Drei Suri-Lamas stehen bereits auf der Koppel, zwei weitere gucken neugierig aus dem Stall heraus, als Christina Ponader, Projektleiterin des Netzwerks Inklusion, und Doris Scharnagl-Lindinger, Behindertenbeauftragte der Stadt Mitterteich, auf den Lama-Hof "Lucianos Welt" in Terschnitz (Gemeinde Leonberg) kommen. Dieser gehört Jutta Fischer. Die 56-Jährige will den beiden Frauen ihr Projekt mit tiergestützter Aktivität und Förderung für den Freizeitführer "Freizeit Inklusiv" präsentieren.
"Unser Ziel ist, dass wir mit dem Freizeitführer den ganzen Landkreis abdecken. Jetzt im Sommer wollen wir nach Mitterteich die Stadt Tirschenreuth abdecken", erklärt Ponader. Dazu besucht die Sozialpädagogin mit verschiedenen Partnern der Lebenshilfe, oder dem Behindertenbeirat, die einzelnen Stationen. "Landrat Lippert hat uns auf den Lama-Hof und die Aktivitäten von Frau Fischer aufmerksam gemacht", erklärt sie. Für den besonderen Freizeitführer werden Banken, Arztpraxen, Büchereien, Cafés, Geschäfte, Museen und verschiedene Freizeitmöglichkeiten auf Barrierefreiheit und Familienfreundlichkeit getestet. Immer wieder wird Ponader auf neue Aktionen aufmerksam gemacht, die sie sich gerne ansieht. Auch bei ihrem Besuch auf dem Lama-Hof hat sie eine Checkliste dabei, macht sich ab und an Notizen und stellt Fragen zum Hof.
Lama-Liebe auf ersten Blick
Den Lama-Hof mit den fünf Lamas Luciano, Siggi, Vailoso, Zembasi und Richard betreibt Jutta Fischer seit September 2017. Hauptberuflich ist die 56-Jährige aus Waldsassen selbstständig in der Medienbranche tätig und macht Gestaltung für Print und Web sowie Produkt- und Tierfotografie. Die Freude im Umgang mit Lamas und Alpakas erlebte Fischer bei ihrer jahrelangen Mitarbeit am Hof einer Freundin. Nicht nur die Liebe zu den Tieren, auch die tragische Lebensgeschichte einer Zufallsbegegnung weckte in ihr den Wunsch, sich in diesem Bereich weiterzubilden.
Bei einer ihrer vielen Aus- und Fortbildungen lernte sie das Lama Luciano kennen. "Eigentlich hat er mich ausgesucht", sagt Fischer und lacht. Die damalige Halterin bestätigte, dass sich das Tier im Beisein der Waldsassenerin ganz anders verhielt, viel zutraulicher war. Als sicher war, dass Luciano einen Platz am Hof ihrer Freundin haben kann, kaufte Fischer das Tier schließlich. Auch zum Züchter nahm die 56-Jährige Kontakt auf. So stieß sie auf Lucianos Halbgeschwister Richard und Siggi. Die Idee von mehreren Lamas gefiel Fischer, weil sich die Herdentiere sonst schnell einsam fühlen. Nur wohin mit den Lamas?
Durch Zufall kommt eins zum anderen: Sie fährt einen Umweg zu ihrer Freundin und entdeckt eine Wiese mit alten Obstbäumen bei Terschnitz Richtung Steinmühle. Durch einen Bekannten, den sie am gleichen Tag trifft, erfährt die Lama-Freundin, dass der Grund seiner Tante gehört und diese die Wiesen verpachtet. "Ein Paradies", freut sich Fischer. Nach mehreren Gesprächen kaufte sie die Wiesen samt Scheune. Ruhig, nicht einsehbar, keine Störfaktoren in Sicht. Auch den angrenzenden Wald darf sie von der Gemeinde aus für Führungen und Parcours nutzen.
Seit fast zwei Jahren besitzt die 56-Jährige nun fünf Lama-Hengste und erfüllt sich mit dem eigenen Hof einen Kindheitstraum. Mit ihrem Lama-Hof ist die Waldsassenerin Teil des Pilotprojekts Heimat-Unternehmen. Während die fünf Lamas Heu fressen oder sich mit ihren langen, lockigen Zotteln am Boden wälzen, erzählt ihre Besitzerin Christina Ponader und Doris Scharnagl-Lindinger, dass sie in wenigen Wochen ihre zweijährige Ausbildung zur Fachkraft für tiergestützte Pädagogik und Therapie abschließt.
Das Heimat-Unternehmen bietet tiergestützte Förderung und Aktivitäten sowohl für Kinder als auch für Erwachsene mit oder ohne geistigen oder körperlichen Einschränkungen. "Die Interventionen wirken positiv auf die persönliche Entwicklung", sagt die 56-Jährige. Gefördert werden etwa Koordination, Selbstbewusstsein, Konzentrationsfähigkeit, Sprache oder soziale Kompetenzen. "Lamas sind dafür gut geeignet, weil sie intelligent, freundlich, sanft, aber auch neugierig sind", erklärt Fischer. Ihr Angebot richtet sich nicht nur an Kindergärten oder Schulen, sondern auch an Familien oder Gruppen.
Mehr zum Pilotprojekt Heimat-Unternehmen:
Heimat-Unternehmen in der Oberpfalz:
Eigensinnige Teddybären
Bei ihren Interventionen gehe sie individuell auf die Besucher ein. Wichtig sei ihr die schrittweise Annäherung von Tier und Mensch. "Die Lamas sind keine Teddybären, die haben durchaus ihren Eigensinn", erklärt Fischer. "Die Arbeit macht mir sehr viel Spaß. Wenn ängstliche Kinder Vertrauen zu den Tieren aufbauen oder Erwachsene nach einer Wanderung mehr Selbstbewusstsein haben, freut mich das jedes Mal", sagt die Lama-Besitzerin.
"Vieles ist schon mitgedacht", bilanziert Ponader. Sie und Scharnagl-Lindinger haben nur wenige Anmerkungen und Vorschläge, damit der Betrieb noch barrierefreier und familienfreundlicher wird. Damit Rollstuhlfahrer besser auf dem Gelände zurechtkommen, will die Lama-Besitzerin einen Großteil der Wege noch in diesem Sommer pflastern. Auch für das Problem der fehlenden Toilette haben die Inklusions-Experten Tipps. Arbeitsgeräte, wie die Schubkarre, ließen sich leicht umbauen, damit sie etwa Rollstuhlfahrer benutzen könnten. Besonders die Sitzgruppen aus Baumstämmen gefallen den beiden Gästen. "Für das, was ein Stall leisten muss, passt hier alles."
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