München
27.03.2019 - 17:53 Uhr

"Fratze des Antisemitismus" bekämpfen

Berichte über antisemitische Vorfälle im Freistaat nimmt ab Montag eine Landesmeldestelle entgegen. Das soll helfen, Präventionskonzepte gegen Antisemitismus zu entwickeln.

Für den Antisemitismus-Beauftragten der Staatsregierung, Ludwig Spaenle, bedeutet die Meldestelle ein Bekenntnis zu den jüdischen Bürgern im Freistaat. Bild: Gabi Schönberger
Für den Antisemitismus-Beauftragten der Staatsregierung, Ludwig Spaenle, bedeutet die Meldestelle ein Bekenntnis zu den jüdischen Bürgern im Freistaat.

Am Montag startet die Meldestelle für antisemitische Vorfälle in Bayern ihren Betrieb. An sie können Betroffene oder Zeugen Übergriffe, Belästigungen und Beleidigungen auch unterhalb der Strafbarkeitsschwelle melden. Träger ist die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS), die vom Sozialministerium und dem Bayerischen Jugendring (BJR) unterstützt wird. Der Aufbau der Meldestelle wird vom Freistaat mit 380 000 Euro gefördert. Ziel ist es, ein genaueres Bild über die wachsende Zahl antijüdischer Vorfälle im Freistaat zu bekommen, um daraus Präventionskonzepte zu entwickeln. 2018 sind bayernweit 218 antisemitisch motivierte Straftaten angezeigt worden, 70 mehr als im Vorjahr. Die mutmaßlichen Täter kamen überwiegend aus islamistischen und rechtsextremen Kreisen.

Benjamin Steinitz, Vorstand im RIAS-Bundesverband, erklärte, Antisemitismus sei für Juden in allen bayerischen Regionen ein inzwischen "alltagsprägendes Phänomen". Mit der Meldestelle versuche man nun, "mehr Licht in das große Dunkelfeld" zu bringen. Es gehe darum, ein realistisches Bild antijüdischer Vorfälle im Freistaat zu bekommen, ergänzte die Leiterin der Stelle, Annette Seidel-Arpacı. Die Fälle könnten über ein Online-Melde-Portal auf der Internet-Seite von RIAS Bayern übermittelt werden, würden dann verifiziert und ausgewertet. Dies erfolge in anonymisierter Form, betonte Seidel-Arpacı. Zudem vermittele RIAS weiterführende Beratungsangebote für Betroffene.

Die Einrichtung der Meldestelle geht auf einen Wunsch der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern zurück. Deren Präsident Josef Schuster sprach von einem wichtigen Schritt. "Wir müssen die Wunde offenlegen, um sie besser therapieren zu können", sagte Schuster. RIAS biete damit eine niederschwellige Möglichkeit, Vorfälle auch ohne Einschaltung von Behörden zu melden. Sie helfe den Betroffenen, mit dem Erlebten ernstgenommen zu werden. Der Präsident des Bayerischen Jugendrings, Matthias Fack, sah im Dialog mit den Strafverfolgungsbehörden eine weitere Aufgabe der Meldestelle. Polizei und Justiz könnten so stärker für antisemitische Vorfälle sensibilisiert werden.

Nach Einschätzung des Antisemitismus-Beauftragten der Staatsregierung, Ludwig Spaenle, bedeutet die Meldestelle ein Bekenntnis zu den jüdischen Bürgern im Freistaat. Deren Geschichte lasse sich viele Jahrhunderte zurückverfolgen. "Leider gehört die Fratze des Antisemitismus zur Lebensrealität in unserem Land", sagte Spaenle. Er erwarte, dass durch die Stelle weit mehr Vorfälle bekannt würden als bisher. Diese müssten wissenschaftlich aufgearbeitet werden, um die richtigen Konsequenzen ziehen zu können. Sozialminister Kerstin Schreyer (CSU) erhofft sich von RIAS mehr Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung. "Es muss selbstverständlich werden, dass Antisemitismus nicht geht", erklärte Schreyer. RIAS sei daher ein wichtiger Baustein der Prävention.

 
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