefen Geschichtsverständnisses sei weiterhin die Aufgabe der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg. „Was hier dokumentiert wird, prallt an keinem ab.“ Deshalb sei der Erhalt, der Betrieb und die Weiterentwicklung der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg ein wichtiger Teil der Erinnerungskultur Bayerns und Deutschlands.

Professor Dr. Udo Hebel, Präsident der Universität Regensburg, berichtete aus einer Unterrichtsstunde, der bei einem Geschichtsunterricht in einer amerikanischen Schule im US-Staat Pennsylvania erlebt habe. Damals in den Osterferien 1974 sei dort ein Film über die Befreiung nationalsozialistischer Konzentrationslager gezeigt worden. Diese Bilder seien ihm in ewiger Erinnerung geblieben, weil diese damals in deutschen Schulen noch keinen Eingang gefunden hätten.

Spuren des Großvaters

Zum Abschluss der Gedenkfeier sprach Youp Zwolschen, dessen Großvater Antoon Bink, Häftling im KZ-Flossenbürg war. Er sei den Spuren seines Großvaters gefolgt und über 1100 Kilometer von Rotterdam nach Flossenbürg gelaufen. Hier führte der Weg auch durch Chemnitz, wo seinem Großvater der Namen genommen und nur noch eine Nummer gegeben wurde. Ausdrücklich lobte Zwolschen die Gemeinschaft in Flossenbürg, die eine echte Familie geworden sei.

Aufgrund der winterlichen Wetterlage unterblieb der Gang ins „Tal des Todes“ zur Kranzniederlegung. Auf dem ehemaligen Appellplatz gedachten die Vertreter von vier Glaubensrichtungen den Toten. Mit einem stillen Gedenken endete die Gedenkfeier.

 
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