„30 Jahre Fall des Eisernen Vorhangs“ feierten die beiden Nachbar- und Partnergemeinden Rozvadov und Waidhaus am Samstag ganztägig auf dem Gelände des einstigen tschechischen Grenzübergangs. Dem Versöhnungsgottesdienst am Vormittag (wir berichteten) folgte später ein buntes Programm bis in die Nacht hinein.
Ein kräftiger Regenschauer begleitete den Zug der Waidhauser Delegation zu den Klängen des Vereinsorchesters aus Richtung Bayern. Wo die Straße nach Rozvadov vierspurig wird, erwartete der Gemeinderat von Rozvadov um Bürgermeister Pavel Pajer die Marschierenden. Gemeinsam ging es weiter ins Festzelt. Kirzinger hatte neben dem Waidhauser Marktrat und der Vereinsgemeinschaft mit Vorsitzendem Tobias Kirner mehrere Bürgermeisterkollegen aus dem östlichen Landkreis im Gepäck.
Für die einleitenden Worte und die Organisation dankte Bürgermeister Pajer seiner Kollegin Kirzinger mit einem Blumenstrauß. Der Hauptmann der Region Pilsen, Josef Bernard, kommentierte die bisherige deutsch-tschechische Entwicklung: „Was unsere beiden Länder geschaffen haben, ist sehr anerkenneswert.“ Sei früher die Nähe des „Klassenfeinds“ ein Riesennachteil gewesen, so wäre dies heute ein großer Vorteil, wozu Bernard vor allem auf die von der EU geförderten Projekte hinwies. Die Geschichte, gerade hier vor Ort, zeige zudem auf, dass Grenzen nicht funktionierten: „Gemeinsame Aktivitäten und gemeinsame Projekte hingegen sehr wohl.“
In die gleiche Kerbe schlug der stellvertretende Regierungspräsident der Oberpfalz, Christoph Reichert: „Heute feiern sie hier 30 Jahre später ein friedliches Fest miteinander. Das ist nicht selbstverständlich.“ Auch stellvertretender Landrat Albert Nickl betonte: „Für lange Zeit war der jetzige Zustand für viele Menschen auf beiden Seiten nur ein Traum.“ Mit einem persönlichen Rückblick auf die Ereignisse am 23. Dezember 1989 startete der ehemalige Rozvadover Bürgermeister Jindřich Červený die Reihe der Zeitzeugen, die auf der Bühne zu Wort kamen.
Die Aufgabe der Vermittlung sei in Händen des Waidhausers Josef Balk senior gelegen, weil einzig dieser ein Dauervisum für die damalige Tschechische Republik besessen habe. An Balk richtete Červený an dieser Stelle beste Genesungswünsche ins Krankenhaus. Dann berichtete Červený weiter, dass er „erst im letzten Moment erfahren“ habe, dass „dieser Tag so bedeutungsvoll für uns“ werden sollte: „Die Rozvadover durften das erste Mal durch Waidhaus fahren und die Waidhauser das erste Mal durch Rozvadov.“ Gleich darauf habe es ein erstes Treffen derr beiden Bürgermeister gegeben, wodurch der Grundstock für „unsere Freundschaft“ gelegt worden sei. Die tragende Rolle des verstorbenen Waidhauser Bürgermeisters Gustl Reichenberger hob Červený dabei mehrmals heraus.
Ihm folgte Irmgard Schwarzmeier - die nur einen Steinwurf vom „Alten Grenzübergang“ entfernt wohnt - mit eigenen Impressionen: „Stellen sie sich vor, sie stecken am Tag vor Weihnachten mitten in den Festvorbereitungen und dann kommt ihr Mann nach Hause und sagt: Die Grenze wird aufgemacht, da müssen wir unbedingt dabei sein.“ Einzig der Opa sei nicht infrage gekommen, weil er keinen Ausweis gehabt habe. Im Auto sei noch dazu zu wenig Sprit gewesen, doch „dann konnten wir tatsächlich durch, es war alles offen und da waren so viele Menschen“. Die lange voneinander getrennten Menschen beider Nationen hätten sich damals genau an jener Stelle getroffen, wo heute wieder gefeiert werde.
Diese Aussage untermauerte Schwarzmeier mit vielen selbst gemachten Fotos. Mitgebracht hatte die Zeitzeugin außerdem ein von ihrem Ehemann Erhard Schwarzmeier damals selbst herausgeschnittenen Stückes Grenzzaun, sowie ein weißes Christbaumvögelein, welches ihre Tochter von einem tschechischen Mädchen an jenem Tag geschenkt bekommen habe: „Gleich einer Friedenstaube bekommt dieses Symbol seitdem jedes Jahr an unserem Christbaum einen besonderen Platz.“ An zwei Menschen, die ihm am Herz liegen, erinnerte Max Meixensperger als ehemaliger Grenzaufseher im Anschluss.
Für die tschechische Seite wartete Alena Muchová mit Infos zum Leben in Rozvadov vor der Grenzöffnung auf. Ihren Aussagen zufolge sei die Hälfte der damaligen Einwohner "rund um die Grenze beschäftigt" gewesen. Über das Leben der deutschen Nachbarn hätten die Rozvadover fast nichts gewusst. Ein Satz war der tschechischen Zeitzeugin abschließend besonders wichtig: „Jetzt können wir uns frei bewegen.“
Nach zwei weiteren Rednern startete ein umfangreiches kulturelles Programm, wobei die Nationalhymnen beider Staaten durch das Vereinsorchester des Musikvereins unter Leitung von Hermann Mack einen hohen Stellenwert einnahm. Nach einem Blasmusikkonzert gab das Ensemble aus Waidhaus die Bühne frei für die böhmische „Dudelsack-Kapelle“. Im Anschluss bestimmte Swing im Big-Band-Sound das Fest durch die „Damen-Big-Band“ aus Waidhaus. Mit Einbruch der Dämmerung rückte die Showgruppe „Public Surprise“ des Waidhauser Faschingsvereins in den Mittelpunkt. Die junge Schar präsentierte die neueste Variante ihrer erfolgreichen und äußert populären Feuershow. Gleich im Anschluss rockte die tschechische Band „Queen Revival“ die Szenerie im Umfeld der drei Supermärkte und im gleichen Stil ging es mit der Rockband „Aquarius“ bis weit in die Nacht hinein.
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