Friedenfels
26.02.2021 - 11:57 Uhr

Lichtblicke in unserem Leben

Was haben Lichtblicke und ein gefährlicher Seiltanz miteinander zu tun? Dies erklärt Ruhestandpriester Siegfried Wölfl aus Friedenfels in der Serie "Geistliche Gedanken zur Fastenzeit".

Ruhestandspfarrer Siegfried Wölfel, 74 Jahre, aus Friedenfels. Bild: bsc
Ruhestandspfarrer Siegfried Wölfel, 74 Jahre, aus Friedenfels.

„Lichtblicke" tun einfach gut. Das wissen wir alle aus unserem Leben. Wie dankbar bin ich für manches gute Wort, das wie ein Funke wirkt und hilft, dass es wieder weitergeht. Wie froh bin ich über eine Begegnung, die wie ein Licht einbricht in eine bedrückte Stimmung und diese verändert. Lichtblicke machen Mut. Sie lassen wieder etwas erhoffen, wo vorher scheinbar nichts mehr zu erwarten war.

Gerade in dieser Zeit der Pandemie hungern wir nach solchen Lichtblicken: Wann können wir endlich wieder hoffen? Wann ein normales Leben führen? Wann uns treffen, gemeinsam etwas unternehmen, gemeinsam feiern? Wann einen lange geplanten Krankenbesuch machen?

Schwierige Lebenssituationen

Schon lange wollte ich einen Mitbruder besuchen, der an einer unheilbaren Krankheit leidet. Ich kann ihn wenigstens ab und zu anrufen. Das letzte Gespräch mit ihm hat mich tief betroffen gemacht. Er sagte: „Vor zwei Tagen haben sie mich sechs Stunden im Krankenhaus bearbeitet.“ Am Schluss habe der Arzt zu ihm gesagt: „Wissen Sie Herr Pfarrer, es gibt noch Wichtigeres als die Gesundheit: unser Glaube." Mein Kollege hat dem zugestimmt. Ja, das Wichtigste für ihn ist jetzt sein Glaube. Das war und ist der Lichtblick seines Lebens.

Von solchen Erfahrungen des Glaubens habe ich schon öfter gehört. Ich kenne aber auch das Andere: Bisweilen habe ich schon vergeblich auf diesen „Lichtblick“ aus dem Glauben gewartet. Etwa wenn ich ganz am Boden war. Dann hörte ich zwar das Evangelium, aber ich dachte mir: Was da gesagt wird, das ist meilenweit von mir entfernt. Und in mancher schwierigen Lebenssituation, die ich als Seelsorger mitzutragen hatte, war ich ganz leer und stand ganz arm und hilflos da. Ich konnte von keinem Lichtblick aus dem Glauben zehren.

Licht und Schatten

Gerade da will uns das Evangelium heute zur Lebenshilfe werden. Denn die Worte, die von Petrus, Johannes und Jakobus handeln, wollen in unser Leben, unser heutiges Fragen und Suchen, in unser Dunkel hineinsprechen. Ihr Weg mit Jesus war alles andere als ein Honigschlecken. Sicher: Jesus hatte Zuspruch gefunden, auch Begeisterung ausgelöst. Aber zugleich war er in die Auseinandersetzung geraten: Er hatte die Erwartungen seiner Anhänger oft ganz schön enttäuscht und die Oberen im Volk gegen sich aufgebracht.

Und da: Diese lichtvolle Erscheinung auf dem Berg! Dieser Lichtblick! Jesus ist im vollen Licht Zeichen dafür, dass er wirklich eine Gestalt ist, die aus der Lichtwelt Gottes kommt. Licht vom Lichte Gottes, das aus ihm leuchtet. In ihm strahlt Gott. Von ihm geht eine Hoffnung aus für die ganze Welt. Aber da ist noch etwas anderes: Gottes Nähe zeigt sich nicht nur im strahlenden Licht, sondern auch in der verhüllenden Wolke, also im Dunkeln. Denn gerade aus der Wolke kommt Gottes Wort: Auf ihn sollt ihr hören. „Lichtblicke“ des Glaubens – sie sind auch im Dunkel des Lebens möglich.

Über das Seil tragen

Eine alte Erzählung kommt mir in den Sinn: In einer Stadt hatte ein Seiltänzer sein Seil über den Marktplatz gespannt.Von einem Strahler angeleuchtet, wollte der Künstler gerade über das Seil schreiten, als er einen kleinen Jungen erblickte, der ihm nachgestiegen war. Er fragte den Buben: „Was willst du denn hier oben?“ „Ich möchte mit dir über das Seil“, antwortete der Junge. „Hast du denn keine Angst?“, fragte der Seiltänzer. „Nein, wenn ich bei dir bin nicht“, entgegnete ihm der Knabe. Der Mann hob das Kind auf seine Schultern und ging Schritt für Schritt über das Seil. Um das Kind abzulenken von der Tiefe, sagte er zu ihm: „Schau einmal wie schön dort oben die Sterne leuchten.“ Und solange der Junge hineinschaute in den Glanz der leuchtenden Sterne, dachte er nicht an die dunkle Gefahr in der Tiefe und ließ sich ruhig über das Seil tragen.

Immer wieder können wir Menschen mit einer tiefen Lebensangst antreffen. Diese empfinden ihr tägliches Leben wie einen Seiltanz. Da ist die Gefahr, abzustürzen. Was in aller Welt kann ihnen Halt geben? Unser Leben ist von Misserfolg bedroht. Krankheiten können sich ankündigen. Da ist es verständlich, dass Menschen sich nach Verklärung sehnen. Wer möchte sie nicht: Augenblicke, ja Stunden der Begeisterung, der Ekstase? Das alltägliche Leben ist eben oft genug grau in grau.

Zu den Sternen blicken

Da kann es dann die Flucht in den Alkohol oder in die Droge geben. Sogar Religion kann eine Art Flucht werden, wenn Menschen dort immer nur das Besondere suchen. Kritiker sprechen dann von „Religion als Opium des Volkes“. Ja, es kann eine Flucht in die Verklärung geben, die nicht im Sinne Jesu ist. Petrus wäre dieser Versuchung fast erlegen. Er wollte sich mit seinen Begleitern auf dem Berg der Verklärung ansiedeln. Er hätte den Augenblick gerne für immer festgehalten. „Verweile doch, du bist so schön.“ Doch er musste zurück in den grauen Alltag, zurück ins Tal. Mit Jesus wurde er wieder auf den Weg des Kreuzes geschickt, völlig ernüchtert, jedoch mit der Erinnerung an eine tiefe Erfahrung: Dieser Mensch Jesus, mit dem sie unterwegs waren, ist der Sohn des lebendigen Gottes.

Wer mit Christus durch das Tal des Lebens geht, erfährt keine dauernde Verklärung, aber er kann mit der Gewissheit leben, dass es ein Ziel gibt, ein Licht am Ende des Tunnels: die Herrlichkeit der Auferstehung, die in der Verklärung des Herrn auf dem Berg für einen kurzen Augenblick aufleuchtete. Wir Christen sind gut beraten, wenn auch wir zu den Sternen blicken. Das können Sternstunden werden. Am meisten aber lebt der Glaube vom Wort Gottes. Wer den Glauben an die Auferstehung immer wieder nährt, der schaut gewissermaßen zu den Sternen, zum Licht. So wird das Leben nicht zu einem gefährlichen Seiltanz, sondern zum Weg in Sicherheit und Freude. Der christliche Glaube ist nüchterne Begeisterung, die uns hinführt zum österlichen Licht. Die Lichtblicke unseres Lebens sind ein Vorgeschmack der kommenden Herrlichkeit.

Tirschenreuth19.02.2021
 
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