Freihung
02.07.2024 - 14:52 Uhr

Projekt: 40 Jugendliche von Reise beeindruckt

Seit über zwei Jahrzehnten ermöglicht das Europäische Jugendprojekt Oberpfalz jungen Menschen die Auseinandersetzung mit einer schrecklichen Vergangenheit. An die immer wieder erinnert werden muss, damit sie sich nicht wiederholt.

„Wir tauchen ein in unsere Vergangenheit, arbeiten an einer friedlichen Zukunft und finden Freundschaften in ganz Europa.“ So lautet das Motto des Europäischen Jugendprojekts Oberpfalz (EJPO). 40 Jugendliche aus Bayern, Tschechien und Polen erlebten bei der Internationalen Projektwoche 2024 eine historisch interessante Zeitreise von Bayern über Österreich nach Böhmen.

Schirmherr war Richard Glombitza vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge Oberpfalz. Die Teamleiter Christiane Regn, Gerd Müller, Norbert Bücherl, Kateřina Müllerova, Pavel Bulin, Dariusz Krywult und Adam Kierszka begleiteten die Jugendlichen zu den Projektorten. Römerzeit und Mittelalter, Zweiter Weltkrieg und Nationalsozialismus, die Habsburger Monarchie und tschechische Kultur waren die Programminhalte.

Am ersten Projekttag spannte Dario Vidojkovic, Bezirksgeschäftsführer Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, bei der Führung durch die Regensburger Altstadt mit seinen Erzählungen einen Bogen von der Römerzeit über das Mittelalter und die Renaissance bis hin zur NS-Zeit. Bei Maria Ort erwartete die Jugendlichen ein besonderes Highlight: die Fahrt mit der originalgetreu nachgebauten römischen Galeere „Regina“. In München angekommen, begrüßte ein Mitarbeiter von Landtagsabgeordneten Harald Schwartz die Gruppe im Bayerischen Landtag.

Mulmiges Gefühl

Begleitet von einem Fernsehteam des Bayerischen Rundfunk wurde anschließend der Kriegsgräberfriedhof am Waldfriedhof besucht. 3540 Gefallene der beiden Weltkriege aus 18 Nationen sind hier bestattet worden. Darunter auch Frauen und Kinder, die zwangsweise zu Arbeitseinsätzen in Deutschland verpflichtet wurden. Die Führung mit dem Landesjugendreferenten des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge Maximilian Fügen mit Informationen über die Kriegstoten machte die Jugendlichen tief betroffen. Marina Scheffler und Thomas Müller, zwei deutsche Teilnehmer, äußerten sich dazu: „Wir erfuhren, wie die Ausgräber arbeiten, dass sie jährlich etwa 15 000 neue Funde verzeichnen und wie diese Kriegstoten identifiziert werden.“

Anschließend beteiligten sich die Jugendlichen an der Erneuerung der Beschriftungen auf den Gräbern. Alexander Fenk, ein jugendlicher Teilnehmer, kam ins Nachdenken: „Wir sind jetzt hier auch eine Gruppe aus drei Nationen, die zu dem damaligen Zeitpunkt gegeneinander gekämpft haben. Das ist für mich unvorstellbar.“ Nela Jedlíková aus Tschechien sagte mit einem tiefen Seufzer: „Dieser Platz ist nicht der einzige, wo so viele Menschen gestorben sind. Es ist traurig. Ich will keinen Krieg." Im NS-Dokumentationszentrum München und bei der „Gedenkstätte Weiße Rose“ lernten die jungen Teilnehmer einiges über die Geschichte des Nationalsozialismus. Der Guide betonte nachdrücklich: „Wir müssen uns an die Geschichte erinnern, um zu verhindern, dass sich ähnliche Ereignisse wiederholen können.“ Teamleiter Gerd Müller dazu: „Die Schilderungen waren wirklich dramatisch. Auf andersdenkende Menschen einprügelnde Nationalsozialisten, erschossene Menschen, bürgerkriegsähnliche Zustände.“

Der Besuch des Konzentrationslager Mauthausen am folgenden Tag hinterließ bei allen ein mulmiges Gefühl. Die Schilderung der Lebensumstände der damaligen Häftlinge berührte die Jugendlichen zutiefst. Eine eigens organisierte zentrale Gedenkfeier der Teilnehmer des Jugendprojekts mit Musikstücken, den Fahnen der beteiligten Länder und Gedenkworten eröffnete Möglichkeiten, persönliche Gedanken und Gefühle in der eigenen Landessprache auszudrücken.

In Velehrad und Modrá

In Wien führte ein Militärbischof die Jugendlichen durch die Stadt zur Kaiserburg. Er vermittelte auch die Bedeutung der Dreifaltigkeitsstatue („Pestsäule“). Sie symbolisiert die Dreistaatlichkeit der habsburgischen Hausmacht. Der Dreipersönlichkeit Gottes im Irdischen entsprechen die drei habsburgischen Staatsgebilde Österreich, Ungarn und Böhmen. Dazu Thomas Müller: „Das war schon sehr viel Geschichte und die Grenzen der Aufnahmefähigkeit war erreicht. Da kam die Spanische Hofreitschule und der Prater zum Entspannen gerade recht.“

Am letzten Tag startete der Projektbus Richtung Velehrad und Modrá. Erster Halt war Velehrad, der wichtigste Wallfahrtsort und Nationalheiligtum Tschechiens. Der Geschichtspark Skanzen Modrá vermittelte einen Einblick in die tschechisch-slowakische Kultur und Lebensweise. Prag war dann der Schlusspunkt der Reise, für die Jenny Berger dankbar war: „Es war eine sehr interessante Erfahrung. Ich habe viel Neues über die Geschichte gelernt. Ich habe auch neue Kontakte mit unseren Projektpartnern geknüpft.“

Auch die deutschen Teamleiter waren mit dem Verlauf der Projektwoche sehr zufrieden: „Unsere Ziele wurden erreicht. Die Jugendlichen waren sehr interessiert, immer pünktlich und zuverlässig. Und es entstanden neue Freundschaften.“ Eine tschechische Teilnehmerin fasste das Erlebte für sich so zusammen: „Dieses Projekt hat mir wirklich die Augen geöffnet und meine Meinung über Kriege geändert. Ich habe auch viele neue Freunde gefunden, Wissen und Erfahrungen gesammelt. Es war wirklich einer der besten Momente in meinem Leben.“

Hintergrund:

Das Europäische Jugendprojekt Oberpfalz

  • Entstanden im Jahr 2002 aus der „Partnerschaft für den Frieden“ zwischen dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Bezirksverband Oberpfalz und dem Markt Freihung
  • Zentrales Ziel: „Versöhnung über den Gräbern, Arbeit für den Frieden!“
  • Mann der ersten Stunde und Initiator des Projekts: Hartmut Schendzielorz
  • Internationale Projektwochen: Jugendliche aus Deutschland, Tschechien und Polen setzen sich mit der Geschichte, Krieg und Gewaltherrschaft auseinander
  • Im Jahr 2010 wurde das EJPO mit dem Bürgerkulturpreis des Bayerischen Landtags ausgezeichne
 
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